Lüneburg/Hannover. Viele Hauseigentümer pachten ihre Grundstücke und müssen nun deutlich mehr zahlen. Warum das so ist und inwiefern es Bedürftigen hilft.
Ein eigenes Haus auf einem Erbbaugrundstück gilt als günstige Möglichkeit, trotz geringer finanzieller Mittel den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen. Viele Menschen in Niedersachsen stellen jedoch gerade fest, dass sie in einem Albtraum erwachen. Denn zahlreiche Erbbauverträge, die üblicherweise eine Laufzeit von 80 bis 99 Jahre haben, laufen demnächst aus.
Bei einer Erneuerung orientiert sich der Zinssatz an den aktuellen Bodenrichtwerten – statt einigen Hundert werden dann schnell einige Tausend Euro pro Jahr fällig. Dagegen formiert sich in Lüneburg, wo der Zinssatz im bundesweiten Vergleich besonders hoch ist, Protest. Die Initiative Bezahlbarer Wohnraum im Erbbau Lüneburg fordert von den Erbbaugebern, den bisher üblichen Zins zu senken. Wer aber steht hinter den Erbbaugrundstücken? Und wofür wird das eingenommene Geld verwendet?
Lüneburger Stiftungen verwenden Millionen aus Erbpacht für mildtätige Zwecke
Ein Teil der Erbpachtgrundstücke in Lüneburg gehören der Hansestadt, die zudem die Grundstücke der Stiftungen Hospital zum Großen Heiligen Geist, Hospital St. Nikolaihof, Hospital zum Graal verwaltet. Für die Stiftungen sind 1214 Erbbaurechte ausgegeben, für die Stadt sind es 780. Insgesamt laufen 106 Verträge in den kommenden 20 Jahren aus. Auf Grundstücken, die zum Wohnen genutzt werden, wird üblicherweise ein Zins in Höhe von vier Prozent erhoben.
Im vergangenen Jahr hat die Stadt darüber rund 1,28 Millionen Euro eingenommen, an die Stiftungen gingen annähernd 2,74 Millionen Euro. Die Stiftungen verfolgen gemeinnützige und mildtätige Zwecke, unter anderem werden sozial bedürftige Menschen unterstützt und Wohneinrichtungen für alte Menschen betrieben.
Klosterkammer Hannover ist größter Erbbaugeber in Deutschland
Der Großteil der Grundstücke aber ist in der Hand der Klosterkammer Hannover, die nach eigenen Angaben der bundesweit größte Erbbaugeber ist und vor allem Erbbaurechte in Niedersachsen vergibt. Sie gehört nicht zur Kirche, wie der Name vermuten ließe, sondern steht als Landesbehörde unter der Rechtsaufsicht des Landes Niedersachsen. In vier Stiftungen verwaltet sie früheres Kloster- und Kirchenvermögen.
Der von der Klosterkammer verwalteten Stiftungen gehören in Lüneburg annähernd 500 Erbbaurechtsgrundstücke, die jeweils für 80 Jahre verpachtet werden. Damit verbunden sind knapp 1500 Erbbaurechtsverträge, da es bei Wohnungseigentümergemeinschaften zu jeder Eigentumswohnungen einen eigenen Vertrag gibt. 262 dieser Verträge laufen in den kommenden 20 Jahren aus.
Erbpacht orientiert sich an Bodenrichtwert – dieser ist stark gestiegen
Den alten Verträgen liegt ein Zinssatz von 5 Prozent des bei Abschluss gültigen bereinigten Bodenrichtwerts zugrunde. Derselbe Zins wird berechnet, wenn ein Vertrag endet und dann erneuert werden soll. „Deswegen halten wir es für wichtig, dass die Erbbaurechtsnehmer rechtzeitig mit uns über eine vorzeitige Erneuerung ins Gespräch kommen“, sagt Kristina Weidelhofer, Sprecherin der Klosterkammer. „In diesen Fällen haben wir von unserer Rechtsaufsicht – dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur – genehmigte günstigere Sonderkonditionen.“
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Dann gilt ein Zinssatz von 4 Prozent auf den aktuellen Bodenrichtwert, je nach Restlaufzeit wird zusätzlich 1 Prozent pro Jahr abgezogen. Ist der Vertrag zum Beispiel noch 20 Jahre gültig, verringert sich der Zins pro Quadratmeter um 20 Prozent. So ergibt sich der Klosterkammer zufolge ein Zinssatz zwischen 2 und 3,5 Prozent.
Stiftungen der Klosterkammer unterstützen soziale und kirchliche Projekte
Die Einnahmen aus der Erbpacht fließen nicht ins Landesvermögen, sondern in das Stiftungsvermögen. Es wird unter anderem für den Erhalt denkmalgeschützter Gebäude eingesetzt, darunter Klöster, Stifte, Kirchen, Dome und Kapellen. Auch Personalkosten werden übernommen. Zudem unterstützt die Klosterkammer evangelische und katholische Kirchengemeinden in Niedersachsen sowie kirchliche, soziale und bildungsbezogene Projekte. 2023 wurde zum Beispiel ein Projekt zum Wohnungsbau für Wohnungslose in Lüneburg unterstützt.
Die Kritik aus Lüneburg hält man bei der Klosterkammer für nicht gerechtfertigt. Natürlich sei es nachvollziehbar, dass so große Pachtunterschiede einige Erbbaunehmer hart treffe, sagt die zuständige Dezernentin Friederike Bock. Dennoch handele es sich um Einzelfälle. Als in einer ersten Welle rund 700 Verträge ausliefen, habe es nur zwei Fälle gegeben, in denen die Verträge nicht verlängert worden und die Häuser an die Klosterkammer zurückgefallen seien. Der Kaufpreis wird in solchen Fällen durch ein Gutachten festgelegt.
Erbbau: Zinssenkung in Lüneburg ist für die Klosterkammer kein Thema
An der Praxis, den Bodenrichtwert als Grundlage zu nehmen, soll sich nichts ändern. Die Verträge seien lange günstig gewesen, und jetzt müsse man die gestiegenen Werte akzeptieren, so Bock. In Lüneburg sei Wohnen generell sehr teuer geworden, dennoch werde es keine Sonderlösung für die Stadt geben. „Aber wir sind immer gesprächsbereit und finden auch Lösungen für Einzelfälle.“
Im Lüneburger Rathaus ist man ist sich der Problematik angesichts der steigenden Bodenrichtwerte bewusst. Mögliche Optionen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, würden interfraktionell seit 2023 in Begleitung durch die Stadtverwaltung beraten, sagt Stadtsprecher Florian Beye. Zudem werden Gespräche in Hannover geführt. „Da die aktuellen Erbbaurechtsverlängerungen zu einem Großteil nicht die städtischen oder stiftungseigenen Erbbaurechte betreffen, befindet sich die Hansestadt in einem konstruktiven Austausch mit der Klosterkammer Hannover.“