Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier streiten am Sonntag. Guido Westerwelle will mitmischen.
Berlin. Die Spannung steigt. Kanzlerin Angela Merkel hat sicher schon einen Friseurtermin, SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier eine Verabredung mit dem Stylisten. Am Sonntag Abend treffen die beiden bei einem 90-minütigen Fernseh-Duell aufeinander. Zeitgleich wird es live auf den vier Fernsehsendern ARD, ZDF, RTL und Sat.1 übertragen. Die Sender bieten mit Maybrit Illner, Frank Plasberg, Peter Kloeppel und Peter Limbourg ihre Star-Moderatoren aus. Leise Hoffnung regt sich, dass dies den bisher müden Wahlkampf auf den letzten Metern noch anheizen könnte.
Doch nun meldet sich FDP-Spitzenkandidat Guido Westerwelle und fordert ausgerechnet diesen Schlagabtausch zwischen Merkel und Steinmeier abzusagen - weil er sich benachteiligt fühlt. „Das TV-Duell am Sonntag darf so nicht stattfinden. Es muss in eine Sendung mit allen Spitzenkandidaten umgewidmet werden“, sagte Westerwelle der „Passauer Neuen Presse“. Westerwelle kritisierte: „Es wird ein Selbstgespräch der Regierungsparteien. Das ist kein Duell, sondern eine Farce. Demokratie ohne Opposition funktioniert nicht.“ Die Oppositionsparteien stünden in Deutschland für 35 bis 40 Prozent der Wähler. Über deren Argumente hinwegzugehen, sei ein schwerer Fehler der gebührenfinanzierten Fernsehsender. „Das ist undemokratisch und unfair.“
Trotzdem gilt das Duell, das am Sonntag um 20.30 Uhr live aus einem Studio in Berlin-Adlershof gesendet wird, als ein Höhepunkt im Wahlkampf. Die Anhänger von Merkel und Steinmeier haben im ganzen Land Public Viewings organisiert. An den Universitäten in München und Hohenheim werden die Reaktionen von Zuschauern gestestet, in Berlin treffen sich die Leitartikler großer Zeitungen, um das Ereignis live zu kommentieren.
Für Merkel und Steinmeier steht zwei Wochen vor der Wahl einiges auf dem Spiel. In der Endphase des Wahlkampfes wird es für Schwarz-Gelb knapp, wenige hunderttausend Stimmen können die Wahl entscheiden. Wie sehr Fernsehduelle Wähler beeinflussen, ist unter Fachleuten allerdings umstritten. Eine Forsa-Umfrage ergab, dass nur 13 Prozent dem Ereignis „sehr große“ oder „große“ Bedeutung für ihre Entscheidung beimessen. Immerhin jeder zweite Zuschauer aber ist der Meinung, dass das Ereignis eine gewisse – wenn auch „weniger große“ – Bedeutung hat. Angesichts der vielen noch unentschlossenen Wähler ist der Auftritt also durchaus wichtig.
Fast 21 Millionen Zuschauer saßen 2005 vor den Bildschirmen, als Merkel als Herausforderin gegen Kanzler Gerhard Schröder antrat. Die Demoskopen glauben bis heute, dass Schröders Auftritt Merkel damals die schwarz-gelbe Mehrheit gekostet haben könnte. Ein kleiner Versprecher, eine peinliche Bemerkung, ein schlecht sitzender Anzug oder ein knitterndes Kostüm - und wichtige Stimmen können dahin sein. Das musste auch der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Richard Nixon beim ersten Wahlkampf-Duells im Fernsehen erfahren. Am am 26. November 1960 trat er vor den Kameras seinem Herausforderer John F. Kennedy entgegen. Beim ersten von vier einstündigen Duellen im Fernsehstudio wirkte neben dem braun gebrannten Kennedy ein blasser Nixon nach einem Krankenhausaufenthalt geschwächt und unrasiert. Das kostete ihm die Wahl. Deswegen wird heute alles bis ins Kleinste vorbereitet.
Stehen die Kandidaten oder sitzen sie? Wer darf wie lange reden? Wie sieht das Studio in Berlin-Adlershof von innen aus? Mode- und Kommunikationsexperten ergründen im Vorwege die subtilen Botschaften hin, die von einer roten Krawatte oder einem grünen Jackett ausgehen. Beim TV-Duell zwischen Schröder und Herausforderer Edmund Stoiber 2002 sorgten deren fast gleich aussehenden Schlipse für wilde Spekulationen. Purer Zufall, erklärt der damalige Stoiber-Berater Michael Spreng: Stoibers drei selbstgewählte Krawatten kamen nicht in Frage: „Eine flimmerte (das heißt, die Kameras konnten das Muster nicht richtig abbilden), eine hatte einen Fleck und eine ging gar nicht.“ Also holte ein Leibwächter Nachschub aus dem Hotel.
Trotz solcher Fallstricke geben sich die Duellanten Merkel und Steinmeier entspannt. Die Kanzlerin bereite sich vor wie auf andere Sendungen auch, heißt es aus der CDU. Und Steinmeiers Formel für einen gelungenen Auftritt lautet: „Am Sonntag keine Termine, ausschlafen, Zeit mit der Familie verbringen und sich in Ruhe auf das Duell einstimmen.“