Sowohl CDU als auch SPD fühlen sich als Sieger des TV-Duells. Anders die Wähler: Sie haben stattdessen die Qual der Wahl.

Berlin. Es ist wie so oft: alle Parteien fühlen sich als Sieger. Union und SPD machten am Tag nach dem Fernsehduell von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer Frank-Walter Steinmeier deutlich, dass aus ihrer Sicht ihr Kanidat gewonnen hat. Da störtes es wenig, dass Umfragen unter Zuschauern ein Unentschieden ergeben hatte. Für Wahlkampfendspurt erhoffen sich bei den große Parteien Schubwirkung von dem Duell am Sonntagabend.

Einer neuen Umfrage zufolge nutzte die Fernseh-Debatte vor allem Steinmeier: Wie die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen am Montag mit einigem Abstand zum TV-Duell vom Vorabend unter etwa 1000 Wahlberechtigten ermittelte, sahen nur noch 14 Prozent Merkel als Siegerin, 22 Prozent hingegen Steinmeier. 64 Prozent erkannten keinen entscheidenden Unterschied zwischen den Kontrahenten. Unmittelbar nach der Sendung hatte die Forschungsgruppe einen knapperen Vorsprung für Steinmeier (31 zu 28 Prozent) ermittelt, 40 Prozent sahen keinen Unterschied. Wie Matthias Jung von der Forschungsgruppe am Abend im ZDF weiter sagte, erlitt Merkel auf die Frage nach dem gewünschten Kanzler einen Einbruch mit minus 12 Punkten auf 49 Prozent. Der Wert des SPD- Herausforderers blieb mit 28 Prozent gleich. Allerdings formiert sich das SPD-Lager nun stärker hinter Steinmeier: Dort stieg die Zustimmung zu ihm in der Kanzler-Frage um sieben Punkte auf 73 Prozent.

Bei einer - allerdings nicht repräsentativen - Umfrage auf abendblatt.de wurden bis Montagabend mehr als 5300 Stimmmen abgegeben. Dabei sahen 53 Prozent Seintmeier als Sieger, während 47 Prozent die Kanzlerin vorn sahen.

Enttäuschend war das Interesse der Zuschauer zwei Wochen vor der Wahl am 27. September: Insgesamt 14,18 Millionen Zuschauer sahen auf ARD, ZDF, RTL und Sat.1 den verbalen Schlagabtausch zwischen Merkel und Steinmeier. Vor vier Jahren hatte das Duell zwischen Merkel und dem damaligen Amtsinhaber Gerhard Schröder (SPD) noch 20,98 Millionen Menschen vor die Fernsehschirme gelockt. Während das Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten weitgehend sachlich verlief, verschärften Union und SPD am Montag den Ton.

FDP, Linke und Grüne wollen in den letzten Tagen des Wahlkampfs alles daran setzen, um eine Neuauflage der großen Koalition zu verhindern. Die Spitzenkandidaten Guido Westerwelle, Oskar Lafontaine und Jürgen Trittin wichen dabei in einer lebhaft-kontroversen TV-Runde am Montag nicht von ihren bisherigen Positionen ab. CSU-Chef Horst Seehofer forderte mehr Inhalt im Wahlkampf. „Ich glaube, es ist eine inhaltliche Klärung und Zuspitzung notwendig“, sagte er in München. Die CDU will stärker als bisher die Warnung vor einem möglichen rot-rot-grünen Bündnis in den Mittelpunkt des Wahlkampf-Endspurts stellen.

Steinmeier gab sich in der SPD-Parteizeitung „Vorwärts“ angriffslustig. „Wir haben es mit der Ich-auch-Kanzlerin zu tun.“ Wenn jemand eine erfolgversprechende Idee habe, sage Merkel regelmäßig, sie sei auch dieser Meinung. „Das mag geschickt erscheinen, ist aber völlig substanzlos." Bei einer Veranstaltung in Würzburg sagte der Herausforderer: „Seit gestern Abend kämpfen wir auf der Zielgeraden mit Rückenwind.“ SPD-Chef Franz Müntefering hielt Merkel in Augsburg vor, keine Visionen zu haben. „Wer nicht gestalten will, der soll auch nicht regieren. Dann soll sie gehen und es uns machen lassen.“

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth bezeichnete das TV-Duell der Kanzlerkandidaten als „dröge Regierungsveranstaltung“ und „Wettstreit um das Schönreden“. Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, sprach von einer „Kuschelveranstaltung“, die Grünen- Spitzenkandidatin Renate Künast von „Selbstbeweihräucherung“. Bartsch warf Steinmeier vor, ein „Bewerbungsgespräch“ mit Merkel für weitere vier Jahre als Vizekanzler geführt zu haben. Westerwelle sieht im Ablauf des TV-Duells den Kurs von SPD und Union zur Neuauflage einer großen Koalition bestätigt. „Das war ein Abend, der nach großer Koalition roch aus allen Poren.“

Unions- Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, er habe einen SPD- Kanzlerkandidaten erlebt, „der auf die Frage, wie er eine Regierung bilden will, keine Antwort gegeben hat“. Für die CDU würde eine Neuauflage der Koalition mit der SPD keine stabile Alternative zu einem schwarz-gelben Bündnis bilden. „Die SPD wird vom ersten Tag an überlegen, wie sie die große Koalition verlassen kann, wie sie in ein Bündnis mit den Grünen und der Linkspartei kommt“, sagte CDU- Generalsekretär Ronald Pofalla.