90 Minuten standen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier im TV-Duell den Moderatoren Rede und Antwort.
Berlin. „Merkel klar vor Steinmeier“, tickert CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla pflichtgemäß schon wenige Minuten nach Ende des TV-Duells der Kanzlerin und ihres Herausforderers. Zu einem ähnlich klaren Ergebnis kommt SPD-Chef Franz-Müntefering nach den 90 Minuten: „Das war der Durchbruch" - natürlich für seinen Kandidaten. Die ersten Umfragen zu dem von vier TV-Sendern ausgestrahlten Befragung durch vier Moderatoren ergeben dagegen ein Kopf-an-Kopf-Rennen – mit nur minimalen Vorteilen für die Kandidaten: Bei ARD und ZDF liegt Frank-Walter Steinmeier vorn, bei RTL CDU-Chefin Angela Merkel.
Die Regierungschefin scheint im Studio Adlershof zunächst irritiert über ihren Vize, den sie seit vier Jahren nur sachlich und loyal an ihrer Seite erlebt hat. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl geht Steinmeier die Amtsinhaberin offensiver an als bisher. „Die große Koalition ist unter ihren Möglichkeiten geblieben“, wirft er der Kanzlerin mehrfach vor, und schuld daran sei die Union. Dennoch bleibt der große Schlagabtausch aus. Zu oft müssen sich Merkel und Steinmeier gemeinsame Positionen bescheinigen - schließlich haben sie vier Jahre lang Politik gemacht. Der 53 Jahre alte Herausforderer versucht die Gratwanderung: Nicht alles schlecht reden, was die Koalition aus Union und SPD gemacht hat, doch vor allem die Unterschiede herausstellen beim Mindestlohn, bei Umgang mit Managern und bei der Atomkraft.
Denn es ist seine letzte Chance, das Ruder noch zugunsten der SPD herumzureißen. Selbst zwei Wochen vor der Wahl liegt seine Partei im Umfragetief unter 25 Prozent. Von der Aufholstimmung – wie sie sein Mentor Gerhard Schröder zweimal 2002 und 2005 entfachen konnte – gibt es bisher keine Spur.
So sucht der Kandidat, den sich in Umfragen nur eine Minderheit zum Kanzler wünscht, die kontrollierte Attacke. Sichtlich konsterniert blickt Merkel für einen kurzen Moment zu dem gut zwei Meter von ihr entfernt stehenden Steinmeier herüber, als dieser die Union bezichtigte, sie gehe die Manager bei der Begrenzung von Gehältern und Boni nicht hart genug an, womöglich auch, weil bei der Union aus der Wirtschaft mehr Spenden flössen. Zumindest in der ersten Hälfte der 90-minütigen Befragung durch die vier Moderatoren lässt Merkel von der Souveränität einer Regierungschefin, die sich auf breite Sympathie in der Bevölkerung stützten kann, wenig zu spüren.
Patzig weist die 55-Jährige gleich zu Beginn Sat1-Moderator Peter Limbourg zurecht. Die Frage, warum Steinmeier der schlechtere Kanzler wäre, mag Merkel nicht beantworten. Sie passt nicht zu ihrem Wohlfühl-Wahlkampf. Limbourg hakt nach, das sei doch nun ein Duell und kein Duett der bisherigen Großkoalitionäre. Doch Merkel blafft zurück: „Die Frage, was ein Duell oder ein Duett ist, überlassen wir mal den Zuschauern.“
Das Duell wird dann zwangsläufig zum Duett bei Themen wie Opel und Afghanistan-Einsatz. Merkel spult ihre Wahlkampfparolen wie Arbeit schaffen durch Wachstum, Innovationen und Investitionen in die Bildung solider herunter. Nur einmal greift sie den Herausforderer an und bezweifelt seine Absage an eine Koalition mit der Linkspartei. „So richtig kann ich ihm nicht glauben“, sagt Merkel.
Steinmeier lässt sich ins Trudeln bringen, als ARD-Moderator Frank Plasberg auf die Dienstwagen-Affäre von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zu sprechen kommt. Der Vize-Kanzler steigt voll auf das Thema ein und will die Dimension der Affäre aus seiner Sicht darlegen, noch ehe Plasberg seine etwas anders gedachte Frage überhaupt zu Ende formuliert hat.
In seinem Schlusswort appelliert der Herausforderer an die Bürger, sie mögen eine Richtungsentscheidung treffen, gegen Schwarz-Gelb. Die Kanzlerin, die in dem akribisch ausgehandelten Ablaufplan das letzte Wort hat, hat am Schluss ihren präsidialen Ton wiedergefunden und ruft den Bürgern zu: „Gemeinsam können wir viel erreichen.“ Das klingt schon wieder irgendwie nach großer Koalition.