Lüneburg. 10.000 Menschen wohnen in Lüneburg auf Erbbau-Grundstücken. Laufen die alten Verträge aus, erhöht sich der Zins um ein Vielfaches.
Das Angebot klingt gut: ein großzügiges Reihenendhaus mit Garten in zentraler Lage in Lüneburg, groß genug für eine Familie mit mehreren Kindern, zudem schön anzusehen mit hohen Decken, Parkettboden und Holztreppe. Kaufpreis der Immobilie: 450.000 Euro.
Das Angebot hat jedoch einen Haken: Das Haus liegt auf einem Erbpachtgrundstück in Lüneburg, der Vertrag läuft in einigen Jahren aus. Aktuell beträgt die Pacht jährlich rund 1900 Euro, wird der Vertrag vorzeitig verlängert, sind es künftig rund 8400 Euro pro Jahr. Damit wird der Hauskauf mittelfristig deutlich teurer, als der Kaufpreis vermuten lässt.
Erbbau-Grundstücke in Lüneburg: Vor 80 Jahren günstig, jetzt richtig teuer
Die stark steigenden Kosten für bald auslaufende Erbbauverträge, die verlängert werden müssen, sind nicht nur in Lüneburg ein Problem. In vielen Städten in Norddeutschland gibt es Grundstücke in öffentlicher Hand, die an Hauseigentümer verpachtet werden. Die Verträge stammen zumeist aus den 1920er- bis 1950er-Jahren und haben eine Laufzeit von etwa 80 bis 99 Jahre.
Die Pacht richtet sich nach der Größe des Grundstücks sowie dem aktuellen Bodenrichtwert. Da dieser in vielen Städten steil nach oben gegangen ist, vervielfachen sich bei einer Erneuerung des Erbbauvertrags auch die Kosten für die Pächter. Dies gilt nicht nur für Häuser wie aus dem Anfangsbeispiel, das der Makler als „Schmuckstück“ anpreist, sondern häufig handelt es sich um einfache Siedlungshäuser auf relativ großen Grundstücken, die einst Platz für einen Nutzgarten boten. Die absehbar massiv steigenden Kosten machen den Hauseigentümern zunehmend Sorge.
Initiative protestiert gegen massive Erhöhung der Erbpacht
Deshalb regt sich nun Protest in Lüneburg. Hier wohnen etwa 10.000 Menschen auf Erbpachtgrundstücken der Hansestadt Lüneburg, der von ihr verwalteten Stiftungen oder der Klosterkammer Hannover. 368 Verträge laufen in den kommenden 20 Jahren aus.
Bei alten Verträgen betrage die Pacht in der Regel etwa 500 bis 800 Euro pro Jahr, sagt Annegret Kühne von der Initiative Bezahlbarer Wohnraum im Erbbau Lüneburg. „Wenn diese Verträge in acht bis zehn Jahren auslaufen, werden 10.000 bis 12.000 Euro pro Jahr fällig. Das ist für viele Menschen eine existenzielle Bedrohung. Sie können sich das einfach nicht leisten.“
Denn auch, wenn die Entwicklung mit dem Immobilienboom seit etwa 2012 absehbar war, konnten sich viele Hauseigentümer nicht finanziell vorbereiten. Die Initiative geht davon aus, dass etwa zwei Drittel der Betroffenen über eher kleinere Einkommen verfügen. Denn die Möglichkeit, ein Haus auf einem Erbpachtgrundstück zu kaufen, war lange vor allem für Menschen mit geringeren finanziellen Möglichkeiten attraktiv. Umso härter trifft es sie, wenn die Pacht auf mehrere Hundert Euro pro Monat steigt.
Bei Vertragsverlängerung gilt der aktuelle Bodenrichtwert als Grundlage
Die massiv gestiegenen Kosten durch die Erbpacht mache einen Verkauf oder eine Vermietung der Häuser zudem so gut wie unmöglich, sagt Kühne. Auch dies trage dazu bei, dass einige der etwa 300 Lüneburger, die sich in der Initiative zusammengetan haben, bereits die angebotenen Verlängerungsverträge unterschrieben haben. Bei einer vorzeitigen Erneuerung gilt der aktuelle Bodenrichtwert als Orientierung und je nach Erbbaugeber und Restlaufzeit des Vertrags gibt es weitere Vergünstigungen.
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Die Angst vor immer weiter steigenden Kosten sei ein großes Problem, sagt Kühne. „Oft heißt es, wenn man jetzt nicht bald handelt, werde es nur noch teurer.“ Um sich gemeinsam dagegen zu wehren, machen die Mitglieder der Initiative seit Oktober in verschiedenen Stadtteilen auf die Problematik und auch auf Alternativen aufmerksam.
Hamburg und Lübeck haben Erbbauzins fürs Wohnen gesenkt
Andere Städte haben bereits den Erbbauzins gesenkt. In Hamburg beträgt er nun 1,3 Prozent, Hintergrund ist vor allem das Ziel, den Wohnungsbau anzukurbeln. Lübeck hat den Zinssatz auf 2 Prozent des Bodenrichtwerts abgesenkt. Bundesweit beträgt der Erbbauzins der Lüneburger Initiative zufolge im Durchschnitt derzeit 2,7 Prozent.
In Lüneburg liegt der übliche Zinssatz dagegen deutlich höher. Die Stadt Lüneburg erhebt 4 Prozent. Die Hansestadt sei sich des Umstandes der steigenden Bodenrichtwerte bewusst, sagt ein Sprecher. Mögliche Optionen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, würden interfraktionell seit 2023 in Begleitung durch die Stadtverwaltung beraten.
Klosterkammer Hannover berechnet Zinssatz von bis zu fünf Prozent
Die meisten Erbbauverträge, die in den kommenden Jahren in Lüneburg auslaufen, verantwortet die Klosterkammer Hannover. Sie berechnet bei auslaufenden Verträgen 5 Prozent und bei vorzeitiger Verlängerung höchstens 4 Prozent. An dieser Praxis will die Klosterkammer festhalten.
Annegret Kühne hofft, dass sich auch für Lüneburg eine sozialverträgliche Lösung finden wird. „Eigentlich ist das Erbbaurecht ein gutes und sinnvolles Instrument, mit dem Kommunen bezahlbaren Wohnraum im Bestand ermöglichen und zugleich die Hoheit über die Grundstücke behalten können“, sagt sie.
Erbbau in Lüneburg: Initiative befürchtet Verlust bezahlbaren Wohnraums
Ändere sich jedoch nichts an den Berechnungskriterien für die Erbpacht, müssten früher oder spätere viele Menschen in Lüneburg ihre Häuser aufgeben und sich eine günstigere Wohnung suchen – dies würde den Druck auf dem Markt für bezahlbare Wohnungen weiter verschärfen.
Die Erbbaugrundstücke könnten sich dann nur noch finanzstärkere Menschen leisten. Die Initiative befürchtet, dass es zur Verdrängung der überwiegend einkommensschwächeren Erbbaurechtsnehmenden kommt. Kühne: „Das ist Gentrifizierung pur.“