Anfang 2006 verkaufte die Stadt Hamburg 39 Gebäude aus öffentlichem Besitz für 815 Millionen Euro an die Alstria GmbH und wurde zur Mieterin. Die Linke spricht von skandalösen Verstrickungen.

Hamburg. Es war einer der größten Immobiliendeals, der je in Hamburg über die Bühne ging, aber jetzt stellt sich die Frage, ob es ein gutes Geschäft für die Stadt war. Anfang 2006 verkaufte der damalige CDU-Senat in einer spektakulären Aktion 39 Gebäude aus öffentlichem Besitz – darunter die Finanzbehörde am Gänsemarkt, die Justiz- und die Wirtschaftsbehörde – für 815,5 Millionen Euro an die Alstria GmbH. Im selben Moment wurde die Stadt Mieterin der Gebäude, die ihr vorher gehört hatten („Sale and Lease Back-Verfahren“).

Die neue Eigentümerin Alstria GmbH startete mit einem Eigenkapital von nur acht Millionen Euro und erhielt zur Finanzierung des Kaufs einen Kredit in Höhe von 1,139 Milliarden Euro von einem Bankenkonsortium unter Beteiligung der HSH Nordbank. Schon Ende 2007 betrug das Eigenkapital jedoch plötzlich 767 Millionen Euro. Das ergibt sich aus Recherchen der Linken-Bürgerschaftsfraktion.

Deren Haushaltsexperte Norbert Hackbusch führt den sprunghaften Eigenkapitalzuwachs auf eine „massive Wertsteigerung“ der Top-Immobilien zurück. Verantwortlich sei ein neues Verfahren („Hardcore-Topslice“) zur Berechnung des Wertes der Gebäude, das nur angewendet werde, wenn die tatsächlich gezahlten Mieten deutlich über den Marktmieten lägen. „Durch dieses Geschäft, durch überteuerte Mietzahlungen der Stadt sowie durch eine faktische Steuerbefreiung erzielen die neuen Eigentümer enorme Gewinne“, sagt Hackbusch. „Nach vorsichtigen Schätzungen ist der Stadt dadurch bis heute ein Schaden von mindestens 500 Millionen Euro entstanden.“

Der Linken-Politiker hält noch einen weiteren Punkt für ausgesprochen bedenklich. Beim Gebäudeverkauf hatten die Wirtschaftsberatungsgesellschaft Freshfields und die Warburg-Bank die Stadt beraten und auch das Wertgutachten für das Immobilien-Portfolio erstellt. Rechtsanwalt Johannes Conradi, der für Freshfields federführend mit am Tisch saß, wechselte nach dem Verkauf in den Aufsichtsrat von Alstria, dem er heute noch angehört. Auch Warburg-Banker Christian Olearius gehörte bis 2007 dem Kontrollgremium an. Alexander Stuhlmann schließlich, zum Zeitpunkt der Kreditvergabe an die Alstria HSH-Nordbank-Vorstandschef, wechselte ebenfalls in den Alstria-Aufsichtsrat, deren Vorsitzender er bis heute ist.

„Dieser Seitenwechsel ist ein großer Skandal“, empört sich Hackbusch. Es bestehe der Verdacht, dass diejenigen, die den Wert der Immobilien vor dem Verkauf zunächst zu niedrig angesetzt hätten, danach in neuer Funktion für eine Wertkorrektur nach oben gesorgt hätten. „Die Stadt hat ihren wertvollen Immobilienbesitz weit unter Wert verloren. Und über all diesen Vorgängen hält der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner seine Hand – das ist auch ein Skandal“, sagt Hackbusch.

Der damalige Finanzsenator Wolfgang Peiner verteidigt das „gute Geschäft“

Diesen Vorwurf weist Peiner zurück. Der CDU-Politiker hatte den Verkauf der öffentlichen Gebäude damals maßgeblich vorangetrieben. „Das ist eine internationale öffentliche Ausschreibung mit einem Meistbietungsverfahren gewesen“, sagt Peiner im Gespräch mit dem Abendblatt. Der erzielte Preis von 815,5 Millionen Euro habe in der Branche als „Spitzenpreis“ gegolten und weit über dem Gutachtenwert von 690 Millionen Euro gelegen. „Mehr kann man nicht machen. Das war aus meiner Sicht für die Stadt ein sehr gutes Geschäft“, so der Ex-Senator. Das damalige Ziel des Deals, einen Investitionsschub für die Innenstadt auszulösen, sei aufgegangen. Die Alstria GmbH habe zum Beispiel das Bieber-Haus am Hachmannplatz (St. Georg) und die Alte Post an der Poststraße (Neustadt) aufwendig modernisiert.

Der Immobilienverkauf wird vom heutigen SPD-geführten Senat völlig anders gesehen. „Finanzsenator Peter Tschentscher hat immer gesagt, dass er den Deal grundsätzlich für falsch hält“, sagt Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde. „Der Senat würde es auch heute so nicht mehr machen. Das Sale-and-Lease-Back-Verfahren verursacht hohe Mietkosten.“ Ob der damalige Kaufpreis zu niedrig angesetzt war und ob der CDU-Senat „sich übers Ohr hat hauen lassen, das kann und will ich nicht bewerten“, so Stricker.

Wie Peiner weist auch die Alstria GmbH die Vorwürfe der Linken zurück. „Der Eigenkapitalzuwachs geht im Wesentlichen auf den Börsengang am 3.April 2007 zurück“, sagt Alstria-Sprecher Ralf Dibbern. Außerdem habe das Unternehmen sein Portfolio bereits 2007 über die Hamburger Immobilien hinaus erweitert – unter anderem mit einem Sale-and-Lease-Back-Geschäft mit der Barmer Ersatzkasse.

Der Käufer bestreitet alle Vorwürfe und personellen Verstrickungen

Aus Dibberns Sicht ist die Miete, die die Stadt für die Gebäude bezahlt, eher als niedrig zu bezeichnen. „Der Durchschnittspreis für alle Objekte liegt bei elf Euro pro Quadratmeter“, sagt der Alstria-Sprecher. Im Innenstadtbereich liege der Quadratmeterpreis generell mittlerweile bei 15 Euro. Seit Vertragsschluss 2006 habe es nur Inflationsanpassungen gegeben. Die Rendite betrage für die Alstria GmbH knapp fünf Prozent. Der Preis für die von der Stadt gewünschten, möglichst niedrigen Mieten seien lange Laufzeiten der Verträge von in der Regel 20 Jahren gewesen.

Den Vorwurf der Interessenkollision weist der Alstria-Mann ebenfalls zurück. „Sowohl Herr Conradi als auch Herr Olearius hatten mit der Bewertung der Immobilien nichts zu tun“, sagt Dibbern. Auf die Rolle des Ex-HSH-Vorstandschefs und jetzigen Alstria-Aufsichtsratsvorsitzenden Stuhlmann bezogen, sagt der Sprecher, die HSH Nordbank sei nur eine von 24 Banken in dem Konsortium gewesen, das den Milliardenkredit gewährt habe.

Die Linken-Fraktion fordert vom Senat per Bürgerschaftsantrag Akteneinsicht in die Mietverträge. „Wir haben den Verdacht, dass die Stadt zu sehr ungünstigen Bedingungen gemietet hat“, sagt Hackbusch. So müsse die Stadt als Mieter etwa für den Umbau der Wirtschaftsbehörde selbst aufkommen.