Nachdem es vom Blitz getroffen wurde, musste das Flugzeug des französischen Präsidenten wieder zurück nach Frankreich fliegen.
Paris/Berlin. Die erste kalte Dusche für den neuen französischen Präsidenten lässt nicht lange auf sich warten. Keine eineinhalb Stunden nach der Amtsübernahme steht François Hollande am Dienstagmittag im strömenden Regen. Ausgerechnet bei der Fahrt im offenen Wagen über die Prachtstraße Champs-Élysées, die als Höhepunkt des Machtwechsels geplant war! Klatschnass legt Hollande kurz darauf am Grabmal des Unbekannten Soldaten einen Kranz nieder. Weit und breit ist niemand mit einem Schirm zu sehen.
Zu diesem Zeitpunkt ahnt Hollande noch nicht, was er am Abend durchzustehen hat. Auf dem Weg zum Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel gerät die Präsidentenmaschine in ein Unwetter und wird von einem Blitz getroffen. Vorsichtshalber entscheidet sich die Crew zur Umkehr und tauscht die dreistrahlige Falcon 7X, gegen eine Ersatzmaschine aus. Merkel? Sie muss warten.
Im Unterschied zum Flugzeugtausch ist beim fehlenden Schirm nicht ganz klar, was dahintersteckt. Eine einfache organisatorische Panne oder vielleicht Absicht, um unter widrigen Umständen den starken Mann zu geben? Das bleibt an diesem historischem Tag unklar. Wahrscheinlich ist der fehlende Regenschutz eines jener Zeichen, auf die der neue französische Staatschef so viel Wert legt. Im Wahlkampf war Hollande selbst aus dem linken Lager teilweise als „Weichei“ oder „Tretbootkapitän“ verspottet worden. Als einer, der nicht der richtige Mann für stürmische Krisenzeiten ist.
Die Lästermäuler der Vergangenheit sind inzwischen verstummt - allen voran Nicolas Sarkozy. Gelöst, aber mit müdem Blick empfängt der konservative Wahlverlierer um kurz nach 10.00 Uhr seinen erfolgreichen Herausforderer zur Amtsübergabe. Die Sonne zeigt sich. Ein letzter Gruß als scheidender Hausherr, dann geht es mit dem Sozialisten Hollande für rund 30 Minuten in einen abhörgeschützten Raum des Élysée-Palastes.
Was Sarkozy dort als sein „politisches Testament“ übergibt, wird voraussichtlich für alle Ewigkeit ein Geheimnis bleiben. Als sicher gilt nur, dass der alte dem neuen Präsidenten in diesen Minuten auch den Code für die Atomwaffen überlässt – die Eintrittskarte zum Club der mächtigsten Männer dieser Welt. Mit rund 300 Sprengköpfen ist Frankreich die drittgrößte Atommacht der Welt – auch wenn es wirtschaftlich immer mehr an Einfluss verliert.
Als Sarkozy nach dem Gespräch mit Hollande aus dem Palast tritt, wirkt er fast ein wenig erleichtert, seine Frau Carla strahlt sogar. Das Ex-Model hatte in der Vergangenheit mehrmals deutlich gemacht, dass sie sich nicht unbedingt eine weitere Amtszeit als „First Lady“ wünscht. Mit der zweiten Karriere als Chanson-Sängerin und der erst im vergangenen Herbst geborenen Tochter Giulia dürfte im Hause Sarkozy so schnell keine Langweile aufkommen.
Ohne zurückzublicken, Hand in Hand schreitet das Paar den roten Teppich hinab zu einer dunkelblauen Limousine. Es wartet ein Urlaub und dann wohl ein völlig neues Leben. Die Angestellten des Élysée-Palastes applaudieren. Vor dem Palast haben sich Hunderte junge Sarkozy-Fans versammelt und rufen: „Merci Nicolas.“
Hollande lässt unterdessen andere Symbole sprechen. Er will „ganz anders“ als der hyperaktive Sarkozy sein, dem Premierminister mehr Einfluss geben und als „normaler Präsident“ in die Geschichtsbücher eingehen. Weder seine eigenen vier Kinder, noch die drei seiner Lebenspartnerin Valérie Trierweiler sind dabei, als er zur Amtseinführung mit dem höchsten Orden der Republik ausgezeichnet wird. „Volksnah“ kann unterschiedliche Bedeutungen haben, spricht eine Radio-Journalistin kurz danach in ihr Mikro und erinnert daran, dass Sarkozy seinen ganzen Clan mit zur Amtseinführung brachte.
Düster wie später das Wetter ist die ersten Rede des neuen Präsidenten. „Ich ermesse heute die Last der Zwänge, mit denen unserer Land konfrontiert ist“, sagt er wenige Stunden vor seiner ersten Auslandsreise als Staatschef nach Berlin. „Eine massive Verschuldung, schwaches Wachstum, hohe Arbeitslosigkeit, verringerte Wettbewerbsfähigkeit, ein Europa, das sich schwertut, aus der Krise zu kommen“.
Wie schwer es Hollande haben wird, in Frankreich als normaler Präsident in die Geschichte einzugehen, zeigt die Macht der Bilder, die anschließend von der abgesperrten Prachtstraße Champs-Élysées kommen. Das Protokoll zur Amtseinführung sieht vor, dass der neue Präsident in einem offen Wagen zum Triumphbogen fährt. Überall flattern französischen Fahnen, eine Reiterstaffel begleitet das extra für den Anlass umgebaute Präsidentenauto. Es sind Bilder, die an eine Monarchie erinnern. Trotz des Regens und trotz der fehlenden Schirme. (dpa)
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