Die ersten Monate der Koalition waren für Bundespräsident Horst Köhler enttäuschend – Er fordert mehr Reformmut von Schwarz-Gelb.
München. Bundespräsident Horst Köhler hat die schwarz-gelbe Koalition vor allem wegen ihrer Steuerpolitik kritisiert. „Das Volk erwartet jetzt tatkräftiges Regieren. Daran gemessen waren die ersten Monate enttäuschend“, sagte das Staatsoberhaupt in einem Interview des Nachrichtenmagazines „Focus“ laut Vorabmeldung. Er rief die Politik zu mehr Reformmut in Deutschland auf. „Es geht um einen neuen Aufbruch zu Reformpolitik“, sagte das Staatsoberhaupt.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte Köhlers Aufforderung zu mehr Reformpolitik. „Wir nehmen diese Mahnungen für unsere Regierungsarbeit sehr ernst“, wird der FDP-Chef in der „Welt am Sonntag“ zitiert. Insbesondere dem Aufruf nach einer Entlastung der Mittelschicht will Westerwelle nachkommen. Zur Kritik Köhlers am Start der schwarz-gelben Bundesregierung und seinem Vorschlag einer internationalen Abgabe auf Finanztransaktionen äußerte sich der Vizekanzler nicht.
Köhler erklärte im „Focus“, er sehe derzeit keinen Spielraum für massive Steuersenkungen. „Das wäre ein Vabanquespiel“, wurde er zitiert. In einem Gesamtkonzept sei die Begünstigung von Forschung in Unternehmen sinnvoll, aber auch eine Entlastung der Mittelschicht. „Die wird ja immer wieder vergessen in der Diskussion“, sagte er. „Diejenigen, die sich an die Regeln halten und Steuern zahlen, die müssen sich doch manchmal richtig verladen vorkommen. Ein junges Ehepaar mit zwei Kindern, das kommt gerade mal so hin. Für die Mittelschicht muss etwas geschehen.“
Deutschland müsse auch mehr Geld für Bildung ausgeben. „Fast ein Drittel unserer gesamtwirtschaftlichen Leistung wenden wir auf für staatliche Sozialleistungen, aber nur gut sechs Prozent für Bildung“, kritisierte Köhler. „Angesichts dieser Relation müssen wir uns eigentlich vor unseren Kindern schämen.“
Bei der Ernennung der Regierung im Oktober habe er mit Bedacht gesagt: „Ihr habt eine ordentliche Mehrheit“, erklärte der Bundespräsident. Das Gute sei aber, dass sich die Beteiligten selbst über die enttäuschende Politik klar seien. Inzwischen trete in der Koalition Realismus ein.
Kritik am Wachstumsbeschleunigungsgesetz
Eindringlich forderte er eine Lösung für das „Megaproblem Schulden“. „Wir müssen weg von schuldengetriebenem Konsum. Davon wieder runterzukommen, ist schwer wie ein Drogenentzug, aber unumgänglich für nachhaltiges Wachstum, das allen Menschen dient.“
Besonders kritisch sieht der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds das Konjunkturpakt oder Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Schon der Begriff habe ihn nachdenklich gemacht. „Als sei es der Staat, der für immer mehr, immer schnelleres Wachstum sorgen könne.“