In Holland sollen Autofahrer eine Gebühr pro gefahrenen Kilometer bezahlen. Jetzt wird über das Konzept auch in Deutschland gestritten.

Amsterdam/Hamburg. Hollands Autofahrer sollen künftig keine Kfz-Steuer mehr zahlen, sondern eine Kilometergebühr von zunächst durchschnittlich drei Cent. Hauptziel dieser von der Regierung in Den Haag beschlossenen Reform ist die Verringerung schädlicher Abgase sowie der täglichen Staus auf Hollands Straßen. Die Bundesregierung will dem niederländischen Modell nicht folgen. Das Modell sei eine Form von Pkw-Maut, sagte eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums in Berlin. „Und eine Pkw- Maut, egal in welcher Form, steht nicht auf der politischen Tagesordnung.“

Die als „revolutionär“ für den Umweltschutz gepriesene Reform löste in den Niederlanden umgehend einen heftigen Streit aus. Eine deutliche Mehrheit der Autofahrer lehne den Plan ab, berichtete am Sonntag die Zeitung „De Telegraaf“. Mit der Umstellung auf das neue System soll ab 2012 nicht mehr der Besitz, sondern allein die Nutzung von Autos besteuert werden. Auch in Deutschland entbrannte am Sonntag eine heftige Diskussion über das Thema. Die FDP lehnte das Modell ab. Das System sei aufgrund der Anzahl der betroffenen Fahrzeuge und aufgrund der Größe Deutschlands nicht übertragbar, sagte der FDP-Obmann im Verkehrsausschuss, Patrick Döring, dem „Hamburger Abendblatt“ (Montagausgabe).

Die Grünen hatten zuvor Sympathie für eine Radikalreform der Kfz-Steuer nach dem Vorbild der Niederlande gezeigt. Das Modell gehe in die richtige Richtung, sagte Parteichef Cem Özdemir dem „Hamburger Abendblatt“ (Montagausgabe). „Wir brauchen bei der Besteuerung des Autoverkehrs eine klare ökologische Lenkungswirkung: Wer viel fährt und dabei mit einem Spritfresser viel CO2 ausstößt und das Klima belastet muss mehr zahlen als die, die mit emissionsarmen Autos wenig fahren.“

Ferdinand Dudenhöffer, der Leiter des Lehrstuhls für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, sagte der dpa, Deutschland solle sich an dem „fortschrittlichen Modell ein Beispiel nehmen“. Im Vergleich dazu sei die deutsche Kfz-Steuer „ein Monster“. Sie nehme keine Rücksicht auf die tatsächliche Straßennutzung. „Für ein Fahrzeug, das im Jahr 100 Kilometer fährt, bezahlt man in Deutschland den gleichen Steuerbetrag wie für das gleiche Auto, das 100 000 Kilometer fährt“.

Der von der niederländischen Regierung beschlossene Gesetzentwurf muss noch das Parlament passieren, in dem die Regierung eine Mehrheit von 80 zu 70 Mandaten hat. Nach dem Plan sollen Autofahrer für die monatlich zurückgelegte Wegstrecke zur Kasse gebeten werden, wobei die Gebühr pro Kilometer sich nach Wagenklasse, Motorisierung und Tageszeit richtet. Berechnet wird die Streckensteuer mit Hilfe eines satellitengestützten Ortungssystems. Der durchschnittliche Kilometerpreis soll bis 2018 auf 6,7 Cent steigen.

Mit dem finanziellen Hebel will die Regierung erreichen, dass möglichst viele Autofahrer ihr Fahrzeug seltener benutzen und aufs Fahrrad sowie auf Busse und Bahnen umsteigen. In einer Umfrage des „Telegraaf“, an der sich rund 40.000 Leser beteiligten, lehnten 62 Prozent die Kilometer-Steuer ab. Als Hauptgrund erklärten Gegner der Reform, sie trauten Versprechungen der Regierungen nicht, wonach die weitaus meisten Autobesitzer nach dem neuen System keineswegs mehr Steuern bezahlen müssten als bisher. Nahezu sechs von zehn Fahrern würden sogar weniger Geld an den Fiskus überweisen müssen als bei der althergebrachten Kfz-Steuer, hatte die Regierung vorgerechnet.

Zudem misstrauen viele den Satelliten-Ortungsgeräten, die künftig in alle Autos eingebaut werden sollen. Politiker der Opposition warfen der Regierung aus Christ- und Sozialdemokraten vor, mit diesen „Spionagekästen“ gegen den Datenschutz zu verstoßen. Verkehrsminister Camiel Eurlings wies das zurück. Das System speichere allein die Zahl der gefahrenen Kilometer und keine Fahrtziele. Die niederländische Regierung geht davon aus, dass die Belastung der Umwelt durch Kohlendioxid in Fahrzeugabgasen mit Hilfe der Kilometersteuer um zehn Prozent reduziert wird. Insgesamt werde die Zahl der gefahrenen Straßenkilometer um 15 Prozent abnehmen, da mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen würden. Zudem werde es weniger Unfälle und somit pro Jahr etwa sieben Prozent weniger Verkehrstote geben, erklärte der Verkehrsminister. Bis 2020 könne die Zahl der vor allem im Berufsverkehr oft zermürbenden Staus auf das Niveau von 1992 verringert werden.