Der 35-jährige Sascha tanzt sonst in einem Club auf der Reeperbahn. Jetzt wurde die RTL-Show mit ihm als Kandidaten in Berlin aufgezeichnet.
Berlin. Geübt reißt Sascha sich die Kleider vom Leib: Der Tänzer eines Clubs auf der Reeperbahn will "Supertalent 2012“ werden, das Publikum bei der Aufzeichnung im Berliner Tempodrom johlt. Mit Sixpack und in Unterhose steht der 35-Jährige, nach eigener Auskunft auch Student im ersten Semester, am Ende seiner Performance vor den staunenden Juroren der RTL-Castingshow. Zu Sascha fällt vor allem Musikproduzent Dieter Bohlen etwas ein: „Ich weiß nicht, wie groß dein Talent ist – acht oder neun Zentimeter...“, begutachtet der ungerührt.
Es gibt Neulinge an der Seite von Dauer-Juror Bohlen am Jury-Pult: „Wetten, dass..?“-Urgestein Thomas Gottschalk, den der Privatsender überraschend nach seinem gescheiterten ARD-Vorabendtalk verpflichtete. Und Michelle Hunziker, Gottschalks frühere Ko-Moderatorin bei „Wetten, dass..?“ und bei RTL bereits Castingshow-erprobt. Er habe durchs „Supertalent“ einen Karrieresprung gemacht, lässt an diesem Abend Gottschalk scherzhaft fallen. Seine Sendung im Ersten war nach nur wenigen Monaten wegen mauer Quoten eingestellt worden.
„Wenn der gleich rauskommt, nicht so laut jubeln – der ist so viele Zuschauer gar nicht mehr gewohnt“, witzelt denn auch Moderator Daniel Hartwich. Im Juli und August wurden die Sendungen mit der neuen Jury aufgezeichnet. Ab 15. September (20.15 Uhr) bis kurz vor Weihnachten ist sonnabends bei RTL zu sehen, wie Gottschalk mit seinen Jury-Kollegen die Auftritte von mal mehr, mal weniger talentierten Kandidaten beurteilt.
„Über 44.000 Talente“ haben sich laut Sender in diesem Jahr für „Das Supertalent“ beworben, so viele „wie niemals zuvor“ – Alters- oder Genrebeschränkungen gibt es nicht. „Wir sprechen auch gezielt Talente an, ob sie Lust haben beim 'Supertalent' mitzumachen. Eine Gage bekommen diese jedoch nicht“, sagt die zuständige RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer. 100.000 Euro warten auf den Sieger. Im vergangenen Jahr wurde Panflötenspieler Leo Rojas zum „Supertalent“ gekürt. 2009 konnte Hundedame Primadonna die Gunst der TV-Zuschauer erobern.
Auch in diesem Jahr sind niedliche Tiere dabei: Schweinchen Willi hat allerdings bei seinem Auftritt nicht seinen besten Tag. „Der kann also auch rückwärts laufen“, kommentiert Neu-Juror Gottschalk, während sich das sichtlich aufgeregte Frauchen des Tieres auf der Bühne müht. Immerhin: Willi sei „nicht der Schwächste heute Abend“ gewesen, befindet der 62-Jährige, der auch bei kritischen Anmerkungen ein bisschen als der nette Onkel rüberkommt.
Die 42-jährige Susi aus Berlin ist bereits zum zweiten Mal als Zuschauerin beim „Supertalent“-Casting dabei, sie sei angerufen worden, ob sie nicht noch einmal kommen wolle. Sie wollte vor allem sehen, wie „Gottschalk das macht“, und der sei „wie bei 'Wetten, dass..?“ gewesen, berichtet sie, kurz bevor sie zum zweiten Mal Platz im Tempodrom nimmt.
Einen „Show-Titanen“-Kampf zwischen Gottschalk und Bohlen, wie ihn manche vorher heraufbeschworen hatten, gibt es bei diesem Termin nicht. Es ist brütend warm in der Halle, die Juroren haben bereits eine mehrstündige Aufzeichnung an diesem Tag hinter sich gebracht - und diverse andere in den Tagen zuvor.
„Was ist dein größter Traum?“ fragt Hunziker den zehnjährigen Tim. „Das Geld zu gewinnen“, antwortet der junge Schlagzeuger. Auch ein anderer Kandidat will es am Schlagzeug – und mit Singen - wissen: Franz Trojan, ehemaliger Schlagzeuger der 80er-Jahre-Erfolgsband Spider Murphy Gang. Vom Publikum wird er derbe ausgebuht. Der 55-Jährige ist nicht der erste in der Versenkung verschwundene Musiker, der sich beim „Supertalent“ versucht: Kathy Kelly von der Kelly Family sowie Ex-„DSDS“- und Dschungelcamp-Teilnehmer Daniel Lopes waren in früheren Staffeln dabei.
Wenn demnächst die sechste „Supertalent“-Staffel über den Bildschirm flimmert, hat die Jury die meiste Arbeit schon hinter sich. 24 Aufzeichnungen an zwölf Tagen hat das Trio absolviert, drei bis vier Stunden dauerte eine Vorstellung, die vor 2.000 bis 3.000 Zuschauern über die Bühne ging. Das TV-Publikum bekommt dann einen Zusammenschnitt zu sehen. Nach elf Casting-Folgen stehen am Ende zwei Live-Halbfinalrunden und das Live-Finale am 15. Dezember auf dem Programm.
Durchschnittlich knapp acht Millionen Zuschauer und einen – bei der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen – Marktanteil von 37,4 Prozent hatte noch die vierte Staffel im Jahr 2010 erreicht. In der vergangenen Runde im Herbst und Winter 2011 musste das Format Federn lassen: Im Schnitt 6,67 Millionen Zuschauer schalteten ein, der Marktanteil lag bei 31 Prozent.
Drei Mal bis zum Jahresende wird „Das Supertalent“ nun im direkten Quoten-Wettbewerb zu „Wetten, dass..?“ mit dem neuen Moderator Markus Lanz stehen. „Es ist schon komisch, jetzt auf der anderen Seite zu sitzen gemeinsam mit Thomas“, sagt Hunziker in einem Senderinterview. „Doch so ist das – in der Unterhaltung kann alles passieren – sogar, dass Dieter Bohlen und Thomas Gottschalk jetzt gemeinsam in einer Jury sitzen.“