Hamburg. Einige Schwierigkeiten, aber tolle Musik: „Come Together Experience“ feiert auf St. Pauli Premiere. Erfahrung anderer Events macht Mut.

„Jetzt aber los, Andreas Dorau fängt gleich an“: Uriz von Oertzen, Geschäftsführer des ersten Hamburger Beatles-Festivals „Come Together Experience“, hastet am Sonnabend über die Reeperbahn und die Große Freiheit hinauf zum Gruenspan. Aus der Großen Freiheit 36 kommt gerade Sänger Bernd Begemann vom Soundcheck: „Uriz, läuft super, oder?“. Der antwortet nur „Yeah“.

Klar, von Oertzen hätte auch sagen können: „I’m So Tired“ nach „A Hard Day’s Night“, nach Vorbereitungen „Eight Days A Week“, nach kurzfristigen Änderungen und Improvisationen. Noch am Freitag wurden Flüge von englischen Musikern verlegt und Auftritte gingen verspätet über die Bühne. Aber er versucht, jeden Ton der Beatles, der am Freitag und Sonnabend auf dem Kiez erklingt, mitzunehmen. Es war schwer genug, das Festival auf die Beine zu stellen. Die ursprünglich geplante Premiere 2020 wurde von Corona aus dem Kalender radiert, Konzept, Mitwirkende, Termine, Orte wurden durcheinandergewirbelt und umsortiert.

Beatles-Festival Hamburg: Nur 1500 Fans sind bei der Premiere auf Reeperbahn dabei

Aber jetzt läuft es. Freitag ging es los mit zahlreichen Coverbands wie Blackbyrds, Just Beatles und einem Songwettstreit „Beatles vs. Stones“ mit Musikern von Tocotronic, Isolation Berlin und weiteren Indie-Bands. Der Sonnabend soll der absolute Höhepunkt werden. Aber auch auf dem Kiez bleibt ein altes Festival-Gesetz bestehen: Das erste Mal tut es noch weh.

Die New Yorker Band Bambi Kino spielte bei der „Come Together Experience“ im Indra und im Moondoo, dem ehemaligen Top Ten.
Die New Yorker Band Bambi Kino spielte bei der „Come Together Experience“ im Indra und im Moondoo, dem ehemaligen Top Ten. © andie riekstina

Offiziell sind 1500 Beatles-Fans auf der Reeperbahn unterwegs. Das ist wirklich sehr wenig für ein Programm an neun Schauplätzen. Bereits vor einigen Tagen wurden die Aushängeschilder des Programms, die „Blue Album Revue“ und „A Tribute To John Lennon“ aus der Laeiszhalle in die Große Freiheit 36 verlegt, um das Festival nicht geografisch zu verstreuen und Publikum vom Kiez abzuziehen. Zudem erkrankte auch noch Earl Slick, Gitarrist auf Lennons Album „Double Fantasy“ (1980) und Stargast des Lennon-Abends, vor wenigen Tagen an Corona. Große Namen fehlen generell, und das etwas verwirrend gestaltete Ticket-Angebot und der stolze Preis von 165 Euro für das Komplettprogramm beweisen Optimierungsbedarf für das Organisationsteam um Arne Buss, Karsten Jahnke, Uriz von Oertzen und Thomas Kolbatz.

Beatles-Festival: Auch Reeperbahn Festival und Dockville hatten schwierige Starts

Aber auch das erste Reeperbahn Festival 2006 oder Dockville 2007 hatten organisatorisch und finanziell viele Federn gelassen und Scheine verbrannt. Seinerzeit kamen 6000 Besucherinnen und Besucher zu diesen Festivals, die mittlerweile 50.000 Menschen anlocken. Durchhaltewillen kann sich lohnen. Das beste Beispiel sind wohl die Beatles selber: Als John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Stuart Sutcliffe und Pete Best im August 1960 das erste Mal im Indra auftraten, spielten sie der Legende nach vor zwei Prostituierten und der Klofrau.

Ein Musikangebot für Alt und Jung, Beatles-Songs so nah am Original wie möglich, aber auch experimentell und neu gedacht, da hält die „Come Together Experience“, was sie verspricht. Auf wenigen Metern Kiez, in der Freiheit, im Kaiserkeller, im Indra und Gruenspan, aber auch im Moondoo (dem ehemaligen Top Ten), im Molotow und im St. Pauli Theater erlebt man eine „Magical Mystery Tour“ mit immer neuen Varianten der Lieder von John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr – und Yoko Ono.

Beatles-Festival: Annett Louisan und Dirk Darmstädter singen in der Freiheit

Im Gruenspan präsentiert Andreas Dorau, bekannt durch den Hamburger NDW-Hit „Fred vom Jupiter“, obskure Coverversionen des absolut schrägsten Beatles-„Songs“: „Revolution 9“, die acht Minuten lange Klangcollage von Lennon, Ono und Harrison auf dem „Weißen Album“. Dorau hat dieses Stück als Kind wieder und wieder gehört, „es war mein Start in die experimentelle Musik.“ Die Versionen, die er zusammengesammelt hat, zum Beispiel auf deutsch und begleitet von Super-8-Videoaufnahmen aus den 80ern aus West-Berlin, sind noch grotesker als das Original. Charmant.

„Don’t Let Me Down“: Annett Louisan bei der „Blue Album Revue“ in der Großen Freiheit 36, dem Programmhöhepunkt der ersten „Come Together Experience“.
„Don’t Let Me Down“: Annett Louisan bei der „Blue Album Revue“ in der Großen Freiheit 36, dem Programmhöhepunkt der ersten „Come Together Experience“. © Ana Way | Anna Wyszomierska

Zugänglicher ist aber die „Blue Album Revue“ in der – bestuhlten – Großen Freiheit 36. Dort spielt eine Band um Nikko Weidemann (Moka Efti Orchestra), Ekki Haas (Erdmöbel), Stefan Rager (The Jeremy Days), Andi Fins (Clueso) und Hans Rohe (Nina Hagen Band) die Lieder der Hitsammlung „1967–1970“ (auch „Blue Album“ genannt): „A Day In The Life“, „Back In The U.S.S.R.“, „Lucy In The Sky With Diamonds“, „The Ballad Of John & Yoko“. Zwischendurch treten Gäste an das Mikro: Michel van Dyke singt „Penny Lane“ und „Lady Madonna“, Dirk Darmstädter fordert „Get Back“, Annett Louisan intoniert „Don’t Let Me Down“ und der Chor Gospel Train schmettert „Hello Goodbye“.

Beatles-Festival: Die Lieder der späten Beatles sind live eine Herausforderung

Dabei können die neu arrangierten, stilistisch variierten oder nah an der Vorlage gespielten Klassiker nicht immer überzeugen. Hier und da schleichen sich vernehmliche Fehler oder lange Pausen ein. Dafür, dass diese Show als „Meilenstein“-Konzert und Festival-Höhepunkt angekündigt ist, bleiben gemischte Eindrücke zurück. Allerdings waren die Fab Four ab 1967 auch keine Liveband mehr, die Lieder von Alben wie „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ auf einer Bühne zu stemmen, ist immer eine Herausforderung. „I hope we passed the audition“ („Ich hoffe, wir haben das Vorspielen bestanden“), zitiert Dirk Darmstädter John Lennons Spruch vom letzten Beatles-Auftritt 1969 auf dem Dach von Apple Corps. Dem Applaus im Saal nach haben sie locker bestanden.

Unten im Kaiserkeller widmen sich die Them Beatles aus England dem „Roten Album“, den Songs der Jahre 1962 bis 1966. Das Quartett gehört zu den renommiertesten Beatles-Tribut-Bands, und das zu Recht: Bei „Love Me Do“, „Please Please Me“ oder „From Me To You“ gleichen sie in Ton, Gestik und Mimik beeindruckend ihren historischen Vorbildern, vom Harmoniegesang bis zu Pauls markantem Kopfschütteln.

Beatles-Festival: Die „Come Together Experience“ zeigte viel Potenzial

Aber man muss die Liverpooler nicht eins zu eins kopieren, um den Geist von damals heraufzubeschwören. Das zeigt mal wieder Bambi Kino im Indra. Die New Yorker aus dem Umfeld der Indie-Bands Nada Surf und Cat Power zelebrieren seit 2010 die Beatles der Hamburg- und Cavern-Club-Phase mit Rock’n’Roll-Klassikern von Buddy Holly und Carl Perkins und frühen Beatles-Kompositionen wie „One After 909“. Das macht Schau ebenso Schau

Die Stadt, in der die Beatles erwachsen und bühnenreif wurden, hat seit vielen Jahren ein Fab-Festival verdient. Und die erste „Come Together Experience“, vom Musikstadtfonds mit 70.000 Euro unterstützt, wird dem Potenzial des Themas in vielerlei Hinsicht durchaus gerecht. Darauf kann man aufbauen, auch wenn auf St. Pauli noch keine Beatlemania herrscht. Deshalb sollte man das Festival nicht abschreiben. „Gitarrenbands geraten aus der Mode“, so wurden die Beatles 1962 von der Plattenfirma Decca abgelehnt. Aha.