Der Gesundheitsminister will einen Versorgungspakt. Hamburg fürchtet um die Honorare seiner Praxisärzte.
Hamburg/Berlin. Der "Landarzt" ist eine der erfolgreichsten Serien des ZDF. Und das dringendste Thema der medizinischen Versorgung für Millionen von Patienten in Deutschland. Anders als in der Fernsehfiktion dargestellt, gibt es immer weniger Mediziner, die eine Praxis in der Provinz mit Freude betreiben. Deshalb will Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) mit den Bundesländern und den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) einen "Versorgungspakt für Deutschland" schließen.
Rösler sagte nach einem Treffen mit Gesundheitsministern aus den Ländern: Die Praxisplanungen sollten nicht mehr starr an den Stadt- und Landkreisgrenzen ausgerichtet werden. Die Auswahl der Medizinstudenten solle verbessert und eine Imagekampagne für den Hausarzt gestartet werden.
Bundesweit sind derzeit 3600 Arztsitze unbesetzt. Rund ein Drittel aller Ärzte ist älter als 50.
Doch bei Röslers großer Tagung in Berlin fehlte sein politischer Rivale Markus Söder (CSU) genauso wie dessen Länderministerkollegen Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) oder Dietrich Wersich (Hamburg). Schwesig sagte dem Abendblatt: "Es wird Zeit, dass Herr Rösler sich des Problems des Ärztemangels ernsthaft annimmt, markige Sprüche reichen nicht. Das Thema ist zu wichtig, um es für parteipolitische Profilierung zu nutzen. Vorschläge, auch aus Mecklenburg-Vorpommern, liegen seit Monaten auf dem Tisch. Jetzt müssen wir gemeinsam sehen, was Erfolg verspricht und umsetzbar ist." Schwesig nannte die Bevorzugung von Studenten, die später als Hausärzte in einem unterversorgten Gebiet arbeiten wollen, sowie Stipendien für Allgemeinmediziner in der Ausbildung.
Hamburgs Gesundheitssenator Wersich (CDU) sagte dem Abendblatt zu Anreizen für Medizinstudenten: "An dieser Idee muss man sich genau angucken, ob sie wirklich funktionieren kann. Meine Erfahrung ist eher, dass sich Medizinstudenten nicht schon vor dem Studium für ihren weiteren Berufsweg in der Vielfalt der Medizin festlegen lassen wollen."
Diskutiert wird auch, ob Ärzte in ländlichen Gebieten künftig einen Extrabonus bei den Honoraren bekommen. Da es insgesamt nicht mehr Geld zu verteilen gibt, müssten die Ärzte-Honorare in "überversorgten" Regionen wie Hamburg künftig sinken. Das befürworten auch Krankenkassen wie die Barmer GEK. Deren Vizevorsitzender Rolf-Ulrich Schlenker sprach von einer "Pool-Lösung". Das heißt: den Gebieten mit hoher Arztdichte wie Hamburg Honorare entziehen und in den Topf für die unterversorgten Regionen legen.
Fraglich ist, ob junge Ärzte in der Metropolregion Hamburg dann überhaupt noch eine Praxis übernehmen können. Wersich gab sich skeptisch: "Anreize sind okay und zu unterstützen. Malus-Systeme sind kritisch, weil sie häufig nicht die tatsächliche Versorgung berücksichtigen, die zum Beispiel Hamburger Ärzte für die ganze Metropolregion erbringen. Marktwirtschaft ist, dass Ärzte weniger verdienen, wenn sie weniger zu tun haben, nicht aber dass eine ganze Versorgungsregion wie Hamburg bestraft wird."
Die Kassenärzte in Hamburg und Schleswig-Holstein beklagen, dass die Planungen, welcher Stadtteil welchen Arzt braucht, auf alten Zahlen beruhen. Sie fordern mehr gesetzlichen Spielraum. Die Vorstandschefin der KV Schleswig-Holstein, Ingeborg Kreuz, sagte: "Die Bevölkerung wird immer älter, und auch die Anzahl altersbedingter Krankheiten nimmt deutlich zu. All das wird bei der aktuellen Bedarfsplanung nicht berücksichtigt. Diese basiert auf starren Einwohner-Arzt-Verhältniszahlen, die Anfang der Neunzigerjahre festgelegt wurden."
In Niedersachsen will Gesundheitsministerin Aygül Özkan (CDU) Ärzte in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner finanziell unterstützen. Außerdem soll die Approbationsordnung geändert werden. Niedersachsen fehlen nach derzeitigem Trend bis zum Jahr 2020 insgesamt 1000 Hausärzte. "So weit darf und wird es nicht kommen", sagte Özkan. In Sachsen locken die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung Hausärzte mit 60 000 Euro Prämie bei einer Praxisgründung im ländlichen Raum. Neu niedergelassene Augenärzte sollen 100 000 Euro bekommen.