Es geht um den Ausbau der Stromnetze, Windkraft und die Gebäudesanierung. Die Grünen schwenken überraschend schnell auf Angela Merkels Kurs ein.
Hamburg/Berlin. Beim Atomausstieg bewegen sich die Grünen auf den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu. Doch plötzlich wackelt die SPD wieder. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach zwar von einem Annähern der Positionen hin zu den Vorstellungen der Sozialdemokraten. Doch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat die Bundesregierung unverblümt zu Korrekturen am Gesetzespaket zur Energiewende aufgefordert. „Es kann nicht sein, dass der Bund Entscheidungen einfordert und die Länder am Ende die Zeche bezahlen“, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Hier seien sich die Ministerpräsidenten aller Bundesländer einig. Die Präsidentin des Bundesrates betonte, dass die Länder etwa die Pläne zur Gebäudesanierung sehr wohl unterstützten. „Da steckt auch eine Menge Arbeitsplatzpotenzial drin“, sagte Kraft. Jedoch könnten sie nicht wie geplant den Großteil der Kosten tragen. Zudem seien Mittel in Höhe von 5 Milliarden statt der bislang geplanten 1,5 Milliarden nötig, um bei der Gebäudesanierung maßgeblich voranzukommen.
Auch bei den Plänen zum Ausbau der Stromnetze forderte Kraft Änderungen. Es ergebe keinen Sinn, einfach Zuständigkeiten von den Ländern zum Bund zu verschieben und eine neue Behörde zu schaffen, sagte sie. Das mache den Netzausbau nicht schneller. Kraft forderte, die Zuständigkeit für Planfeststellungsverfahren bei den Ländern zu belassen. Die verfügten über sachkundige Fachleute am Ort, die die Verfahren schneller und sicherer abschließen könnten.
Der Bundesrat befasst sich an diesem Freitag erstmals mit dem Gesetzespaket der Bundesregierung zur Energiewende. Am 8. Juli entscheidet der Bundesrat abschließend über das Gesetzespaket.
Eigentlich könnte die SPD nach den Worten ihres Fraktionschefs Steinmeier dem schwarz-gelben Atomgesetz zustimmen. „Beim Atomausstieg hat sich die Regierung auf uns zu bewegt“, sagte Steinmeier der „Passauer Neuen Presse“. Nicht nur beim Ausstiegsdatum 2022, sondern auch mit der festen Zusage für einen gestuften Ausstieg, der sicherstelle, dass in den nächsten zehn Jahren Atommeiler schrittweise vom Netz gingen. „Der Umstieg in erneuerbare Energien ist aber genauso wichtig wie der Ausstieg aus der Atomkraft“, machte Steinmeier zur Bedingung. Hier werde in den Bundestagsausschüssen noch mit der Koalition verhandelt. Die Bundesregierung beabsichtige allerdings, den Windkraftausbau an Land zu erschweren. „Das wäre fatal“, sagte Steinmeier und fügte an: „Wenn es dabei bleibt, wird die SPD dagegen stimmen.“
Die Führung der Grünen will nach einem Zeitungsbericht ihre Partei für eine Zustimmung zum schwarz-gelben Atomausstieg gewinnen. Darauf hätten sich die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin sowie die Parteivorsitzenden Cem Özdemir und Claudia Roth in einer Telefonschaltkonferenz geeinigt, wie die „Rheinische Post“ unter Berufung auf Parteikreise berichtet. Eine entsprechende Position solle in dem Leitantrag zum Sonderparteitag vorgestellt werden. Demnach sei das von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Ende für die Kernenergie im Jahr 2021/2022 die „bessere Alternative“. Ursprünglich hatten die Grünen das Enddatum 2017 anvisiert. Bereits im Vorfeld signalisierten die Grünen, zumindest der Atomnovelle zustimmen zu können. Für den Sonderparteitag zum Atomausstieg am 25. Juni wird ein hartes Ringen vorhergesagt. Dann wird über den Leitantrag abgestimmt.
Unterdessen ist das Aus für die ersten acht Atomkraftwerke besiegelt. Auch RWE will nach Auslaufen des Atom-Moratoriums sein Kernkraftwerk Biblis B in Hessen nicht wieder anfahren. Rechtlich wäre ein Anfahren der durch das Moratorium für drei Monate stillgelegten Meiler für einige Wochen möglich. Denn das Atomgesetz, das das dauerhafte Aus verfügt, wird nicht vor Mitte Juli vorliegen. Auch die anderen Kraftwerksbetreiber wollen den rechtlichen Schwebezustand bis zur Stilllegungsverfügung durch das neue Atomgesetz nicht zum Wiederanfahren ihrer Meiler nutzen. (dpa/dapd)