Berlin. Die spektakuläre Ägypten-Ausstellung in Köln bringt uns Ramses virtuell nah. Modernes Museum – oder teure Multimedia-Spielerei eines Mannes?
- Nach „Harry Potter“ und „Jurassic Park“ zieht eine große Ägypten-Ausstellung in Kölner Hallen
- Eintrittspreise haben es in sich – VR-Erlebnis kostet extra
- Unser Archäologe-Experte erklärt, wer hinter der Ausstellung die Fäden zieht und warum der moderne Ansatz gelingen kann
Archäologie spielt sich nicht nur auf Grabungen im freien Feld, in der Stadt oder in staubigen Archiven ab, sondern selbstverständlich auch in Museen. Bisher habe ich über neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft berichtet – aber wie vermittelt man solche Inhalte an die breite Masse? Archäologie erlebt in der Gesellschaft eine große Faszination. Allerdings ist es oft ein schmaler Grat, fundiertes Wissen zu vermitteln und einfach mit abenteuerlichem Flair zu unterhalten.
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Seit Kurzem kann man in Köln die Ausstellung „Ramses und das Gold der Pharaonen“ besichtigen. Dabei handelt es sich um eine Wanderausstellung der Superlative, nicht um ein traditionelles Museum. Noch bis zum 5. Januar 2025 werden hier Besuchende auf eine multimediale Reise durch das alte Ägypten geschickt.
Einleitend muss ich sagen, dass ich die Kölner Ramses-Ausstellung bisher nicht selbst besichtigt habe und mein Wissen darüber sich auf andere Artikel, Videos und Rezensionen stützt. Demnach soll es hier auch weniger um den Inhalt gehen, sondern mehr um die Art und Weise der Ausstellung. Die zentrale Frage dabei lautet: Handelt es sich hier um die Zukunft erfolgreicher archäologischer Wissensvermittlung?
Ramses-Ausstellung: Umstrittener Ägyptologe Hawass im Hintergrund
Beginnen wir mit dem Mann im Hintergrund – der gar nicht so sehr im Hintergrund steht: Zahi Hawass ist wohl jedem bekannt, der einmal eine Dokumentation zur Geschichte Ägyptens gesehen oder ein Buch dazu in die Hand genommen hat. Vielleicht klingelt es auch beim „Indiana Jones des Alten Ägypten“. Bekannt ist er auch dafür, gerne einmal zu dick aufzutragen.
Im Falle der Wanderausstellung ist Zahi Hawass als Kurator tätig und in diesem Zuge, im Auftrag der ägyptischen Regierung, auch auf Profit aus. Kann man das kritisieren? Sicherlich. Muss man das? Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Ägypten ist stark vom Tourismus und in dem Kontext auch von der Archäologie abhängig. Dass man damit Geld verdienen will und nach eigenen Aussagen so wiederum Forschung gewähren und fördern möchte, finde ich nicht verwerflich. Viele ägyptische Originale verweilen in Museen auf der ganzen Welt. Warum also sollten vor allem die Ägypter nicht auch etwas vom Kuchen abhaben dürfen.
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Kritisieren kann man dennoch den Ticketpreis von rund 22 Euro für Erwachsene und etwa 16 Euro für Kinder plus zusätzlich 20 Euro für ein räumlich erlebbares Virtual-Reality-Erlebnis samt VR-Brille.
Archäologie: Was darf eine Ausstellung im Museum kosten?
Dazu fallen mir spontan zwei Sachen ein: Zunächst bildet diese Wanderausstellung für viele theoretisch die einzige Möglichkeit, die Exponate zu bestaunen – eine Reise nach Ägypten kostet deutlich mehr und ist deutlich aufwendiger.
Allerdings muss man auch bedenken, dass Museen der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen. Sie sollen inklusiv für alle sein. Ein großes Fass, welches ich hier nicht aufmache. Dennoch: Im Vergleich zu anderen Ausstellungen ist der Eintritt dann doch deutlich teurer.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Atmosphäre. Ich persönlich bin ein Fan von düsteren, stimmigen Museen, von dem klassischen Bild, das man vielleicht von solch einem Bau im Sinn hat. Jetzt leben wir aber im Jahr 2024 und wie erwähnt sollen alle willkommen sein. sehbeeinträchtigte Menschen kommen bei der Kölner Ramses-Ausstellung wohl nicht auf ihre Kosten – und damit ein großer Teil der potenziellen Interessenten beziehungsweise Kunden.
Informiert man sich über die Ausstellung, wird schnell klar: Hier wird Archäologie, genauer gesagt Ägyptologie, als Abenteuer verkauft. Dramatisch inszeniert und in Szene gesetzt. Das wird von einigen kritisiert – aber wurde Ägyptologie dem Westen jemals anders verkauft? Ich denke, gerade diese abenteuerliche Stimmung aus Filmklassikern wie „Die Mumie“ oder „Indiana Jones“, aber auch aus diversen Videospielen, ist es, was viele erst für die Thematik begeistert.
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Das aufzugreifen, halte ich persönlich für einen genialen Schachzug, wenn es ums Marketing geht. Man könnte dies dann rasch auflösen und die Exponate in einem wissenschaftlicheren, eventuell „professionelleren“ Stil präsentieren. Das geschieht in „Ramses und das Gold der Pharaonen“ nicht.
Ägyptisches Abenteuer ohne Reisestress
Aus museumspädagogischer Sicht, wie ich es unter anderem kennengelernt habe, steht das Erlebnis vor der eigentlichen Vermittlung. Diese Ansicht darf man gerne diskutieren und kritisieren. Auch ich als Wissenschaftler würde meine Schwerpunkte eventuell etwas anders gewichten. Aber im Falle der aktuellen Ausstellung in Köln scheint dies – das Event – gelungen zu sein.
Inhaltlich sollen Objekte mit einem zeitlichen Abstand von 1500 Jahren gezeigt werden und viel interessantere Inhalte keine Bühne bekommen haben. Solange Funde immer klar betitelt sind und eingeordnet werden, würde ich persönlich ein Auge zudrücken. Aber auch hier wieder die Frage, ob es das immer muss?
Für meine 22 Euro möchte ich vielleicht auch einfach mein kleines ägyptisches Abenteuer zu Hause haben. Man möchte mithilfe einer VR-Brille in vergangene Zeiten reisen und nicht stundenlang kleine Schildchen und lange Wandtexte lesen. Klar sind das extreme Beispiele und viele Museen haben sich in den vergangenen Jahren dahingehend ordentlich verbessert und modernisiert – aber dieses Klischee hält sich nach wie vor.
Ägypten-Ausstellung: Fest der Sinne oder Ramses als Goldesel?
Ich finde, die Ausstellung „Ramses und das Gold der Pharaonen“ bietet viele Möglichkeiten. Allein, dass ich hier über das Konzept schreibe und vielleicht die ein oder andere Person zum Nachdenken anrege, stellt schon einen Erfolg dar – zumindest für mich.
Auch kann man als Besucher dank moderner Technik mal für ein paar Stunden auf Abenteuerreise gehen. Im Gegenzug ist es aber auch möglich, den Charme und die Eigenheiten eines klassischen Museums zu erkennen und man schaut dort vielleicht demnächst wieder vorbei.
Unser Experte
Ägyptische Pyramiden, entdeckte Schätze, der Alltag der alten Römer und Griechen: Archäologie fasziniert viele Menschen. Konstantin Kárpáty hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Der Münchener ist nach seinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) seit Kurzem Doktor der Archäologie. Was er in seinem Job erlebt und was die wichtigsten Neuigkeiten aus der Welt der Archäologie sind, erzählt er für uns regelmäßig aus ganz persönlicher Sicht. Außerdem betreibt er die Social-Media-Kanäle „Excavation Time“ und den Podcast „Ausgegraben“.
Meiner Meinung nach wird dies sicher nicht die letzte Wanderausstellung solch eines Kalibers sein. Und so bleibt die Archäologie wichtiger Bestandteil der Gesellschaft und Freizeitgestaltung. Das Multimedia-Format ergänzt aus meiner Sicht die klassische Museumslandschaft und bietet neue Möglichkeiten der Vermittlung. Es stellt zudem eine Abwechslung im kulturellen Angebot dar und erreicht so Menschen, die sonst nicht in die Nähe eines Museums gehen würden.
Ich persönlich spiele mit dem Gedanken, die Ausstellung zu besuchen. Mich würde sehr interessieren, wie das Ganze tatsächlich auf einen selbst wirkt. Was wurde gut umgesetzt und was eher schlecht? Am Ende sind Geschmäcker bekanntlich verschieden und man sollte sich stets sein eigenes Bild machen.
Eines ist den Organisatoren sicherlich gelungen: Sie haben ein ägyptologisches Fest der Sinne geschaffen. Ob sie damit an einigen Stellen übertrieben haben, die Wissenschaft dabei zu kurz kommt oder auch ob Ramses als Goldesel herhalten muss – das muss wie so oft jeder für sich selbst entscheiden.
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