Landkreis Harburg. Kunden befürchten Kündigung des Pflegevertrags, weil der Anbieter insolvent ist. Die Gefahr besteht – wenn auch aus anderen Gründen.

Ohne die Hilfe eines Pflegedienstes könnten viele Menschen mit Unterstützungsbedarf nicht mehr in den eigenen vier Wänden wohnen, sie sind quasi abhängig von dessen Zuverlässigkeit. Doch immer mehr Pflegebedürftige bekommen ein Problem, wenn der Pflegedienst kurzfristig kündigt. Auf dem angespannten Pflegemarkt lässt sich so schnell zumeist kein anderer Pflegedienst finden, der übernehmen könnte. Dann müssen Angehörige einspringen oder eine mehr oder weniger lange Zeit ohne Versorgung überbrückt werden.

Seniorenvertretung bestätigt zunehmende Sorgen im Landkreis Harburg

Auch Pflegebedürftige und ihre Angehörigen im Landkreis Harburg machen sich immer mehr Sorgen um die Pflege zu Hause – gerade vor dem Hintergrund, dass sich etablierte Anbieter der ambulanten Versorgung wie die Diakoniestationen Nordheide sowie ein großer Ambulanter Pflegedienst in privater Trägerschaft in Insolvenzverfahren befinden. „Es besteht die Angst, dass bestehende Pflegeverträge gekündigt werden und ich weiß auch, dass das grundsätzlich stattfindet“, sagt Hannelore Buls, Vorsitzende der Neu Wulmstorfer Ortsgruppe des Sozialverbands Deutschland (SoVD) und Vorstandsmitglied im SoVD-Kreisverband. Auch im Seniorenbeirat des Landkreises Harburg sei dies bereits thematisiert worden, so Buls. Betroffen seien insbesondere Bewohner auf den Dörfern.

Seniorenvertreterin Hannelore Buls bestätigt die Sorgen Pflegebedürftiger im Landkreis Harburg.
Seniorenvertreterin Hannelore Buls bestätigt die Sorgen Pflegebedürftiger im Landkreis Harburg. © Sabine Lepél

Kündigung des Pflegevertrags erfolge nur im Einzelfall wegen des Kostendrucks

Dr. Christian Bendrath, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Diakoniestationen Nordheide, bestätigt gegenüber dem Abendblatt, dass es von Seiten der Diakoniestationen zur Kündigung des Pflegevertrags kommen könne, doch das seien Ausnahmen, die nicht im Zusammenhang stünden mit dem laufenden Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung: „Nur in Einzelfällen kann es hier und da für eine effektivere Ausgestaltung der Tourenpläne - also der Wege zu den Klientinnen und Klienten - leider Gottes notwendig sein, dass Klienten einen anderen ambulanten Pflegedienst beauftragen müssen.

Solche für die Betroffenen bedauerlichen Einzelfallregelungen resultieren, wenn sie denn einmal nötig sein sollten, aus dem erheblichen Kostendruck, unter dem alle Leistungserbringer in der ambulanten Pflege in Niedersachsen stehen“, so Bendrath. „Die Vergütungsvereinbarungen zwingen jeden einzelnen Pflegedienst dazu, seine Einsätze so effektiv wie nur irgend möglich zu organisieren, damit er ein verlässlicher Partner in der ambulanten Versorgung älter werdender Menschen bleiben kann“, so Bendrath weiter. Deshalb seien die Einzelfallentscheidungen immer wieder einmal eine harte Notwendigkeit für die Geschäftsführungen - und das oft unabhängig von Sanierungsmaßnahmen.

Lage für Pflegedienste ist gerade in Niedersachsen schwierig

Die Lage für Pflegedienste sei gerade in Niedersachsen schwierig: „Es ist – besonders in Niedersachsen – aufgrund der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen nicht leicht, Hilfsbereitschaft und Ökonomie unter einen Hut zu bringen“, so der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung der Diakoniestationen Nordheide gGmbH. Gemeinsam mit allen anderen in der ambulanten Pflege sowie in der Sozialwirtschaft generell sehne man sich daher nach noch mehr politischer Unterstützung, „damit die Vergütungsvereinbarungen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern tragfähigere Abschlüsse hinbekommen, um eine nachhaltige Refinanzierung der Lohn- und Sachkosten sicherstellen zu können“.

Diakoniestationen Nordheide und privater Anbieter in der Insolvenz

Die Diakoniestationen Nordheide gGmbH, die etwa 360 Menschen in der häuslichen Alten- und Krankenpflege in der Region Hittfeld, Winsen, Neu Wulmstorf und Buchholz betreuen, hatte im Ende September des vergangenen Jahres beim Amtsgericht Lüneburg Antrag auf „Insolvenz in Eigenverwaltung“ gestellt. Damit stand in kurzer Zeit bereits der zweite große Anbieter in der Region vor der Pleite, denn wenige Monate zuvor hatte auch der „Ambulante Hauspflege Dienst“ (AHD) aus Jesteburg beim Amtsgericht Tostedt den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt.

Die genannten Ursachen für den wirtschaftlichen Misserfolg sind in beiden Fällen sehr ähnlich: In wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren sowohl die gemeinnützige GmbH als auch der AHD durch einen erheblich angestiegenen Kostendruck. Besonders die gestiegenen Personalkosten durch Tariferhöhungen, die auf der Einnahmenseite nicht aufgefangen werden konnten, machten den Unternehmen zu schaffen. Den an und für sich begrüßenswerten und für richtig erachteten Lohnsteigerungen stünden keine ausreichend erhöhten Umsätze gegenüber, hieß es. Die in betriebswirtschaftliche Schieflage geratenen Pflegedienste sicherten zu, den alltäglichen Pflegebetrieb trotz des Insolvenzverfahrens wie gewohnt aufrecht erhalten zu wollen.

Nordheide: Erhalt des Unternehmens unter dem Dach der Diakonie als Zielsetzung

Das solle grundsätzlich auch so bleiben, versichert Christian Bendrath. Hinter einzelnen Kündigungen stecke keine Strategie. „Daran, dass die Diakoniestationen Nordheide auch künftig einer der verlässlichen Partner in der ambulanten Pflege bleiben, wird derzeit von Geschäftsführung, Insolvenzverwaltung sowie aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zielführend und erfolgversprechend gearbeitet, bis das jetzt laufende Verfahren hoffentlich bald zu dem von allen Beteiligten gewünschten Ergebnis kommt“, sagt Bendrath. Das brauche momentan noch etwas Zeit. „Aber die haben wir und können und sollten wir uns auch nehmen“, so Bendrath.

Es würden weiterhin alle Optionen geprüft, die Diakoniestationen Nordheide entweder eigenständig oder in einer Partnerschaft mit anderen Trägern fortzuführen. Den beiden Gesellschafterinnen, den Kirchenkreisen Hittfeld und Winsen, sei bei der Restrukturierung und Sanierung daran gelegen, dass die Zukunft der Diakoniestationen Nordheide weiterhin unter dem Dach der Diakonie steht. „Zielsetzung ist, dass das Unternehmen bestehen bleibt. Wir sind auf einem guten Weg, dies erfolgreich abschließen zu können“, so der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung.