Hamburg. Der denkmalgeschützte Backsteinbau war unter CDU-Senator Peiner verkauft worden. Warum das ein schlechtes Geschäft war.
Es ist eines der bekanntesten Gebäude der Stadt und Sitz einer der mächtigsten Hamburger Behörden: Im denkmalgeschützten Fritz-Schumacher-Gebäude am Gänsemarkt 36 ist nicht nur die Finanzbehörde untergebracht, sondern auch der Landesrechnungshof. 2006 hatte der damalige CDU-Alleinsenat unter Bürgermeister Ole von Beust neben vielen anderen städtischen Immobilien auch dieses Gebäude an Privatinvestoren verkauft und für die Stadt bis 2026 zurückgemietet.
Aber der vom damaligen CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner eingefädelte Deal hat sich offenbar als schlechtes Geschäft erwiesen. Deswegen kauft die Stadt das Gebäude nun zurück – für 119 Millionen Euro. Das hat der Senat in seiner Sitzung am Dienstag beschlossen. „Unter dem geltenden Mietvertrag wäre es wirtschaftlich nicht vertretbar, als Mieter in dem erforderlichen Umfang in das Objekt zu investieren, auch wenn man von einer Verlängerungsoption Gebrauch machen würde“, so die Finanzbehörde.
Finanzbehörde: CDU-Senat hat 2006 offenbar auch schlecht verhandelt
Die Vertragsregelungen von 2006 seien „hinsichtlich der Unterhaltungslast zwischen Mieter und Vermieterin nicht hinreichend eindeutig“ genug. Es sei „unklar“, wer auch finanziell für Erhalt, Sanierung oder Modernisierung des Gebäudes zuständig sei – etwa bei „Brandschutz, Elektrik oder Kellersohlensanierung“. Mit anderen Worten: Aus Sicht des heutigen Finanzsenators Andreas Dressel (SPD) haben Beust und Peiner 2006 einen schlechten Vertrag gemacht.
Nach dem Rückkauf soll laut Senat nun „eine denkmalgerechte Sanierung unter Berücksichtigung energetischer Aspekte im stadtinternen Mieter-Vermieter-Modell geprüft, vorbereitet und umgesetzt werden“, so die Finanzbehörde. „Damit ist gesichert, dass das ikonische Gebäude auch weit nach seinem 100. Geburtstag 2026 als Dienstsitz der Finanzbehörde und dem Rechnungshof langfristig weiter zur Verfügung steht“. Der mit einem Gutachten ermittelte Kaufpreis von 119 Millionen Euro liege rund zehn Millionen Euro über dem Verkehrswert und sei „wirtschaftlich vertretbarer“. Die Finanzierung könne „aus investiven Haushaltsreserven im laufenden Haushalt 2023/2024 ohne Kürzungen an anderer Stelle“ sichergestellt werden.
Privatisierung der Hamburger Gebäude von 2006 laut SPD ein schlechtes Geschäft
„Mit dem Erwerb können wir unser historisch wertvolles Dienstgebäude, das seit seiner Erbauung 1926 Sitz der früheren Finanzdeputation und heutigen Finanzbehörde ist, wieder in unser städtisches Portfolio aufnehmen“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel. „Der Gänsemarkt 36 ist ein bedeutendes Kulturdenkmal, eine kunsthistorische und stadtplanerische Ikone für die Hansestadt. Mit diesem Gebäude prägte Hamburgs bekanntester Baumeister Fritz Schumacher das Stadtbild der Hamburger Innenstadt maßgeblich.“ Der Rückkauf füge sich „nahtlos in unsere Strategie ein, die städtische Eigentumsquote durch Ankäufe, insbesondere in Bezug auf eigengenutzte Immobilien, zu erhöhen“.
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Wo es „Erwerbsmöglichkeiten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen“ gebe, werde der Senat damit „den nachteiligen Primo-Deal des damaligen Senats korrigieren“, das sei „eine gute Nachricht für die Stadt, genau wie der kürzlich vollzogene Ankauf des Wandsbeker Rathauses in der Schloßstraße“. Unter dem Namen Primo hatte der CDU-Alleinsenat ganze Pakete Dutzender bis dahin stadteigener Gebäude an Privatinvestoren verkauft. „Dass die Primo-Verträge nachteilig sind, konnte beim Objekt Gänsemarkt 36 erneut gezeigt werden“, so die Finanzbehörde. „Der Rückkauf aller Objekte ist aber weder bezahlbar noch zielführend. Wie auch beim Rückkauf des Bezirksamtes Wandsbek geht es um eine Einzelfallbetrachtung.“
Dressel hatte die Primo-Verkäufe auch von Behördengebäuden zuletzt angesichts der stark steigenden Mieten bereits mehrfach als „schlechtes Geschäft“ bezeichnet. Ein direkter Vergleich vom damaligen Verkaufspreis mit dem heutigen Rückkaufpreis des Gebäudes am Gänsemarkt sei nicht möglich, heißt es aus der Finanzbehörde – denn 2006 seien viele Immobilien gebündelt in Paketen verkauft worden, auch die Finanzbehörde. Es gebe also keinen exakten Verkaufspreis für dieses eine Gebäude.
Auch Betrag über Sanierungskosten der Finanzbehörde noch offen
Auch ist offen, wie hoch die Sanierungskosten für das Gebäude sein werden. Der Finanzsenator weigerte sich, konkrete Zahlen offenzulegen, gehe aber „realistisch“ von einem Betrag zwischen 30 bis 45 Millionen Euro aus, sagte Dressel bei der Landespressekonferenz.
Die CDU-Fraktion nennt den Verkauf deshalb „fragwürdig“ und kritisiert den Senat für die hohen Kosten. Thilo Kleibauer, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sagt: „Die Stadt ist nicht der bessere Bauherr und Eigentümer aller Behördenstandorte. Dies zeigen gerade die massiven Kostensteigerungen und Planungsdesaster bei vielen großen städtischen Bauprojekten.“ Für das Gebäude am Gänsemarkt und für weitere wichtige Behördenstandorte bestünden bereits Optionen, die günstigen Mietverträge weit über das Jahr 2026 hinaus zu verlängern. „Da offenbar keine rechtzeitige Prüfung von Alternativen erfolgt ist, wird jetzt ein Kaufpreis deutlich über dem Verkehrswert gezahlt. Dies ist nicht akzeptabel“, so Kleibauer.
Kauf der Finanzbehörde: Kritik von CDU, FDP und Linke
Auch die FDP-Landesvorsitzende Katarina Blume findet: „Rot-Grün bleibt sich treu und treibt den Ankauf von Gebäuden, Grund und Boden in der Stadt weiter massiv voran. Der Erwerb des historischen Gebäudes am Gänsemarkt ist ein weiterer Schritt in die staatliche Wohnraumbewirtschaftung, die nun immer expansiver voranschreitet.“ Wie schon bei Hapag-Lloyd schlüpfe Dressel in die Rolle eines Spekulanten, der auf Dividende setzt. Es ist weder die Aufgabe der Stadt mit Containern zu spekulieren noch mit Immobilien. Die Aufnahme der Immobilie in das städtische Portfolio hat aber einen weiteren hohen Preis: Den erheblichen Sanierungsbedarf des historischen Gebäudes darf in Zukunft der Steuerzahler tragen.“
Und auch Norbert Hackbusch, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke nennt den „Ausverkauf städtischer Immobilien im Primo-Deal des CDU-Senats im Jahr 2006“ eine „finanzielle Katastrophe für die Stadt“. Die gegenwärtige Kritik von SPD und Grünen am Primo-Deal wirke schal angesichts der Tatsache, dass ihr Widerstand gegen den Verkauf damals sehr verhalten war.
SPD sieht in Kauf Korrektur von Peiner
Milan Pein, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion Hamburg, sieht in dem Erwerb des Gebäudes hingegen eine Korrektur „gravierender Fehler“ seines Vorgängers Wolfgang Peiner: „Der von der CDU vorgenommene Ausverkauf der städtischen Immobilien war ein schlechter Deal, den wir jetzt wieder geradebiegen. Mit dem Projekt Primo ist der städtische Haushalt über Jahre hinweg mit hohen Mietzahlungen belastet worden. Das war alles andere als nachhaltig.“
Ebenso lobt die AfD-Fraktion den Rückkauf der Immobilie: „Der CDU-Senat hat 2006 dieses Tafelsilber verkauft. Nun wird dieser Fehler geheilt.“ Der Rückkauf dieses altehrwürdigen Fritz-Schumacher-Gebäudes mit der berühmten hamburgischen Backsteinoptik sei ein richtiger und wichtiger Schritt, denn Eigentum ist langfristig sehr viel wirtschaftlicher als Miete zu zahlen, so der stellvertretende Fraktionschef und stadtentwicklungspolitische Sprecher Alexander Wolf.
Finanzbehörde: Gebäude ist ein prägendes Bild für die Stadt
Auf großen Zuspruch stößt die aktuelle Entscheidung des Senates auch bei der Fritz-Schumacher-Gesellschaft, die sich dem Erhalt des städtebaulichen Erbes des früheren Hamburger Oberbaudirektors Fritz Schumacher widmet. „Wir freuen uns sehr über die kluge Entscheidung der Stadt, das Gebäude der Finanzbehörde zurückzuerwerben“, sagte Katja-Annika Pahl, Vorsitzende der Gesellschaft.
„Vor über einem Jahrhundert entwarf Fritz Schumacher dieses Haus als flexiblen Bürobau für die Finanzdeputation. Seither definiert es mit seinen prägnanten Fassaden das Bild des Gänsemarktes. Nun ist nicht nur eine Kontinuität in der Nutzung gesichert, sondern vor allem die Basis für eine gute Sanierung geschaffen, die die außergewöhnlichen Qualitäten dieses Hauses mit seinen zu großen Teilen noch im Originalzustand erhaltenen Räumen und Details im Blick hat.“