Thomas Gottschalk und die Irrfahrt quer durch die TV-Landschaft. Dem einst gefeierten Entertainer drohe jetzt der totale Absturz, so Experten.

Hamburg/Berlin. Die Felle scheinen ihm davonzuschwimmen. Thomas Gottschalk, der sich mit fast 25 Jahren „Wetten, dass..?“ ein Denkmal im deutschen Fernsehen gesetzt hat, läuft Gefahr, seinen lange aufgebauten Kredit auf den letzten Metern seiner Karriere zu verspielen. Kollegen, Kritiker und Experten haben den 62-jährigen Entertainer, der am Samstag seinen Einstand in der RTL-Show „Das Supertalent“ gab, arg unter Beschuss genommen. In der „Bild“-Zeitung (Montag) setzte sich der Publikumsliebling zur Wehr – ein deutliches Zeichen dafür, dass jemand mit dem Rücken zur Wand steht.

„Thomas Gottschalk muss aufpassen, dass er mit seinem Auftreten als etwas abseitige Nebenfigur im „Supertalent“ nicht einen nachhaltigen Imageschaden erleidet“, sagte der Medienexperte Bernd Gäbler, früher Leiter des Grimme-Instituts in Marl. „Bisher hatte er die Chance, als einer der ganz großen Entertainer – wie etwa Peter Frankenfeld oder Hans-Joachim Kulenkampff – in die deutsche Fernsehgeschichte einzugehen. Jetzt will er es unbedingt noch einmal wissen. Daraus erwächst die Gefahr, dass ihn Ehrgeiz und Eitelkeit zu schriller Unterhaltung ohne Stil und Mitte verführen.“

+++ Gottschalk ist Teil einer Show, die an niedrigste Instinkte appelliert +++

Bernhard Pörksen, in Tübingen Professor für Medienwissenschaft, ging am Montag sogar noch weiter. „Thomas Gottschalk war der Gottvater der fernsehgerechten Familienunterhaltung“, sagte er. „Auf diese Rolle ist er festgelegt, das ist sein Image. Und die Mediengesellschaft ist in dieser Hinsicht konservativ. Sie gestattet keine Imagewechsel: Der Gang in die geschlossene Anstalt der Freak-Shows von RTL ist daher ein Akt mutwilliger Selbstzerstörung, eine Selbstdemontage.“ Den Anfang davon erlebten 6,34 Millionen Zuschauer bei RTL – knapp eine Million weniger als beim Staffelstart im Vorjahr.

Gottschalk hat bei RTL neben Dieter Bohlen (58) mit seiner Ex-„Wetten, dass..?“-Kollegin Michelle Hunziker (35) Platz genommen. Er sollte dem „Supertalent“ zusätzlich Pepp verleihen. Heraus kam nicht viel. Zeitweise wirkte Gottschalk, der noch vor knapp 15 Millionen Zuschauern im Dezember 2011 seinen „Wetten, dass..?“-Abschied im ZDF feierte, deplatziert, er fremdelte und musste eh dem Chef im Ring, Juror Bohlen, den Vortritt bei wichtigen Entscheidungen lassen. Aus vielen „nicht zueinander passenden Flicken“ sei „ein großes Nichts“ geworden, kritisierte die „Süddeutsche Zeitung“ am Montag.

+++ Gottschalk, Bohlen und andere "Talente" +++

Zu allem Überfluss meldete sich im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ „Wetten, dass..?“-Erfinder Frank Elstner (70) zu Wort, der seinem Kollegen unter anderem mangelnde Vorbereitung auf die Gäste vorwarf. Gottschalk wies via „Bild“-Zeitung pauschal seine Kritiker in die Schranken. „Ich könnte bei einer Tasse Tee in Malibu sitzen und darüber klagen, wie schlimm das Fernsehen geworden ist, aber lieber spiele ich noch ein bisschen mit“, sagte er über seine Premiere im „Supertalent“. „Und hört mir auf mit schlechten Kritiken und schwachen Quoten, damit macht mir keiner mehr die Stimmung kaputt. Es haben viele zugeschaut und lustig war’s.“

Kein neues Gefühl für den leidgeprüften Zampano, denn er hatte schon im vergangenen Winter viel Häme und Kritik einstecken müssen, als seine ARD-Vorabendshow von Ausgabe zu Ausgabe an Publikum verlor. Ausgerechnet wurde kurz vor der RTL-Premierensendung über Gerüchte berichtet, Gottschalk verhandele jetzt wieder mit der ARD über eine eigene Talente-Show fürs nächste Jahr. Der Kater lässt das Mausen nicht.