Bundestagspräsident Lammert verzichtet auf Strafantrag gegen Guttenberg. Dieser will Gutachten zulassen. Uni-Rektorin warnt vor Generalverdacht gegen Wissenschaft.
Berlin. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wird in der Plagiatsaffäre um den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) keinen Strafantrag stellen. "Der Bundestagspräsident hat den Ältestenrat in seiner letzten Sitzung davon unterrichtet, dass dafür keine Notwendigkeit besteht", sagte Lammerts Sprecher. Für seine Dissertation soll zu Guttenberg den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags missbraucht haben. Der CSU-Politiker ist nun damit einverstanden, dass das Gutachten der Uni Bayreuth über seine Dissertation veröffentlicht wird.
Nach neuen Berichten über Pfusch bei Doktorarbeiten, darunter der Verdacht gegen FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin, warnt die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, davor, einen Generalverdacht gegen die Wissenschaft aufzubauen. Dies sei unverantwortlich gegenüber dem sehr engagierten wissenschaftlichen Nachwuchs, sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag). "Wir reden hier nicht von einem Massenphänomen, sondern von Einzelfällen, die sehr wohl äußerst bedauerlich sind.“ Es gelte, diese Fälle, Ursachen und Motive genau zu analysieren und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
Wintermantel reagierte damit auf die Plagiatvorwürfe gegen Guttenberg und Koch-Mehrin. Zugleich warnte sie vor Vorverurteilungen.
Unterdessen zog SPD-Innenexperte Sebastian Edathy die Entscheidung von Bundestagspräsident Lammert in Zweifel, gegen Guttenberg keinen Strafantrag wegen der Plagiatsaffäre zu stellen. "Der Bundestagspräsident sollte der Öffentlichkeit erläutern, warum er von der Stellung eines Strafantrages absehen will“, sagte Edathy der "Mitteldeutschen Zeitung“ (Online-Ausgabe). "Wenn das Urheberrecht des Bundestages verletzt wurde und das keine Konsequenzen hat, würde ein negativer Präzedenzfall geschaffen.“
Lammert hatte für den Verzicht auf den Strafantrag keine Gründe genannt. Guttenberg soll Teile seiner Doktorarbeit von anderen Autoren übernommen haben, ohne dies zu kennzeichnen. Für die Dissertation soll Guttenberg den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages missbraucht haben. Die Universität Bayreuth prüft, ob Guttenberg beim Abkupfern mit Vorsatz handelte.
Die Universität Bayreuth kommt Medienberichten zufolge zu dem Schluss, dass Guttenberg bei seiner Doktorarbeit mit Absicht getäuscht hat. Der frühere Minister, der im März wegen der Affäre zurücktrat, hatte dies stets bestritten. Die Universität prüft derzeit, ob er mit Vorsatz abgeschrieben hat. Den Doktortitel hat die Hochschule Guttenberg bereits aberkannt.
Die Universität will ihren Bericht Anfang Mai veröffentlichen. Die Rechtsanwälte Guttenbergs hatten nach Angaben der Uni Vorbehalte dagegen geäußert und dies mit Persönlichkeitsrechten ihres Mandaten begründet.
Auch die FDP-Europaabgeordnete Koch-Mehrin soll in ihrer Doktorarbeit abgeschrieben zu haben. Die Universität Heidelberg untersucht entsprechende Vorwürfe. Der schleswig-holsteinische Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki sagte dem Bremer „Weser-Kurier“ (Donnerstag) dazu: "Wir werden abwarten müssen, was die Universität Heidelberg dazu sagt. Ich kann mir schwer vorstellen, dass das politische Ergebnis, sollte sich der Verdacht als zutreffend erweisen, in der Dimension ein anderes wäre als bei Herrn zu Guttenberg. Wenn das so wäre, wäre es für sie (Koch-Mehrin) bitter.“
Als Reaktion auf den Fall prüft die Universität Heidelberg, ob sie künftig von ihren Doktoranden eidesstattliche Versicherungen verlangt. Das sagte der Vorsitzende der "Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“, Professor Thomas Rausch, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. (dpa)