„Der größte Nachholbedarf besteht nicht bei den privaten, sondern bei den Unternehmen mit staatlicher Beteiligung“, sagt Dieter Hundt
Hamburg/Berlin. Im Streit um eine Frauenquote für Unternehmen hat Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt die schwarz-gelbe Regierung scharf angegriffen. „ Ich fordere die Bundesregierung auf, die eigenen Versäumnisse anzupacken anstatt die deutsche Wirtschaft mit ungeeigneten Mitteln zu belasten“, sagte Hundt dem Hamburger Abendblatt (Donnerstag-Ausgabe). „Der größte Nachholbedarf besteht in Deutschland nicht bei den privaten Unternehmen, sondern bei den Unternehmen mit staatlicher Beteiligung.“
Die Bundesregierung habe überhaupt keine Frauen in die Aufsichtsräte der börsennotierten Unternehmen Bahn, Post und Telekom entsandt. Daher weise er die Attacken von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gegen die private Wirtschaft zurück, die bei der Berücksichtigung von Frauen viel weiter sei als der Bund.
Lesen Sie hier den kompletten Beitrag von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt:
„Mehr Frauen auch in Führungspositionen der Unternehmen – das ist ein berechtigtes Anliegen sowohl der Unternehmen als auch der Politik. Es gibt zweifelsohne zu wenig Frauen in deutschen Chefetagen. Das muss sich ändern, und ich bin überzeugt, dass es sich auch ändern wird. Schon heute werden Frauen in den Betrieben auf allen Ebenen gefördert. Die Wirtschaft sucht und bildet gezielt qualifizierte Frauen aus und schafft bessere Bedingungen für die weiblichen Führungskräfte von morgen.
Ich bin sicher, dass bei Neuberufungen in zunehmendem Maße Frauen in den Führungen der Unternehmen berücksichtigt werden. Es wäre aber widersinnig, einen erfolgreichen Vorstand oder Aufsichtsrat allein wegen seines Geschlechts abzulösen. Wenn dagegen ein Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglied altersbedingt ausscheidet oder zu einem anderen Unternehmen wechselt, sollten mehr Frauen als bisher berücksichtigt werden. Ich bin sicher, dass dies deutlich mehr als 30 Prozent bei Neuberufungen sein werden.
Eine fixe Quote geht dagegen an der betrieblichen Realität vorbei: Wie soll ein Maschinenbauunternehmer eine Quote von 30 Prozent umsetzen, wenn der Anteil weiblicher Studierender im Fach Maschinenbau bei nur 17 Prozent liegt und der Frauenanteil in technischen Studienfächern bei lediglich rund 20 Prozent? Es muss vielmehr darum gehen, differenzierte und unternehmensspezifische Lösungen zu finden, um den Frauenanteil in Belegschaften und Führungspositionen zu erhöhen. Genau das sieht die Erklärung vor, auf die sich die Dax-30-Unternehmen erst vor wenigen Wochen mit vier Bundesministern verständigt haben.
Die Entwicklung bei der Besetzung von Führungspositionen mit Frauen ist in den deutschen Unternehmen positiv: Fast 30 Prozent aller Führungspositionen sind bereits heute mit Frauen besetzt. Die Defizite, die es bei großen Unternehmen gibt, werden abgebaut: Rund 40 Prozent der in diesem Jahr bei den DAX-30-Unternehmen auf Anteilseignerseite neu zu besetzenden Aufsichtsratsposten wurden Frauen übertragen.
Der größte Nachholbedarf besteht in Deutschland nicht bei den privaten Unternehmen, sondern bei den Unternehmen mit staatlicher Beteiligung. Angesichts der Tatsache, dass sich der Anteil von Frauen in Führungspositionen der privaten Unternehmen kontinuierlich und deutlich verbessert, erwarte ich das auch von den Unternehmen mit staatlicher Beteiligung.
Die Bundesregierung entsendet selbst Aufsichtsräte in die börsennotierten Unternehmen mit Bundesbeteiligung Bahn, Post und Telekom. Der Frauenanteil der von der Bundesregierung entsandten Aufsichtsräte in diese börsennotierten Unternehmen ist null! Ich kritisiere das alles nicht. Ich unterstelle, dass es für alle diese Entscheidungen sachliche Gründe gibt. Aber ich weise die Attacken der Bundesarbeitsministerin gegen die private Wirtschaft zurück, die jedenfalls bei der Berücksichtigung von Frauen viel weiter ist als der Bund.
Österreich hat vor einem Jahr ein Gesetz verabschiedet, das in den Aufsichtsräten von Staatsunternehmen eine Frauenquote vorsieht. Ich lehne auch für Staatsunternehmen solche Quoten ab. Der österreichische Weg ist aber ehrlicher und glaubwürdiger als die gegenwärtige Debatte in der deutschen Politik. Ich fordere die Bundesregierung auf, die eigenen Versäumnisse anzupacken anstatt die deutsche Wirtschaft mit ungeeigneten Mitteln zu belasten.“