Minister Ramsauer wirbt für Modellprojekt in bester Lage in Berlin. Mieter fürchten die energetische Gebäudesanierung, die Handwerker jubeln.
Berlin. Peter Ramsauer sucht noch Mieter für sein Haus, das mehr Energie produzieren soll, als die Bewohner darin verbrauchen. „Das Haus entsteht in bester Berliner Wohnlage und ist mit allen erdenklichen Innovationen aus der Gebäudetechnik ausgestattet“, rührt der CSU-Bauminister die Werbetrommel. Und verweist auf einen besonderen Anreiz: „Die Familie bekommt die Chance, die neuesten deutschen Elektroautos und E-Fahrräder zu testen.“ Ramsauers Modellprojekt heißt: „Mein Haus, meine Tankstelle“. Mit Solarstrom soll auch noch gleich das Elektroauto vor dem Haus aufgeladen werden. Bis Ende 2011 soll das 130 Quadratmeter große Energie-Plus-Haus in Berlin-Charlottenburg stehen. In Kürze startet ein Aufruf für Familien, die dort wohnen wollen. „Gebäude und Verkehr haben einen Anteil von etwa 70 Prozent am Endenergieverbrauch. Das birgt ein enormes Einsparpotenzial“, betont Ramsauer.
Doch wie vieles bei der Energiewende ist dies noch Zukunftsmusik. Ramsauer will zunächst die Sanierung von Millionen alter Gebäude voranbringen, die nicht nach Maßgabe der Energieeinsparverordnung gebaut worden sind. Zuletzt waren hierfür Mittel gekürzt worden, nun stehen ab 2012 rund 1,5 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung, unter anderem für zinsgünstige Kredite der KfW-Bank. Der Bauexperte der FDP-Fraktion, Sebastian Körber, fordert mindestens zwei Milliarden Euro. Zugleich lehnt er es ab, Vermieter zum Sanieren zu verdonnern. Es dürfe „kein Zwang zur energetischen Sanierung entstehen“.
Hauseigentümer sollen aber ab 2012 jährlich zehn Prozent der Sanierungskosten von der Steuer absetzen können. Ramsauer beziffert dieses Volumen an fehlenden Steuergeldern für die nächsten Jahre auf 1,5 Milliarden Euro. Seit Wochen hat hinter den Kulissen eine Lobbyschlacht getobt. Eigentümerverbände wie Haus & Grund, der Mieterbund, das Handwerk, die Dämmindustrie und Gerüstbauer – sie alle sind von der Sanierungsoffensive betroffen. Die Regierung will den Energieverbrauch bis 2020 um bis zu zehn Prozent senken – Studien besagen, dass mit Gebäudesanierungen, einem Austausch alter Geräte und Heizpumpen die Energie von bis zu zehn AKW gespart werden könnte.
„Das Handwerk steht bereit, eine wirksame Energiewende weiter voranzutreiben“, sagt Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. Er fordert aber mehr als die 1,5 Milliarden Euro jährlich. Das Handwerk darf sich über Jahre auf gute Geschäfte freuen. Ein Förder-Euro löst bis zu 16 Euro an Investitionen aus. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte jüngst das Projekt „Haus sanieren – profitieren“ der Bundesstiftung Umwelt als vorbildlich. Dabei wurden bisher 11.000 Handwerker geschult, um Häuser energetisch zu sanieren.
Die Regierung will auch durch bessere Rahmenbedingungen die Sanierungsquote auf bis zu zwei Prozent jährlich erhöhen, um so auch den wegfallenden Strom aus Atomkraftwerken schrittweise einzusparen. Mit dem noch zu beschließenden neuen Mietrecht sollen Mieter während einer energetischen Gebäudesanierung künftig drei Monate lang Mieten nicht mehr mindern können. Das bedeutet: Trotz Dreck, trotz eines Gerüsts vor dem Fenster und viel Lärm sind hundert Prozent Miete zu zahlen. So will die Regierung Vermieter ermuntern, Fenster auszutauschen, Wände zu dämmen und alte Heizungen zu entsorgen. Elf Prozent der Kosten sollen auf die Jahresmiete aufgeschlagen werden können.
Der Mieterbund fürchtet, dass viele der 39 Millionen Mieter in Deutschland zum Auszug gezwungen werden könnten. Gefordert wird ein energetischer Mietspiegel, damit gleich klar wird, ob entsprechende Maßnahmen auch wirklich deutlich niedrigere Nebenkosten garantieren. Und eine gerechte Verteilung der Kosten, weil Vermieter schließlich von einer wertvolleren Immobilie profitieren.
Nach Berechnungen des Chefs der Deutschen Energie-Agentur, Stephan Kohler, lassen sich durch energetische Sanierungen bis zu 75 Prozent der Energie einsparen. Das könnte steigende Kosten für die Kaltmiete ausgleichen und Mieten stabil halten. Auch die Regierung sieht keinen Grund für Alarmismus. Offen ist aber, ob nicht steigende Strompreise wegen des Atomausstiegs einen Strich durch diese Rechnung machen. (dpa)