Auch der Neu-Juror kann der RTL-Castingshow “Das Supertalent“ keine neuen Impulse verleihen. Gottschalk selbst mimt eher die Stimme der Vernunft.

Berlin. „Wie soll ein Mensch das ertragen?“ Mit seinem Philipp-Poisel-Cover bringt Kandidat Jean-Michel Aweh die erste Show der neuen Staffel „Das Supertalent“ auf den Punkt.

Zwei Stunden und zehn Minuten lang - die einem viel, viel länger vorkommen – paradiert eine nicht enden wollende Reihe von reichlich merkwürdigen Möchtegern-Talenten über die Bühne, wird von Dieter Bohlen, Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker beäugt wie Zuchtbullen bei der Versteigerung und marschiert wieder ab.

Die meisten sind anscheinend irgendwelchen Varietés entsprungen. So wie der Amerikaner, der sich mit Rasierschaum einschmiert oder die britische Gummifrau. Das Bungee-Duo - bestehend aus einem 87-Jährigen und seinem österreichischen Kumpel, der das Seil mit bloßen Händen festhält - hingegen scheint direkt aus den Restbeständen von „Wetten, dass..?“ zu stammen.

Und der mittelbegabte Pianist mit schwerer Kindheit, der mit schwacher Vibrato-Stimme nach Revolverheld auch noch den völlig unprätentiösen Singer/Songwriter Poisel tief ins Pathos-Tal reißt? Vermutlich hat Bohlen den irgendwo im Portfolio gehabt.

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Was einen aber wirklich auf die Palme bringen kann, sind die armen Schweine, die sich durch „gutes Zureden“ von Freunden und Verwandten zu Auftritten haben verleiten lassen. Der gänzlich talentfreie Wolfgang-Petry-Imitator, der von RTL genüsslich vorgeführt wird, ist ein gutes Beispiel. Die Kamera hält erbarmungslos drauf, Bohlen darf das rhetorische Feigenblatt beisteuern: „Das ist mir so peinlich. Da lacht doch keiner zu Hause.“ Bestimmt nicht.

Die Jury glänzt ansonsten durch Erwartbarkeiten. Gottschalk mimt die Stimme der Vernunft, Bohlen gibt den Lautsprecher (man muss vermutlich froh sein, dass er sich die gröbsten Verbalinjurien für „DSDS“ aufhebt) und Michelle Hunziker die dekorative Quantité négligeable.

Gut, dass da noch dieser Sturz ist. Hunzikers schon vor Wochen medial weidlich ausgereizter Unfall wird zur Katastrophe hochstilisiert, Spannung aufgebaut, wo keine zu holen ist. Schließlich weiß jeder, dass sie abgesehen von einer Gehirnerschütterung und einigen Prellungen unverletzt geblieben ist. Das eigentliche Missgeschick aber, auf das darf das geneigte Publikum noch bis nächste Woche warten. Auch, wenn es ihn bereits gefühlte 28 Mal in Zeitlupe gesehen hat. Im Teaser, der vor und nach jedem Werbeblock läuft.

Wie sagte Peter Lustig am Ende von „Löwenzahn“ immer so schön? „Und nicht vergessen: abschalten.“