Landkreis Harburg. Ambulanter Dienstleister versorgt Hunderte Pflegebedürftige in der Region. Wie das Jesteburger Unternehmen die Entscheidung begründet.
- Ambulante Pflegedienste spielen in der Versorgung hilfsbedürftiger Menschen eine wichtige Rolle
- Durch ihren Einsatz können Menschen mit einem Pflegegrad weiter im häuslichen Umfeld leben und brauchen keinen Platz im Pflegeheim
- Doch die Dienste selbst arbeiten inzwischen unter schwierigen Bedingungen
Viele Pflegebedürftige werden in den kommenden Tagen Post von ihrem Pflegedienst bekommen. Angekündigt wird darin eine Preiserhöhung für Pflegeleistungen. Hintergrund: Der Tariflohn für Pflegekräfte wird zum 1. Januar 2025 um bis zu 12 Prozent angehoben. Mit dem Tarifsprung steigt die finanzielle Belastung der Pflegedienste. Das hat auch für die Pflegekunden im Landkreis Harburg Konsequenzen.
Ole Bernatzki vom Ambulanten Hauspflege Dienst (AHD), dem größten Pflegedienstanbieter im Landkreis Harburg, macht deutlich, was das bedeutet: Der Stundensatz für ungelernte Pflegehelfer liegt künftig bei 19,17 Euro, der für eine Pflegefachkraft – inklusive Zulagen – bei 25,62 Euro.
Pflegedienst Landkreis Harburg: Hunderte Patienten von Preiserhöhung betroffen
Geld, das die Pflegeunternehmen versuchen müssen, wieder hereinzuholen, und zwar bei den Pflegekassen (für häusliche Pflege wie etwa waschen und anziehen) und bei den Krankenkassen (für Behandlungspflege wie etwa Spritzen und Medikamente geben).
Die Preisverhandlungen mit den Kassen gestalten sich jedes Jahr schwieriger, berichtet Bernatzki, denn „die auskömmliche Finanzierung der Pflege funktioniert nicht.“ Was genau Pflegedienste den Kassen in Rechnung stellen dürfen, wird mithilfe eines komplizierten Punktesystems jährlich neu errechnet. Die dafür benötigten Werte werden den Pflegediensten erst auf den letzten Drücker, nämlich am 31. Oktober mitgeteilt. „Dann bleibt praktisch keine Zeit mehr, den Vermittlungsausschuss anzurufen oder nachzuverhandeln“, beklagt Bernatzki.
AHD in Jesteburg: „Bekommen Geld oft Monate später ausgezahlt“
Die Vergütungssätze seien so gering bemessen, dass die Nebenkosten – beispielsweise durch die Terminverwaltung und die teils langen Fahrten zu den Kunden – keine Berücksichtigung fänden. „Wir werden auf das absolute Minimum heruntergedrückt“, so der AHD-Chef. „Und wir bekommen unser Geld oft erst Monate später ausgezahlt.“
Auch das ein Faktor, der die Liquidität der ohnehin gebeutelten Pflegeunternehmen bedrohen kann, ohne dass diese die Möglichkeit haben, sich zu wehren. Verzugszinsen gegen öffentlich-rechtliche Institutionen wie Kranken- und Pflegekassen in Anschlag zu bringen sei nicht besonders aussichtsreich, berichtet AHD-Mitarbeiter Alexander Röhrs, Kaufmann im Gesundheitswesen.
AHD wollte nach überstandener Insolvenz gerade wieder durchstarten
Düstere Aussichten für das kommende Jahr, in dem der AHD nach überstandener Insolvenz gerade wieder durchstarten wollte. „Die Berufsverbände dringen bei der Politik nicht durch, wir müssen eben sehen, wie wir zurechtkommen“ sagt Bernatzki.
Doch auch die Pflegekunden sind betroffen und werden Abstriche machen müssen. Denn weil die Preise steigen, können sie künftig weniger Leistungen beim Pflegedienst einkaufen. „Das Budget ist schneller aufgebraucht“, so Röhrs, „alles, was darüber hinaus geht, muss der Pflegekunde dann aus eigener Tasche bezahlen.“
Viele Pflegebedürftige haben den Ernst der Lage noch nicht begriffen
Viele Pflegebedürftige hätten den Ernst der Lage überhaupt noch nicht begriffen, ist die Erfahrung von AHD-Pflegedienstleitung Stefanie Greger. „Wir bemühen uns nach Kräften, aber jede Woche müssen wir 30 Absagen erteilen, weil wir keine freien Kapazitäten mehr haben.“ Je weiter der Anfahrtsweg, desto geringer die Chancen, eine mobile Pflege zu bekommen.
Denn eine Fachkraft zu einem weit entfernten Kunden zu schicken, bei dem nur wenige Leistungen – wie zum Beispiel eine Injektion für 7 Euro – abgerechnet werden können, das wäre auf Dauer ruinös für jedes Unternehmen.
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Die Hoffnung, durch den höheren Tariflohn mehr Mitarbeiter in die Pflege zu locken, werde sich nicht erfüllen, sagt Andrea Wunder, Leiterin der Tagespflege beim AHD: „Nicht jeder ist bereit, das zu tun, was der Pflegeberuf verlangt.“