Berlin. Dinos, Pyramiden, Verdienst: Um Archäologen ranken sich Mythen. Unser Experte klärt die häufigsten Missverständnisse über seinen Beruf auf.
Es gibt wohl kaum eine Berufssparte, um die sich nicht weitverbreitete Mythen ranken. Wer sich als Archäologe oder Archäologin durchs Leben gräbt, begegnet selbstverständlich ebenfalls einer Reihe häufig wiederholter Irrtümer. Aber an welchen dieser Annahmen ist was dran und welche müssen dringend richtiggestellt werden? Das will ich heute beantworten.
Dafür habe ich überlegt, was Leute mich persönlich schon so alles gefragt haben und was Kolleginnen und Kollegen alles zu Ohren gekommen ist. Bereit, ein paar Vorurteile über Bord zu werfen? Los geht‘s!
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Dinosaurier und Archäologie: Alles in einen Topf
Fangen wir mit dem großen Klassiker an: „Haben Sie schon Dinosaurier ausgegraben?“ Es muss nicht genau so formuliert sein, es geht generell um das für etliche Menschen höchst aufregende Thema Dinosaurier. Wirklich vielen ist nicht bewusst, dass sich die Archäologie mit der Entwicklung des Menschen und dessen kulturellen Hinterlassenschaften beschäftigt. Man könnte auch umgangssprachlich einfach von „alten menschlichen Dingen“ sprechen.
Für viele aber scheint die Wissenschaft sich unter anderem tatsächlich mit Sauriern zu beschäftigen – unbekannt scheint dagegen: die Paläontologie. Im Internet und in Teilen der Bevölkerung werden beide Wissenschaften durch die ausgrabende Tätigkeit oft in einen Topf geworfen. So sind beispielsweise bereits viele Wissensartikel für Kinder falsch betitelt.
Ägypten und Archäologie: Die Pyramide des Irrtums
Zwar schon besser, aber ebenfalls auf dem falschen Dampfer: die Rubrik rund um Ägypten und die Pyramiden. Ich wurde bereits mehrfach gefragt, ob ich nicht schon genau dort ausgegraben hätte. Anscheinend verbinden viele Archäologie ausschließlich mit Ägypten – was sicherlich auf die Darstellung in sämtlichen Medien für egal welches Alter zurückzuführen ist.
Dass archäologische Sensationen praktisch vor der eigenen Haustür schlummern, geht wohl leider an vielen Menschen vorbei. Die Frage nach den Ausgrabungen in Ägypten geht oft mit der Annahme einher „bei uns findet man ja nix mehr“ – und leitet gleich in unser drittes Klischee über.
Archäologie in Deutschland: Von Langeweile kann keine Rede sein
Die einheimische Wissenschaft geht meiner Erfahrung nach heillos im Mainstream unter. Daher haben die meisten im Zusammenhang mit Archäologie eben höchstens von den Ägyptern, Griechen und Römern gehört. Klar sind Ritter und Wikinger ebenfalls populär. Aber meines Erachtens nicht im Hinblick auf Archäologie. Tolle archäologische Ergebnisse aus Deutschland bekommen diese Personen fast nie mit. Und die gibt es! So traurig das für mich als Wissenschaftler auch ist: Da muss man einfach mal in seinem eigenen Archäologie-Elfenbeinturm aufwachen.
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Dementsprechend häufig kommt auch die Frage: „Was findet man denn hier noch, es ist doch schon alles ausgegraben?“ Auch daran erkennt man den Laien. Wer sich für den Bereich interessiert oder etwas mehr Einblick hat, stellt eher andere Fragen.
Archäologen und Geld: Vorurteil der „brotlosen Kunst“
Es geht mal wieder um das liebe Geld. Meine persönliche Meinung dazu konnten Sie bereits vor kurzem in meiner Kolumne lesen. Fakt ist: Mit Archäologie lässt sich auf jeden Fall Geld machen. Es ist eben nicht das „Brotlose Kunst“-Berufsfeld, wie es leider noch immer in so vielen Köpfen herumspukt. Studium und Beruf sind daher auch kein Privileg für Kinder aus reichem Elternhaus.
Ich habe in meiner Kolumne bewusst keine Zahlen genannt, Sie können sich bei Interesse aber gerne beim Berufsverband für Archäologie in Deutschland (CIfA) sehr ausführlich darüber informieren. Die Frage „Was verdient man in der Archäologie?“ beantwortet in dieser Übersicht auch kurz und knapp die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF).
Archäologen und ihr Werkzeug: Das Märchen vom Pinsel
Ein weiteres Klischee, welches gefühlt in jeder schönen TV-Dokumentation zu sehen ist: das Arbeiten mit dem Pinsel. Klar verwenden wir Archäologen für bestimmte Funde oder Fundsituationen einen Pinsel. Sicherlich ist das beispielsweise im Wüstensand auch praktisch, wenn es etwa um Mauerreste geht. Doch zücken Sie hier in Deutschland den Pinsel, verschmieren Sie in der Regel den Dreck nur von A nach B.
Lesen Sie alle Folgen der Kolumne: Kárpáty gräbt aus – Geheimnisse der Archäologie
Ich persönlich habe bisher nur bei der Freilegung von Skeletten oder Urnen einen Pinsel und feine Holzwerkzeuge benutzt. Das Standard-„Fein“-Werkzeug in der Archäologie ist aber die Kelle. Diese sehen Sie auch im Titelbild meiner Kolumne. Bevor man in der Regel damit zum Arbeiten kommt, bedarf es meiner Erfahrung nach jedoch dem Klassiker-Duo – Spitzhacke und Schaufel.
Schätze und Archäologen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Bei Klischees ebenfalls immer vorne mit dabei: die Suche nach Gold. Hierzu habe ich ebenfalls schon meine Eindrücke und Erfahrungen geschildert. Es geht in unserer Wissenschaft keineswegs um den einen Goldfund, der dann schön im Museum zu bewundern ist, sondern um den Kontext eines jeden Fundes, um das große Ganze.
Zum Gold-Klischee hat Hollywood wieder einen großen Teil beigetragen. Aber seien Sie sich gewiss: So mancher unscheinbare Stein oder Keramikfitzel kann spannender als ein Goldfund sein.
Frauen in der Archäologie: Zeit der „alten Männer“ war gestern
Am Schluss ist es mir wichtig, mit dem Klischee aufzuräumen, wonach die Welt der Archäologie nur aus alten Männern besteht. Mein Studiengang und Arbeitsumfeld waren stets 50/50 aufgeteilt. Persönlich nehme ich mittlerweile sogar mehr Frauen als Männer in der Archäologie wahr. Sicherlich war das früher einmal anders, heute ist es zum Glück nicht mehr so. Es werden auch verstärkt feministische Forschungsfragen verfolgt, wovon wir alle sehr profitieren können. Zudem ist die Archäologie meiner bisherigen Erfahrung nach ein LGBTQIA+-freundliches Umfeld.
Unser Experte
Ägyptische Pyramiden, entdeckte Schätze, der Alltag der alten Römer und Griechen: Archäologie fasziniert viele Menschen. Konstantin Kárpáty hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Der Münchener ist nach seinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) seit Kurzem Doktor der Archäologie. Was er in seinem Job erlebt und was die wichtigsten Neuigkeiten aus der Welt der Archäologie sind, erzählt er für uns regelmäßig aus ganz persönlicher Sicht. Außerdem betreibt er die Social-Media-Kanäle „Excavation Time“ und den Podcast „Ausgegraben“.
Das waren die Klischees, mit denen ich als Archäologe in der Regel konfrontiert werde. Ich hoffe, ich konnte wieder ein bisschen Licht ins Dunkel bringen – und Sie vor dem ein oder anderen Fettnäpfchen beim nächsten Gespräch mit Archäologinnen oder Archäologen bewahren.
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