Die ARD-Talks nach dem Stühlerücken: Anne Will setzt auf “mehr Intensität“, bei Beckmann ändert sich nichts. Funktioniert Jauch am Sonntag?
Berlin. Kompliment, das kann sie: gute Miene zum bösen Spiel machen. Wer Anne Will am Freitag erlebt hat, mochte ihr fast schon glauben, dass die 45-Jährige die bevorstehende Veränderung als Verbesserung betrachtet. Nach dem Motto: Das ist eine "riesige Chance", etwas Neues auszuprobieren, "mehr Intensität" herzustellen und "einen anderen Ton" anzuschlagen. Ganz abgesehen davon, dass es nicht schlecht sei, am Wochenende frei zu haben: "Es ist ja einfach schöner und natürlicher", so Will lächelnd, "mit dem Rhythmus der anderen mitzuschwingen. Eine größere Freiheit in meinem kleinen Leben." Allerdings schien es ihr doch wichtig, darauf hinzuweisen, dass sie mit ihrer Sonntagssendung "einen Erfolg hingelegt" habe, auf den sie stolz sei, zumal sich die Einschaltquoten Jahr für Jahr verbessert hätten.
Aber dann kam natürlich doch die Frage nach Günther Jauch, und dann wurde Will etwas schmallippiger. "Wir haben Kontakt", sagte sie dann, "ganz normal und freundlich." Auf die Nachfrage, wie man sich diesen Kontakt etwas genauer vorstellen könne, antwortete sie nur noch knapp, Kontakt bedeute, dass "man sich sehr schnell, sehr direkt, sehr freundlich über Dinge verständigen kann".
Kommende Woche wird Will ihren Polittalk zum ersten Mal auf dem neuen Sendeplatz zur neuen Sendezeit moderieren. Also nicht wie gewohnt am Sonntagabend um Viertel vor zehn, sondern Mittwochnacht um Viertel vor elf. Der Grund für den Wechsel ist bekannt: Günther Jauch wird den attraktiven Sonntagsplatz übernehmen.
Immerhin hat die ARD am Freitag viel dafür getan, die Rochade für Anne Will nach außen hin elegant zu verpacken. Bei der Pressekonferenz in Adlershof wurde Will gleich von drei Führungsleuten flankiert, und alle drei - ARD-Chefredakteur Thomas Baumann, NDR-Intendant Lutz Marmor, NDR-Fernsehprogrammdirektor Frank Beckmann - legten sich sehr ins Zeug, den Verdacht zu zerstreuen, da wären intern irgendwelche Verwerfungen. Baumann erklärte, die fünfte wöchentliche Talkshow biete die Möglichkeit, eine noch größere Bandbreite gesellschaftlich relevanter Themen auszubreiten; Beckmann kündigte an, Will werde in ihrer Runde nicht nur aktuelle Themen reflektieren, sondern auch eigene Themen setzen; Marmor pries die "Vielfalt der Protagonisten" und kreierte im selben Atemzug den Slogan "Fünf Tage, fünf Könner".
Sonntags Jauch, montags Plasberg, dienstags Maischberger, mittwochs Will, donnerstags Beckmann. So ganz scheint man sich beim Ersten allerdings doch nicht sicher zu sein, dass die Zuschauer das erweiterte Angebot goutieren werden. Marmor sprach von einem "gewissen Wettbewerb zwischen den Moderatoren" und dass man sehen werde, welches Konzept sich durchsetzen könne. Quotenvorgaben, so der NDR-Intendant, existierten jedenfalls nicht. Man wisse, dass neue Formate eine gewisse Entwicklungszeit und vor allem eine Entwicklungschance bräuchten. "Auch für Herrn Jauch", so Marmor weiter, "wird das erst mal eine große Herausforderung sein, und das weiß er auch." Anne Will bestätigte, dass man ihr keine Quotenvorgabe gemacht habe. "Wir träumen", sagte sie, "von anderthalb bis zwei Millionen Zuschauern. Mal gucken. Unter Druck setzen will ich mich nicht - ich hatte so viel Druck am Sonntagabend am Anfang, ich will keinen Druck mehr."
Die neue "Anne Will"-Talkshow, die mit Rücksicht auf die Gäste früher am Abend aufgezeichnet und ab 22.45 Uhr "live on tape" ausgestrahlt wird, startet mit verändertem Konzept: Die fünf Gäste werden nicht gemeinsam, sondern nacheinander Platz neben. Es wird jeweils einen "Hauptgast" geben - bei der Premiere soll es der Berliner Sterne-Koch Tim Raue sein -, der im Laufe der folgenden 75 Minuten "mit überraschenden Mitstreitern und interessanten Gegenspielern" konfrontiert wird. Für Mittwoch hat Will noch den Rapper Sido, Bayerns ehemaligen CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, den Journalisten und Buchautor Christian Nürnberger und die Schauspielerin Veronica Ferres ins Studio nach Adlershof gebeten. Thema: Jugendgewalt.
"Blaupause" für das neue Konzept sei die Sendung gewesen, die Will im vergangenen Oktober mit Frank-Walter Steinmeier zum Thema Organspende gemacht habe, sagte Frank Beckmann gestern in Berlin. Die habe man nicht nur beim NDR außerordentlich gelungen gefunden, die habe auch den Rundfunkrat besonders stark beeindruckt.
Bei Reinhold Beckmann soll sich trotz des neuen Sendeplatzes übrigens nichts groß ändern. Der Talkmaster rechnet allerdings mit rückläufigen Quoten. Als erste Gäste wird er am Donnerstag den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Schleswig-Holsteins einstigen Landesvater Björn Engholm empfangen. Den Namen eines weiteren Studiogastes hält er noch geheim.