François Hollande erobert nach 17 Jahren den Élysée-Palast für Sozialisten zurück. Merkel gratuliert, Nicolas Sarkozy kehrt der Politik den Rücken.

Paris/Brüssel. Im Kampf um den Élysée-Palast hat Herausforderer François Hollande einen historischen Sieg über Nicolas Sarkozy errungen: Nach 17 Jahren in der Hand der Gaullisten konnte er die französische Präsidentschaft für die Sozialisten zurückerobern. Nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen lag er mit 51,62 Prozent vorn. Der 57-Jährige wird nun nach François Mitterrand der zweite linke Staatschef der Fünften Republik. Amtsinhaber Sarkozy kündigte nach seiner Niederlage an, er werde sich aus der Politik zurückziehen.

+++ Hohe Wahlbeteiligung bei Stichwahl +++

Der künftige Präsident ließ sich Zeit bis zum späten Abend, bis er vor der Kathedrale im zentralfranzösischen Tulle vor seine jubelnden Anhänger trat. Und seine zentrale Botschaft richtete sich an ganz Europa: „Es wird viele Länder geben, die nun erleichtert und hoffnungsvoll sein werden, dass das Sparen kein unabwendbares Schicksal ist“, rief Hollande. Es sei nun seine Mission, „dass die europäische Konstruktion eine Dimension des Wachstums, der Beschäftigung und des Wohlstands erhält“. Das werde er so schnell wie möglich seinen europäischen Partner sagen, zuerst Deutschland. „Wir sind nicht irgendein Land, wir sind Frankreich“, sagte er.

Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte Hollande telefonisch zum Sieg. Beide seien sich einig gewesen, wie wichtig enge deutsch-französische Beziehungen seien, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Merkel und Hollande hätten einander versichert, dass sie eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit anstreben. Die CDU-Chefin lud Hollande ein, möglichst bald nach seiner Amtseinführung nach Berlin zu kommen.

Die Bastille erstürmt

Auf dem Bastille-Platz in Paris brachen Zehntausende seiner Anhänger bei Bekanntgabe der Hochrechnungen in Jubel aus. „On a gagné“ riefen sie: „Wir haben gewonnen.“ Ein Meer aus Fahnen in den rot-weißen Parteifarben umwogte die Juli-Säule, als die Menschen die Marseillaise schmetterten. Hollande wollte noch in der Nacht aus Tulle nach Paris fliegen und an der Bastille mitfeiern. Das ist ein symbolträchtiger Ort für die Sozialisten. Dort hatten sie 1981 auch den Sieg Mitterands gefeiert.

Der geschlagene Sarkozy kündigte vor seinen niedergeschlagenen Anhängern seinen Rückzug aus der Politik an. „Mein Platz kann nicht mehr derselbe sein, nach 35 Jahren in politischen Ämtern“, sagte er in der Pariser Mutualité. „Mein Leben wird ein anderes sein.“ Er habe mit Hollande telefoniert, sagte er, und wünschte ihm viel Glück. Frankreich stehe vor großen Herausforderungen, und es werde schwer, diese zu bestehen.

Richtungswechsel an der Seine

Der letzte Wahlsieg der Sozialisten liegt 24 Jahre zurück, 1988 konnte sich Mitterrand gegen Jacques Chirac durchsetzen. Alle drei folgenden Präsidentschaftswahlen gewannen die Gaullisten. Bei seiner Stimmabgabe in Tulle hatte sich Hollande „ein schönes Mandat“ gewünscht. Ein Endergebnis von unter 52 Prozent ist allerdings schlechter als die letzten Umfragen vor der Wahl, die ihm bis zu acht Punkte Vorsprung gegeben hatten. Damit könnte es noch schwieriger werden, notwendige Reformen umzusetzen.

Die Sozialisten haben sich schon auf den Sieg vorbereitet. Für das Amt des Premierministers kursieren in Paris die Namen von PS-Parteichefin Martine Aubry und Fraktionschef Jean-Marc Ayrault. Ayrault werden die besseren Chancen eingeräumt, weil er sich besser mit Hollande versteht. Die klar links stehende Aubry hat aber eine große Fangemeinde in der Partei und eine Frau als Premierministerin wäre auch ein neues Aushängeschild der Sozialisten.

Fabius Außenminister?

Als potenzieller Außenminister wird der erfahrene frühere Premierminister Laurent Fabius gehandelt. Der beliebte Bürgermeister von Paris, Betrand Delanoë, gilt als Kandidat für das Justizressort. Die Grünen können sich trotz ihres schlechten Abschneidens von Eva Joly in der ersten Runde (2,3 Prozent) Aussichten auf das Umweltressort machen.

Amtsinhaber Sarkozy hatte im Wahlkampf eine Fortführung seiner Reformen angekündigt und mit EU-skeptischen Tönen und der Drohung, die Grenzen zu schließen, um Wähler am rechten Rand gebuhlt. Doch der „Omnipräsident“ stürzte tief: Er wurde als erster amtierender Staatschef abgewählt. Vor fünf Jahren hatte er mit 53,1 Prozent gegen die sozialistische Kandidatin Ségolène Royale triumphiert. „Ich bin der Präsident, ich war der Chef“, sagte er nun mit blassem und abgekämpftem Gesicht. „Wenn es eine Niederlage gibt, dann muss die Nummer 1 die Verantwortung übernehmen.“

Mit seinem Rückzug aus der Politik steht seine Partei UMP vor einem Scherbenhaufen. Er hatte die Partei ganz zu seiner Wahlkampfmaschine umfunktioniert. Um die Macht streiten sich neben Francois Copé der frühere Premierminister Alain Juppé und der derzeitige Premier François Fillon. Der Vorstand der Partei will sich am Montag zu einer Sondersitzung in Paris treffen und die Parlamentswahlen im Juni vorbereiten. Sarkozy wird nicht mehr dabei sein.

(abendblatt.de/dapd)