Berlin will den Defizitabbau vorantreiben. Der US- Präsident warnt vor einem zu schnellen Sparkurs, der das weltweite Wachstum gefährden könnte.
Berlin/Brüssel. Ob Bankenabgabe, Finanzmarktregeln oder Wachstumskurs: Auf dem G20- Gipfel gibt es reichlich Konfliktstoff. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bietet US- Präsident Barack Obama im Streit um Schuldenabbau und Wachstumskurs Paroli. Vor dem G20-Gipfel Ende dieser Woche in Kanada verteidigten Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) das schwarz-gelbe Sparpaket und einen allmählichen Abbau der Staatsdefizite. Zusammen mit Frankreich dringt Deutschland darauf, dass im Bemühen um schärfere Finanzmarktregeln nicht nachgelassen wird.
„Es geht nicht um ein radikales Sparprogramm, sondern es geht darum, dass man bei anhaltendem wirtschaftlichen Aufschwung nicht die gleichen Konjunkturprogramme immer weiter fahren muss“, sagte Merkel am Montag in Berlin. Es werde nicht an Investitionen gespart.
Deutschland versuche, einen kleinen Teil der Verschuldung in den Griff zu bekommen und vor allem über Bildung und Forschung Wachstum und Arbeitsplätze zu fördern. Merkel warnte: „Wenn wir nicht zu einem nachhaltigen Wachstumspfad kommen, sondern wieder aufgeblähtes Wachstum generieren, werden wir durch eine nächste Krise bezahlen.“
Unklar ist, ob beim G20-Gipfel Erfolge bei der Regulierung der Finanzmärkte erzielt werden können. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderten in einem gemeinsamen Brief Kanadas Premierminister Stephen Harper auf, bei dem Treffen am
26. und 27. Juni in Toronto die Dynamik für Reformen hoch zu halten.
„Frankreich und Deutschland werden dazu aufrufen, an einer internationalen Einigung über eine globale Finanzmarktsteuer, zum Beispiel eine Finanztransaktionssteuer, zu arbeiten“, schrieben Merkel und Sarkozy am Montag. Auch eine Bankenabgabe sei ein Ziel. Sie forderten, dass alle G20-Staaten sich an vereinbarte Regeln halten müssten. Deren Einhaltung soll durch ein System gegenseitiger Kontrolle überwacht werden.
Schäuble sagte mit Blick auf den Ausstieg aus den teuren Anti- Krisenprogrammen: „Wir setzen genau das um, was international seit Monaten als „Exit-Strategie“ besprochen worden ist.“ Und das bedeute auch, im Jahr 2011 mit einer maßvoll dosierten Rückführung der zu hohen öffentlichen Defizite zu beginnen.
Die zu hohe öffentliche Verschuldung – nicht nur in Europa – sei eine der Hauptursachen der Krise, betonte Schäuble. Deshalb müsse diese maßvoll zurückgeführt werden. Mit ihrem Kurs gefährde die Bundesregierung die Wachstumsimpulse nicht, sagte Schäuble nach einem Treffen mit der Expertengruppe Finanzmarktarchitektur.
Der Chef dieser Expertengruppe, der frühere Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Otmar Issing, stützte die Position. Der Abbau globaler Ungleichgewichte werde nicht erreicht, indem einzelne Länder noch mehr Schulden anhäuften. „Das würde das Vertrauen der Märkte schwächen.“
Obama hatte die anderen Industrienationen vor einem übertriebenen Sparkurs gewarnt. Die Kürzung öffentlicher Ausgaben könne die Erholung der Weltwirtschaft gefährden, schrieb er an die Staats- und Regierungschefs der G20, die sich am Wochenende in Kanada treffen.
Ein Schuldenabbau sei zwar in vielen Ländern notwendig, er dürfe aber keinesfalls die weltweite Konsumnachfrage schwächen. Obama forderte die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) auf, dem Konjunkturaufschwung Vorrang einzuräumen.
Europa will beim G20-Gipfel in Toronto keinen messbaren Zielen zum Schuldenabbau zustimmen. Derartige Vorgaben könnten allerhöchstens als Untergrenzen vereinbart werden, über die dann fortschrittlichere Länder auch hinausgehen müssten, hieß es in Brüssel in EU-Kreisen.
Grund für die europäische Zurückhaltung sind demnach die besonders strengen Vorgaben im Euro-Stabilitätspakt, dem Regelwerk für den gemeinsamen Währungsraum aus 16 EU-Ländern. Der Gastgeber des G20- Gipfels, Kanadas Regierungschef Stephen Harper, hat zwei Ziele vorgeschlagen:Die Halbierung der Haushaltsdefizite bis 2013 sowie die Stabilisierung oder Reduzierung der Schuldenquote bis 2016.
Die Ankündigung Chinas zur flexibleren Wechselkurspolitik wurde in Berlin begrüßt. „Wir glauben, dass damit China einen entscheidenden Beitrag zum Abbau der globalen Ungleichgewichte leisten kann“, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Michael Offer. Es müsse aber abgewartet werden, in welchem Maß und Zeitraum sich der Wechselkurs verändern werde. Da stünden noch Präzisierungen aus.
Die chinesische Zentralbank hatte am Wochenende eine Reform ihrer Währungspolitik signalisiert. Vor allem die USA werfen dem Exportweltmeister China vor, mit einer künstlich niedrig gehaltenen Währung seine Ausfuhren zulasten anderer Staaten anzukurbeln.