Das meint der PISA-Chef Heino von Meyer. Deutschlands Schüler haben noch einen weiten Weg in die Champions League der Bildung.
Berlin/Hamburg. Natürlich musste mal wieder Mesut Özil herhalten. Der deutsche Fußball-Nationalspieler in Diensten von Real Madrid hat derzeit so viel Strahlkraft, dass er sogar für den Schüler-Vergleichstest PISA ein Vorbild ist. „Wir brauchen eben Özils nicht nur beim Fußball. Wir müssen einfach gucken, dass wir auch Özils in den Klassen und Schulen fördern“, sagte der Leiter der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Heino von Meyer.
Denn Deutschland ist beim PISA-Test auch aus Sicht von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) noch nicht am Ziel – trotz deutlich besserer Ergebnisse. „Wir sind dem Ziel der Bildungsrepublik Deutschland ein größeres Stück nähergekommen“, sagte Schavan. Die Qualität des Bildungssystems sei besser geworden, was vor allem ein Verdienst der Lehrer sei. Es müsse aber noch mehr getan werden. Sie schlug einen Drei-Punkte-Aktionsplan vor. Die Programme zur Leseförderung müssten weiterentwickelt werden. Nötig seien auch Bildungsketten bis zum Berufsabschluss und lokale Bildungsbündnisse um Schulen herum.
Die Lesefähigkeit ist spürbar besser geworden
Insgesamt sehen die PISA-Macher Deutschlands Schüler auf dem Weg nach oben. „Deutschland ist aufgestiegen – aufgestiegen aus der zweiten in die erste Liga. Aber von der Champions League ist Deutschland noch weit entfernt“, sagte von Meyer. Nötig seien mehr Training und mehr Integration statt Ausgrenzung. Die Lesefähigkeit der 15-jährigen Schüler sei spürbar besser geworden. Seit dem Jahr 2000 sei Deutschland von 484 Pisa-Punkten auf 497 gestiegen. Der Abstand zu den Spitzenländern sei aber nach wie vor beträchtlich. Der Anteil der Schüler mit ungenügenden Ergebnissen ist laut OECD aber deutlich kleiner geworden. Nach wie vor seien die Leistungen stark geprägt vom sozial-ökonomischen Hintergrund der Familien und der Schulen.
In Mathematik ist der Rückstand groß
In Mathematik und in den Naturwissenschaften schneidet Deutschland erneut besser ab als der Durchschnitt der OECD-Länder. Der Rückstand gegenüber Spitzenreitern wie Finnland oder Südkorea ist aber nach wie vor groß. Am besten sind durchweg Schüler aus Asien. „Top-Resultate“ liefert Deutschland allein bei der ungleichen Verteilung von Bildungschancen. Die PISA-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) analysiert die Leistungen von Schülern im Alter von 15 Jahren. Forscher erstellen die Studie seit 2000 in einem Rhythmus von drei Jahren. Für die neue Untersuchung wurden rund 470.000 Schüler in 65 Ländern getestet – darunter alle 34 OECD-Länder. In Deutschland beteiligten sich rund 5000 Jugendliche an 223 Schulen. Der Fokus lag auf der Lesekompetenz der 15-Jährigen.
Das Textverständnis muss besser werden
Die Schüler in Deutschland legten in dieser Disziplin gegenüber der ersten PISA-Studie von 2000 deutlich zu (von 484 auf 497 Punkte). Damit sind sie gemeinsam mit ihren Altersgenossen in den USA (500), Schweden (497), Frankreich (496) und Großbritannien (494) im OECD-Mittelfeld. Der Abstand zu Spitzenländern wie Korea (539), Finnland (536), Kanada (524) und Japan (520) ist allerdings noch immer beträchtlich. Vor allem beim „Reflektieren und Bewerten“ haben Schüler in Deutschland Schwierigkeiten. Die Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen sind beim Lesen enorm. In Deutschland sind die Mädchen den Jungen beim Textverständnis im Schnitt etwa ein Schuljahr voraus.
In den beiden übrigen Testblöcken liegen die Leistungen der deutschen Schüler leicht über dem OECD-Schnitt. In den Naturwissenschaften rangieren acht andere Mitgliedstaaten vor Deutschland (Finnland, Japan, Südkorea, Neuseeland, Kanada, Estland, Australien und die Niederlande), in der Mathematik sind neun OECD-Staaten den Deutschen voraus (Südkorea, Finnland, die Schweiz, Japan, Kanada, die Niederlande, Neuseeland, Belgien und Australien).
Das soziale Umfeld prägt die Leistungen
An einem Manko in Deutschland hat sich kaum etwas geändert: Die Leistungen der Schüler hängen weiter stark von ihrer sozialen Herkunft ab – und von der Schule, die sie besuchen. Je mehr sozial schwache Kinder an einer Schule, desto mehr reißt das die Leistungen der einzelnen Jugendlichen nach unten. In Deutschland beträgt der Leistungsunterschied zweier Schüler mit einem ähnlichen Hintergrund im Extremfall über zwei Schuljahre – je nachdem, ob sie auf eine Schule mit einem sozial günstigen oder ungünstigen Umfeld gehen. In keinem anderen Land hat dieser Faktor einen derart starken Einfluss.
Wie schon in den Vorgängerstudien schneiden Südkorea und Finnland besonders gut ab. Sie liegen in allen Bereichen – Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften – an der Spitze der OECD-Länder. In den Naturwissenschaften teilen sich die PISA-Vorzeigeländer die vorderen Plätze mit Japan. Überflügelt werden diese Staaten aber durchgehend von der chinesischen Region Shanghai. Die dortigen Schüler schneiden durchweg am besten ab – mit beachtlichem Abstand. Unter den Nicht-OECD-Ländern tun sich auch Hongkong und Singapur mit Spitzenleistungen hervor. Schlusslicht der OECD-Staaten ist in allen Testbereichen Mexiko, unter den übrigen Ländern belegt Kirgisistan konstant den letzten Platz.