Lüneburg. Günstige Häuser auf Erbbau-Grundstücken sind durch Immobilienboom zur Kostenfalle geworden. Wie eine Initiative das Modell retten will.
Der Traum vom eigenen Haus ist für viele junge Menschen unerschwinglich, zu teuer sind Immobilien trotz der jüngsten Preisrückgänge. Taucht doch ein bezahlbares Angebot für ein schönes Einfamilienhaus auf, steht dieses oft auf einem Erbbaugrundstück. Die Käufer erwerben nur das Haus, für die Nutzung von Grund und Boden zahlen sie eine jährliche Pacht.
Dieses Modell ermöglicht es seit Jahrzehnten auch Menschen mit geringem Eigenkapital und kleinem Einkommen ihren Wohntraum zu verwirklichen, zum Beispiel in Lüneburg. Dort kommt jetzt jedoch für viele das böse Erwachen: Die alten Verträge aus den 1920er oder 1950er Jahren laufen aus, die neuen Konditionen sehen oft eine massive Erhöhung der Erbbauzinsen vor – um bis zu 1700 Prozent.
Teures Wohnen auf Erbbau-Grundstücken: Lüneburger stellen Lösungsmodell vor
Etwa 10.000 Menschen sind von den anstehenden Erhöhungen betroffen, so die Angabe der Initiative Bezahlbarer Wohnraum im Erbbau Lüneburg, die nun ein Lösungsmodell für das Dilemma entwickelt hat. Es soll auch anderen Kommunen als Vorbild dienen, in denen sich ähnliche Konflikte abzeichnen.
Bisher zahlen die meisten der Erbbaunehmer einige Hundert Euro im Jahr, zumeist an die Hansestadt Lüneburg mit drei von ihr verwalteten Stiftungen oder die Klosterkammer Hannover. Diese großen öffentlich-rechtlichen Erbbaugeber besitzen Grundstücke im ganzen Stadtgebiet, unter anderem am Kreideberg, in der Weststadt, im Mittelfeld, im Roten Feld und in Kaltenmoor.
Erbbauzinsen steigen massiv: Hauseigentümerin soll jährlich 12.000 Euro zahlen
Doch jetzt haben die Bewohner neue Angebote erhalten, wie die Rentnerin, deren Erbbauzins von 300 Euro auf 4600 Euro pro Jahr steigen soll. Oder das Paar mit kleinem Einkommen, das künftig 8000 Euro zahlen soll. Oder die Selbstständige, die eine Rente von etwa 1000 Euro erwartet und in Zukunft 12.000 Euro jährlich zahlen soll.
Das sei nicht nur für die Bewohner, für die das Haus oft die Altersvorsorge ist, ein großes Problem, sagt Matthias Fricke von der Lüneburger Initiative. Er und seine Mitstreiter befürchten auch Gentrifizierung, wenn neue Eigentümer übernehmen, die sich die hohen Begleitkosten leisten können, vielleicht sogar nur für ein Ferienhaus als Zweitwohnsitz.
Stark gestiegene Bodenrichtwerte dienen als Grundlage für die Berechnung
Grund für die extremen Steigerungen sind die gestiegenen Bodenrichtwerte, auf deren Grundlage der Erbbauzins berechnet wird. Annegret Kühne, eine der Sprecherinnen der Initiative, zeigt dazu eine Grafik, die die Entwicklung in Lüneburg seit der Jahrtausendwende abbildet. Aus einer sanft ansteigenden Linie wird um das Jahr 2012 herum eine steile Treppe, der Beginn des Immobilienbooms.
Lüneburg als Universitätsstadt nahe der Metropole Hamburg spürt die steigende Nachfrage und damit auch der Immobilienpreise besonders. Ähnlich sei die Situation zum Beispiel in Göttingen, Hildesheim, Osnabrück oder Hannover, sagt Matthias Fricke. „Der Bodenrichtwert geht durch die Decke.“
Initiative fordert Rückbesinnung auf sozialen Gedanken
Der erhöhte Erbbauzins ist somit rechnerisch nachvollziehbar. Richtig seien sie jedoch nicht, so die Einschätzung der Initiative. Es werde weder der Grundsatz der angemessenen Vertragsgestaltung berücksichtigt noch der Kerngedanke des Erbbaurechts, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
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Aber wie kann das Konzept wieder bezahlbar und sozial gerecht werden? Dazu hat die Initiative ein Modell entwickelt, das aus ihrer Sicht für alle Beteiligten von Vorteil ist.
„Angemessene Erhöhung“: bis zu 600 Prozent statt 1700 Prozent
Im Mittelpunkt steht der Bodenrichtwert, der weiterhin als Grundlage für die Berechnung dienen soll, jedoch in einer bereinigten Form. Dafür soll ab dem Jahr 2012 eine Wertentwicklung angenommen werden, die der vorherigen, gleichmäßigen Steigerung entspricht.
Das führt nach Angaben der Initiative zu einer Erhöhung des Zinses bei einer Vertragsverlängerung um 400 bis 600 Prozent. Für die meisten Betroffenen seien dies etwa 200 Euro pro Monat, rechnet Matthias Fricke vor. „Alle werden mehr zahlen, aber wir fordern eine angemessene Erhöhung.“
Das Modell bringt höhere Einnahmen für Stadt und Klosterkammer
Zusätzlich soll der Erbbauzins gesenkt werden, von bisher vier bis fünf Prozent auf beispielsweise 1,5 Prozent. Außerdem sollen Sozialkriterien gelten und Wertminderungen für Grundstücke im Lüneburger Senkungsgebiet berücksichtigt werden.
Dieses Modell habe viele Vorteile, sagt Annegret Kühne. Sie zählt auf: höhere Einnahmen für Stadt und Klosterkammer, Erhalt des bezahlbaren Wohnraums für die betroffenen Menschen sowie die Sicherung des sozialen Friedens und der Bevölkerungsdiversität in der Stadt.
Immobilien im teuren Erbbau: Lüneburger Initiative stellt Lösungsmodell vor
Die Initiative stellt ihr Lösungsmodell am Mittwoch, 13. November, bei einer Infoveranstaltung mit Podiumsdiskussion in Lüneburg vor. Als Referenten sind unter anderem Frank Henning (SPD-Landtagsfraktion), Werner Lichtenberg (Staatssekretär a.D.) sowie Tibor Herczeg (Verband Wohneigentum Niedersachsen) dabei.
Beginn der Veranstaltung „Win-Win für alle! Lösungsmodell für langfristig sozialverträgliche Konditionen und bezahlbares Wohnen im Erbbau“ ist um 19 Uhr im Kulturforum Gut Wienebüttel.