Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) über Hamburgs Bürgermeister, die Energiewende und Schwarz-Grün.
Berlin. David McAllister (CDU) hat den Freitagvormittag in Berlin verbracht. Der Bundesrat hat zum ersten Mal die Gesetze der Bundesregierung zur Energiewende beraten. Dabei zeichnete sich ab: Die Länderchefs ziehen beim Atomausstieg mit - haben allerdings Nachbesserungswünsche. Auch Niedersachsens Ministerpräsident hat sich in der Länderkammer zu Wort gemeldet. Am Rande der Debatte traf er das Hamburger Abendblatt im Niedersachsen-Zimmer der Ländervertretung zum Interview.
Hamburger Abendblatt:
Herr Ministerpräsident, in elf Jahren soll Deutschland frei von Atomstrom sein. Hat die Bundesregierung Ihren Segen?
David McAllister:
Das vorgelegte Gesetzespaket der Bundesregierung ist gut und richtig. Die Chance, einen gesellschaftlichen Konsens in der Energiepolitik zu erlangen, ist jetzt zum Greifen nah. Uns steht eine nationale Kraftanstrengung bevor. Ich halte die Energiewende für die größte Herausforderung der Bundesrepublik seit der Wiedervereinigung.
Wo muss sich Berlin noch bewegen?
McAllister:
Ich wünsche mir eine bessere Förderung der Windenergie auf dem Land, also keine Abstriche bei der Vergütung. Die kleineren Biomasseanlagen sollten ebenfalls nicht im Vergleich zu den industriellen Anlagen benachteiligt werden. Beim Netzausbau nähern sich Bund und Länder an. Die Zuständigkeit soll grundsätzlich bei den Ländern bleiben. Ausnahmen kann es mit Zustimmung der betroffenen Länder geben.
Wo wird das deutsche Endlager für den Atommüll am Ende stehen?
McAllister:
Das kann niemand beantworten. Der Bund will Gorleben als möglichen Endlager-Standort zu Ende erkunden. Aber der Bund sollte darauf vorbereitet sein, dass Gorleben nicht geeignet sein kann. Die ausschließliche Konzentration auf diesen Ort ist nicht zielführend. Die Suche nach Alternativen ist geboten. Entscheidend für uns in Niedersachsen ist: Eine Rückholbarkeit des Atommülls muss möglich sein. Alle 16 Bundesländer haben im Bundesrat am Freitag gefordert, dass die ergebnisoffene bundesweite Suche auch unter Einbeziehung von Gorleben auf der Basis eines neuen Gesetzes durchgeführt werden soll. Dem sollte sich der Bund meines Erachtens anschließen.
Wo soll gesucht werden?
McAllister:
Deutschlandweit. Alle Bundesländer sollten sich jetzt in der Standortfrage einbringen. Es ist gut, dass meine Kollegen Horst Seehofer und Winfried Kretschmann in Süddeutschland bereit sind, bei der Suche konstruktiv mitzuwirken. Alle Regionen Deutschlands sind gefordert.
Der Energiemix verändert sich, müssen sich auch die Energieversorger bewegen und mehr Wettbewerb zulassen?
McAllister:
Wir haben ja Wettbewerb auf dem Strommarkt. Ich glaube, dass der Wettbewerb durch die Energiewende sogar steigen kann. Der Strommarkt wird dezentraler und kleinteiliger.
Aber vier Konzerne dominieren weiter den Markt.
McAllister:
Das stimmt. Andererseits werden Stadtwerke zukünftig eine noch größere Rolle spielen. Erneuerbare Energien sind vor allem mittelständisch geprägt und sind eine riesige Chance für den ländlichen Raum und eine zusätzliche Einnahmequelle für die Landwirtschaft.
Die Grünen-Spitze will dem neuen Atomausstieg zustimmen. Sinken damit die Hürden für eine schwarz-grüne Koalition im Bund?
McAllister:
Es gibt zwischen Union und FDP die größte politische Schnittmenge. Über weitere Fragen will ich nicht spekulieren.
Können Sie ausschließen, dass ab 2013 Schwarz-Grün regiert?
McAllister:
Es mag ja den einen oder anderen geben, der so aufgeregt ist und jetzt schon über die Wahl 2013 reden will. Ich bin es nicht. Mich ärgert es, dass einige in meiner Partei den Grünen hinterherlaufen. Ich tue das nicht.
Mit Verlaub: Ignorieren kann man die Grünen auch nicht mehr.
McAllister:
Die Grünen haben momentan einen Hype, mehr nicht. Sobald die Energiewende unter Dach und Fach ist, beginnt die Entzauberung der Grünen. In der Zwischenzeit gönne ich ihnen das vorübergehende Hoch in den Umfragen.
Bei der Energiewende haben Sie sich aber schon fast einen Überbietungswettbewerb mit der Öko-Partei geliefert. Wie scharf ist das Profil der CDU noch?
McAllister:
Das Regierungsgeschäft erfordert immer auch Pragmatismus, gerade wenn es um unvorhersehbare Ereignisse geht. Da muss man unter Umständen schnell ein neues Konzept entwickeln können. Fest steht aber auch: Die CDU hat ein klares Profil. Das Bekenntnis zur Kernenergie gehört nicht zum Wesenskern unserer Partei.
Wie scharf ist das Profil der Parteichefin Angela Merkel?
McAllister:
Es ist gut, dass wir eine pragmatische und keine ideologische Bundeskanzlerin haben. Was hätte die Bundesregierung denn nach dem Unglück in Fukushima machen sollen - etwa die Kernkraft offensiv verteidigen?
Die Wähler scheinen den Pragmatismus nicht zu honorieren. Die CDU steckt im Umfragetief und hat wichtige Landtagswahlen verloren.
McAllister:
In den letzten Monaten hat die Energiepolitik viele andere Themen überlagert. Die Grünen haben hier nun mal einen vermeintlichen Glaubwürdigkeitsvorsprung. Jetzt muss die CDU wieder an ihre Brot-und-Butter-Themen ran: Arbeit, Wirtschaft, Finanzen, Infrastruktur, Bildung, Familie und Sicherheit. Die CDU sollte darüber reden, worin sie stark ist. Im Vermarkten unserer politischen Erfolge haben wir noch Luft nach oben.
Was heißt das konkret?
McAllister:
Das Sommertheater sollte in diesem Jahr nicht bei der Union stattfinden. Die anderen sind dran!
Seit knapp einem Jahr sind Sie Ministerpräsident und haben mit drei Hamburger Regierungschefs zusammengearbeitet: Ole von Beust, Christoph Ahlhaus und Olaf Scholz. Wer hat Sie am meisten überzeugt?
McAllister:
Ole von Beust fand ich als Mensch einfach klasse. Für die CDU war er als sympathischer Vertreter liberaler Großstadtpolitik sehr wertvoll.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Olaf Scholz?
McAllister:
Wir haben ein gutes und vertrauensvolles Arbeitsverhältnis. Er kommt bald zu seinem offiziellen Antrittsbesuch nach Niedersachsen. Ich überlege schon, was ich ihm bei uns präsentieren kann, und möchte seine Neugier für Themen der Metropolregion Hamburg wecken, die in seiner Regierungserklärung noch nicht so die zentrale Rolle gespielt hat.
Nach den Schlappen bei den Landtagswahlen Ende März haben Sie der FDP geraten, ihre Hausaufgaben zu machen. Wie finden Sie das Ergebnis?
McAllister:
Die Situation der FDP war und ist nicht einfach. Aber sie hat den personellen Neuanfang geschafft und wird jetzt auch ihre inhaltlichen Schwerpunkte setzen. Als Ministerpräsident freue ich mich natürlich, dass jetzt auch ein Niedersachse Vizekanzler ist.
Der neue Parteichef Philipp Rösler gilt vor allem als nett. Hilft ihm das, um auf Augenhöhe mit der Kanzlerin zu verhandeln?
McAllister:
Warum sollte ein Politiker nicht nett, freundlich und sympathisch sein dürfen? Wer meint, dass nur unfreundliche und unhöfliche Menschen für politische Ämter geeignet sind, liegt völlig falsch. Zudem ist Philipp Rösler stark und durchsetzungsfähig, wenn es darauf ankommt. Ich kenne ihn aus unserer Hannoveraner Zeit sehr gut.
Schwarz-Gelb steckt trotz der erneuerten FDP weiter im Dauerclinch. Garantieren Sie uns, dass die Koalition bis 2013 durchhält?
McAllister:
Davon gehe ich aus. Die Koalitionspartner sind gut beraten, freundlich übereinander zu reden, sich zu loben und zu unterstützen. Man kann auch mal seinen Ärger über den Koalitionspartner für sich behalten, statt ihn sofort auszuposaunen. Für Kritik ist eigentlich die Opposition zuständig.