Das Fernsehduell verlief ohne scharfe Attacken. Die Differenzen bei Atom, Managergehältern und Steuer waren bekannt.
Berlin. Das mit Spannung erwartete Fernsehduell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Frank-Walter Steinmeier hat nicht zu einer Zuspitzung des schleppenden Bundestagswahlkampf geführt. Zwei Wochen vor der Wahl verzichteten die Kontrahenten am Sonntagabend weiterhin auf scharfe gegenseitigen Attacken. Der von vielen Beobachtern erhoffte offene Schlagabtausch blieb aus.
Beide Spitzenkandidaten lobten in der 90-minütigen Sendung die Arbeit der Großen Koalition in den vergangenen vier Jahren und zeigten sich in Fragen wie der Opel-Übernahme einig. Differenzen wurden vor allem bei den Themen Mindestlohn, Managergehälter, Steuerpolitik und Atomausstieg deutlich.
Steinmeier sagte, die große Koalition habe „ordentliche“ Arbeit geleistet. Der SPD-Spitzenkandidat wies aber auch auf die Versäumnisse hin: „An vielen wichtigen Stellen sind wir gescheitert, weil die CDU Vorschläge nicht mitgetragen hat“, sagte der Vizekanzler. Als Beispiele nannte er die offene Mindestlohnfrage und Begrenzung von Managergehältern, die seiner Meinung nach von der Union zu zaghaft betrieben wird. Bestrebungen der Union, den Atomausstieg zu verzögern, erteilte Steinmeier eine klare Absage: „Ich halte den Rückweg in die Atomenergie ... für nicht verantwortbar und politisch auch für falsch“, sagte er.
Der SPD-Spitzenkandidat warnte in dem Duell mehrfach vor einer schwarz-gelben Regierung, verzichtete aber trotz einiger Vorlagen der Interviewer darauf, Merkel persönlich anzugreifen oder mit Polemik gegen die Union in die Offensive zu gehen. Der SPD-Kanzlerkandidat ließ beispielsweise die Frage offen, ob er Merkel für eine „Marktradikale“ halte. Das könne er nicht mit Sicherheit sagen, antwortete er auf eine entsprechende Frage.
Auch die Kanzlerin blieb auf der sachlichen Ebene. Die CDU-Vorsitzende lobte wie Steinmeier die Erfolge der Großen Koalition. In der derzeitigen Krise müsse aber „eine entschiedene Politik für mehr Arbeit“ gemacht werden, sagte sie. Deswegen sei mehr Union in der Regierung notwendig. Sie verteidigte die von CDU und CSU geplanten Steuersenkungen gegen die Kritik Steinmeiers und stellte die Bewältigung der Wirtschaftskrise erneut als wichtigstes Wahlkampfthema heraus. Steinmeier nannte die Steuerpolitik Merkels unglaubwürdig. Um die von Union und FDP versprochenen Steuersenkungen zu realisieren, bräuchte man ein Wachstum von neun Prozent im Jahr, sagte er.
Beim Thema Opel zeigten sich Merkel und Steinmeier einig. Beide stellten sich hinter die Magna-Lösung. „Hier ist einem Unternehmen, das tolle Autos baut, eine Chance gegeben worden“, sagte Merkel. Auch Steinmeier erklärte, er sehe die Zukunft Opels zuversichtlich. Das Fernsehduell wurde von vier Sendern live übertragen. Es wurden rund 20 Millionen Menschen vor den Bildschirmen erwartet. Es ist die einzige direkte Auseinandersetzung der Spitzenkandidaten vor dem Urnengang in zwei Wochen und gilt als Höhepunkt des Wahlkampfs.
Ob das Fernsehduell am Ende die Wahl am 27. September entscheiden kann, ist umstritten. Als sicher gilt jedoch, dass ein gelungener Auftritt vor allem unentschiedene Wähler beeinflusst. Und davon gibt es zwei Wochen vor der Wahl noch viele. In einer Forsa-Umfrage für „Stern“ und RTL gaben vergangene Woche 56 Prozent der Zuschauer an, das Duell habe zumindest einen gewissen Einfluss auf ihre Wahlentscheidung. Elf Prozent maßen der Sendung große, zwei Prozent sogar sehr große Bedeutung zu.
Anders als 2002 und 2005, als die Parteien starre Regeln durchgesetzt hatten, ging es diesmal lockerer zu. Die Kandidaten standen, die Moderatoren auch. Die erste Frage beantwortete Steinmeier, das letzte Wort sollte Merkel gehören. Unmittelbar nach der Live-Sendung sollte der Gewinner in mehreren Umfragen ermittelt werden.