Bendestorf/Hamburg. Bekanntes Ehepaar wird nach 70 Jahren Ehe von Bischöfin Fehrs im Michel erneut getraut. Zeitzeuge zieht sich aus Öffentlichkeit zurück.

Es dürfte eine der ungewöhnlichsten Hochzeiten sein, die es im Hamburger Michel je gegeben hat. Nach 70 Jahren Ehe werden sich Ivar Buterfas-Frankenthal und seine Frau Dagmar dort ein zweites Mal trauen lassen. Am Tag ihrer Gnadenhochzeit am 30. Juli 2025 wollen die beiden bekannten Hamburger ihr Treueversprechen erneuern und sich gleichzeitig aus der großen Öffentlichkeit in ihrer Heimatstadt verabschieden.

Bekannter Bendestorfer: Im Januar steht die letzte große Veranstaltung an

In mehr als 30 Jahren hat der Holocaust-Überlebende und Buchautor Buterfas-Frankenthal gemeinsam mit seiner Frau Dagmar rund 1700 Veranstaltungen durchgeführt, bei denen er aus seinem bewegten Leben berichtet und unermüdlich zum Kampf gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit aufruft. Fast 80 Jahre nach Kriegsende ist Ivar Buterfas-Frankenthal einer der wenigen Holocaust-Überlebenden, die noch öffentlich auftreten. „Aber meine Stimme lässt nach, es wird zu anstrengend“, sagt der 91-Jährige. Deshalb steht fest: Seine allerletzte Veranstaltung wird im kommenden Januar im niedersächsischen Ganderkersee stattfinden.

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Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher begrüßt Ivar Buterfas-Frankenthal mit Ehefrau Dagmar im November beim FC St. Pauli, dem Lieblingsverein des Holocaust-Überlebenden. © WITTERS | TayDucLam

Der große Wunsch des Paares: Noch einmal heiraten

Trotzdem geht das Ehepaar sehr fröhlich gestimmt ins neue Jahr, denn die beiden haben große Pläne. „Wir werden an unserem 70. Hochzeitstag noch einmal heiraten – und zwar im Hamburger Michel“, verkündet Ivar Buterfas-Frankenthal. Die Trauung zur Gnadenhochzeit werde Hamburgs und Lübecks Bischöfin Kirsten Fehrs vornehmen, die auch Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland ist.

Hamburger sollen an Trauzeremonie teilnehmen können

Zu der außergewöhnlichen Zeremonie werden viele Gäste aus Hamburg und ganz Deutschland erwartet, darunter Polit-Prominenz und andere bekannte Freunde des Ehepaares aus Bendestorf. „Ich würde mich auch sehr freuen, wenn viele Hamburgerinnen und Hamburger den Weg in den Michel finden, um uns an diesem besonderen Tag zu begleiten“, sagt Ivar Buterfas-Frankenthal. Für eine Teilnahme würden rechtzeitig Einlass-Karten bereitgestellt.

Nach 70 Jahren: „Ich liebe meine Frau wie am ersten Tag“

Er ist dann 92 Jahre alt, sie 90: So ein ungewöhnliches Ehepaar durfte Bischöfin Fehrs wahrscheinlich auch noch nie am Traualtar begrüßen. „Wir haben uns das sehr gewünscht. Das zweite Ja-Wort im Michel ist vor allem eine Hommage an meine Frau“, sagt Ivar Buterfas-Frankenthal. „Ich liebe sie wie am ersten Tag. Wir haben privat und beruflich alles zusammen gemacht und standen immer Seite an Seite.“ Diesmal solle es der Mutter seiner Kinder - anders als vor 70 Jahren - am Hochzeitstag an nichts fehlen. Für die geladenen Gästen geht es im Anschluss an die Trauzeremonie zur Feier der Gnadenhochzeit ins Hotel Atlantik.

Buterfas-Frankenthal
Dagmar und Ivar Buterfas-Frankenthal in ihrem Wohnzimmer. Ivar Buterfas trägt einen alten Polizeihelm, der ihm von der Polizeiakademie für seine Aufklärungsarbeit geschenkt wurde. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Kennenlernen der Liebenden als Wendepunkt

Ivar lernte seine „Daggi“ 1954 kennen. „Das war der absolute Wendepunkt in meinem Leben. Meiner Frau verdanke ich praktisch meine ,Wiedergeburt‘ nach Krieg, Flucht, Verfolgung und Diskriminierung“, erinnert sich der 91-Jährige. Ein Jahr später heiratete das junge Paar nach Widerständen aus der Familie und Schikanen vonseiten der Behörden, die Ivar Buterfas wegen seiner unverschuldeten Staatenlosigkeit Steine in den Weg legten. Die deutsche Staatsbürgerschaft war dem Hamburger Jung‘ von den Nationalsozialisten entzogen worden, erst 1964 erhielt er sie nach zahlreichen nervenaufreibenden Behördengängen zurück. Buterfas nannte das später „nach dem Judenstern die zweite Diskriminierung, die ich erfahren habe“.

Erste Hochzeit in sehr bescheidenem Rahmen

In späteren Jahren war das Ehepaar Buterfas mit seinen Unternehmungen sehr erfolgreich, doch die Anfänge waren schwierig, wie beide in ihrem gemeinsamen Buch „Von ganz, ganz unten“ schildern. „Unsere Hochzeit fand in einem sehr kleinen Rahmen statt“, erinnert sich Ivar Buterfas-Frankenthal. „Es waren nur sieben Personen aus unseren Familien anwesend.“ Nach der kirchlichen Trauung in der Hamburger St. Petri-Kirche an der Mönckebergstraße ging es für die kleine Festgesellschaft in die Wohnung von Ivars Bruder Kurt am Horner Weg. „Dort haben wir mit einer Flasche Schnaps und ein paar Bier gefeiert“, sagt Ivar Buterfas-Frankenthal.

Ivar Buterfas-Frankenthal
Einer der letzten Zeitzeugen: Ivar Buterfas-Frankenthal bei einem Auftritt vor rund einem Jahr in Braunschweig. © Darius Simka / regios24 | Darius Simka/ regios24

Plädoyer für die Ehe: „Gebt nicht so schnell auf“

Die Erneuerung des Eheversprechens nach 70 Jahren solle auch ein Plädoyer für die Ehe sein. „Die Paare geben heute viel zu schnell auf. Bald jede zweite Ehe geht in die Brüche und darunter leiden die Kinder am meisten“, sagt Ivar Buterfas-Frankenthal. Sowohl er als auch seine Frau Dagmar haben in ihrer Kindheit die Trennung der Eltern erlebt. Ihre Familien wurden aber vor allem durch die Auswirkungen der Nazi-Zeit zerstört, beide waren Kinder einer christlichen Mutter und eines jüdischen Vaters und wurden als „Halbjuden“ diskriminiert und verfolgt.

Dagmar Frankenthals Mutter trennte sich von ihrem Mann – einem jüdischen Arzt, der bald von den Nazis verhaftet und umgebracht wurde. Zu seinem Andenken nahm Ivar Buterfas im März 2016 zusätzlich den Nachnamen seiner Frau an und heißt seither Buterfas-Frankenthal. „Uns gibt es nur im Doppelpack“, sagt er.

Das Ehepaar gibt es bis heute nur im Doppelpack

Ivar Buterfas wurde am 16. Januar 1933 in Hamburg geboren. Kurz nach seiner Einschulung im Jahr 1938 musste er als „Halbjude“ die Schule verlassen. Buterfas‘ Vater wurde in Konzentrationslagern inhaftiert, die Mutter flüchtete 1942 mit ihren acht Kindern. Unter abenteuerlichen Bedingungen kam die Familie noch während des Krieges zurück nach Hamburg. Hier überlebte sie Krieg und Verfolgung in einem Kellerloch. Ivar Buterfas-Frankenthal hat es sich zur Aufgabe gemacht, jungen Menschen aus seinem Leben und von der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten zu berichten. „Ich bin einer der letzten Zeitzeugen. Nach mir kommt keiner mehr“, sagt er.

Ivar Buterfas
Seit fast 70 Jahren verheiratet: Ivar Buterfas-Frankenthal und seine Frau Dagmar wollen ihre Gnadenhochzeit im nächsten Juli groß feiern. © HA | GAK/Reise

Häufiger Gast in TV-Sendungen, wie bei Markus Lanz

Der Unternehmer und Buchautor war Gast in zahlreichen TV-Formaten – von der „Tagesschau“ bis hin zur Talkshow von Markus Lanz. Dort tritt er auch immer wieder als Mahner gegen den Krieg auf: „Wir wollen doch alle in Frieden und Freiheit leben - auf der ganzen Welt“, lautet sein Credo.

Mehr über Ivar Buterfas

Nach dem Krieg habe sich ein friedliches und sehr erfolgreiches Deutschland entwickelt, das durch den erstarkten Rechtsextremismus nicht gefährdet werden dürfe: „Ich liebe dieses Land. Schützt und erhaltet unsere Demokratie. Sie ist das beste, das es je gegeben hat“, appelliert der Holocaust-Überlebende, zweifache Träger des Bundesverdienstkreuzes und Weltfriedenspreisträger.

Fest zur Feier des Lebens mit insgesamt 182 Jahren

Dabei gehören für ihn und seine Frau rechtsradikale Schmähungen und Morddrohungen nach wie vor zum Alltag und sein Haus „ist gesichert wie Fort Knox“, wie Buterfas-Frankenthal betont. Doch statt sich einschüchtern zu lassen, plant das Ehepaar trotz seines hohen Alters lieber eine zweite Hochzeit und ein Fest zur Feier ihres ungewöhnlichen und langen gemeinsamen Lebens. Über sieben Dekaden und mit insgesamt 182 Jahren.