Hamburg. Der Rückkauf der Finanzbehörde mag viel Beifall ernten – strategisch klug ist er nicht.
Hinterher ist man immer schlauer: Mit dem Wissen von heute um die Entwicklung der Immobilienmärkte würde wohl kaum ein Politiker wie 2006 auf die Idee kommen, 39 Gebäude aus öffentlichem Besitz an einen Privatinvestor zu verkaufen und lieber Mieter zu werden. Eine Immobilienpreisrallye später wirken die 815,5 Millionen Euro geradezu schnäppchenbillig.
Und doch wäre es zu kurz gehüpft, hinter dem damaligen Verkauf nur den wirtschaftsliberalen Zeitgeist zu wähnen. Zwar fädelte der damalige CDU-Senat in Hamburg das Geschäft ein, aber das rot-rot regierte Berlin ging viel weiter: Dort wurden 2004 auch Zehntausende Wohnungen an private Investoren verkauft. Ein Fehler, der in der Hauptstadt inzwischen Enteignungsfantasien weckt.
Der Zeitgeist verlässt sich auf Vater Staat
Heute möchte der Zeitgeist eine starke öffentliche Hand und verlässt sich stets auf Vater Staat. Da passt es gut in die politische Landschaft, dass der rot-grüne Senat in der Hansestadt nun die einst verkaufte Finanzbehörde am Gänsemarkt zurückerwirbt. Der Beifall ist dem Finanzsenator gewiss. Ob der Deal aber auch klug ist, wird sich erst in einigen Jahren entscheiden – wie auch der Verkauf von 2006 erst mit dem Wissen von heute ein Fehler war.
Grundsätzlich müssen Zweifel erlaubt sein, ob die Stadt ihre Immobilien wirklich selbst besitzen muss. Als Mieterin hat die Stadt größere Möglichkeiten, beispielsweise mit der Ansiedelung von Behörden aktiv Stadtentwicklung zu betreiben. Der damalige Umzug der Großbehörde von der Stadthausbrücke nach Wilhelmsburg war ein solcher Schritt.
Mit Immobilien lässt sich auch die Stadtentwicklung steuern
Noch andere Gründe sprechen dagegen, dass die Stadt einen großen Immobilienbesitz sammeln soll.
So neigt die öffentliche Hand dazu, eigene Bauten zu vernachlässigen. Viele Behörden befanden sich vor 20 Jahren in einem erbarmungswürdigen Zustand – man vergleiche nur die alte Behörde an der Stadthausbrücke mit den heutigen Stadthöfen. Auch ein Blick auf die heruntergekommene deutsche Infrastruktur verdeutlicht, wohin das Geld in Zeiten knapper Kassen fließt. Infrastruktur und Gebäude haben kein Wahlrecht, da lässt es sich am leichtesten sparen.
Im Augenblick schwimmt die Stadt, auch dank der fabulösen 1,5 Milliarden Euro Dividende aus der Hapag-Lloyd-Beteiligung im Geld. Doch es werden wieder andere Zeiten kommen.
Köpfe statt Steine – die bessere Wahl
Deshalb stellt sich die Frage, wo die öffentliche Hand ihre Mittel klug einsetzen kann: Köpfe statt Steine wären die bessere Idee. Die Hansestadt Hamburg muss im Wettbewerb der Metropolen in die Zukunft investieren. Ob die Finanzbehörde von Fritz Schumacher aus den Jahren 1918 bis 1926 ein solches Zukunftsinvestment ist, steht noch dahin.
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Andere Städte wie Kopenhagen, München oder Zürich investieren in Köpfe, in Universitäten, in eine Forschungsinfrastruktur, in eine Start-up-Szene – und sind damit erfolgreich. Diverse Studien stellen der Hansestadt ein dürftiges Zeugnis aus: „Im Vergleich der 50 wichtigsten europäischen Metropolregionen fällt Hamburgs Wirtschaft und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt kontinuierlich zurück.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist eine konsequente Steigerung der Forschungs- und Innovationsintensität in Hamburg erforderlich“, heißt es etwa in der Analyse der CHE Consult aus dem Jahr 2020. Zwar hat auch die Hansestadt in den vergangenen Jahren seine Investments in den Forschungsstandort ausgebaut, der Stadt gelingt es aber noch nicht, die Hapag-Milliarden zu einem wirklich großen Wurf zu nutzen.