Nach dem Rückschlag der “Beckmann“-Ausgabe vom Donnerstag muss sich die ARD mit der Frage beschäftigen: Warum ist da (noch) Sand im Getriebe?

Berlin. Der tägliche Blick auf die Quoten löste innerhalb der ARD am Freitagmorgen Nachdenklichkeit aus. Die dritte Ausgabe von Reinhold Beckmanns Gesprächsrunde auf dem neuen Sendeplatz am Donnerstagabend um 22.45 Uhr bildete – nach Quoten – einen Tiefpunkt in der neuen Talk-Programmierung im Herbst: Gerade einmal 960.000 Zuschauer schalteten die Gesprächssendung ein, in der unter anderem die Eltern der 2007 entführten Madeleine McCann zu Gast waren. Der Marktanteil von 6,7 Prozent lag deutlich unter dem ARD-Schnitt, der in diesem Jahr bisher bei 12,6 Prozent liegt. Guter Rat ist jetzt teuer.

ARD-Chefredakteur Thomas Baumann mahnt zur Ruhe: „Die Quoten der Gesprächssendungen im Ersten würde ich nicht generell als mäßig bezeichnen“, sagte Baumann der Nachrichtenagentur dpa am Freitag auf Anfrage. „Günther Jauch und Frank Plasberg haben auf ihren Plätzen zuletzt sehr gut abgeschnitten. Die Quoten sind noch nicht stabil. Das ist gut zwei Wochen nach dem Schemawechsel nicht weiter verwunderlich.“ Über eine Änderung des neuen Sendeschemas werde nicht nachgedacht. „Jogi Löw wird auch nicht auswechseln, wenn es in der zweiten Spielminute noch 0:0 steht.“

Dass die Fernsehzuschauer dem neuen ARD-Programmangebot mit fünf Talks zwischen Sonntag und Donnerstag noch nicht folgen wollen, ist aus seiner Sicht erklärbar: „Zum einen hat ein Teil unseres potenziellen Publikums den neuen Sendeplatz von „Beckmann“ noch nicht verinnerlicht“, sagt der Chefredakteur. „Gestern kam hinzu, dass die Konkurrenzsituation mit dem Europa-League-Spiel von Schalke 04 auf Kabel eins außerordentlich war.“ Baumann spart auch nicht mit einer inhaltlichen Kritik an der „Beckmann“-Sendung: „Wenn – wie gestern - große Sendeflächen simultanübersetzt in einer Fremdsprache zu bewältigen sind, drückt dies die Zuschauerakzeptanz.“

Kurioserweise kann Beckmanns neue Konkurrenz am Donnerstag nicht als Begründung herhalten: Maybrit Illner erreichte mit ihrem ZDF-Talk auf gewohntem Platz um 22.15 Uhr 2,09 Millionen Zuschauer (10,6 Prozent) – auch nicht gerade der Hit. Beckmann zählte bei seinem Herbst-Auftakt auf dem neuen Donnerstagstermin (1. September) nach einer Auswertung der Marktforschungsfirma Media Control immerhin 1,47 Millionen Zuschauer, eine Woche später nur noch 1,12 Millionen. Illner ging für das ZDF nach der Sommerpause erst am 8. September wieder auf Sendung.

Auch Sandra Maischberger am Dienstag (zwischen 1,19 Millionen und 1,52 Millionen) und Anne Will auf dem neuen Sendeplatz am Mittwoch (zwischen 1,22 und 1,84 Millionen) geht es noch nicht besonders gut. Frank Plasberg begrüßte montags immerhin 2,90 und 3,34 Millionen Menschen, Günther Jauch kam am Sonntag um 21.45 Uhr auf 5,09 Millionen Zuschauer, profitierte aber von der Aufmerksamkeit auf seine Premiere und vom Vorlauf durch den „Tatort“.

In solch einer Situation fühlen sich die Kritiker, die schon vor Einführung der neuen Talkstruktur mahnend den Zeigefinger gehoben haben, auf der sicheren Seite. „Die Talk-Offensive der ARD geht weitgehend am Publikum vorbei“, sagt Bernd Gäbler, Herausgeber der jüngst erschienenen Studie „...unseren täglichen Talk gib uns heute“. „Bis auf Günther Jauch, der zur Premiere so viel Zuschauerzuspruch erhielt wie Anne Will, als sie am Sonntagabend startete, haben alle Sendungen Mühe, überhaupt einmal zweistellige Marktanteile zu erreichen.“ Woran das liege? „Anstelle der Programm-Verantwortlichen würde ich der Frage nachgehen: Gab es denn eine Sendung, die unverzichtbar, einzigartig war? Der Verdacht liegt nahe, dass durch das Überangebot jede einzelne Sendung entwertet wird.“

Vielleicht sorgt Jauch am Sonntag mit seiner zweiten Ausgabe doch noch mal für frischen Wind. Die Chancen stehen gut, denn er darf nach dem „Tatort“ aus Münster auf Sendung gehen, der zu den traditionell stärksten in der ARD gehört. Sein Thema: „Die schwarz-gelbe Pleite! - Kann diese Regierung noch den Euro retten?“ Zu Gast sind unter anderem Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD).