Hamburg. All-Star-Truppe um Alice Cooper, Johnny Depp und Joe Perry feierte im Stadtpark Rocklegenden – mit einer tollen Geste für Jeff Beck.
- Ende Juni hatte der Hamburger Stadtpark waschechte Weltstars zu Gast
- Johnny Depp und Alice Cooper standen gemeinsam mit ihrer Band „Hollywood Vampires“ bei den Stadtpark-Konzerten auf der Bühne
- Tausende Fans kamen, um die „teuerste Coverband der Welt“ zu sehen
Kunstblut hält offensichtlich jung, anders ist das Pensum von US-Schockrock-Pionier Alice Cooper nicht zu erklären. Der gute „(No More) Mister Nice Guy“ ist jetzt stabile 75 Jahre alt veröffentlicht Ende August sein neues Album „Road“, arbeitet bereits am nächsten sowie an einem Musical, geht demnächst auf Tour – und hat trotzdem noch Zeit, am Dienstag mit seinen Kumpels von den Hollywood Vampires im ausverkauften Stadtpark zu spielen.
Nach ihrem Hamburg-Debüt 2018 ist sie wieder da, die selbsternannte „teuerste Coverband der Welt“, was nur zum Teil stimmt. Ja, die Karten waren unverschämt happig eingepreist, 85 bis 120 Euro, neben Cat Stevens (115 Euro) der teuerste Abend der diesjährigen Stadtpark-Saison, aber dennoch sind die Hollywood Vampires mittlerweile mehr als eine Coverband.
Hollywood Vampires: Die teuerste Coverband der Welt spielt im Stadtpark
Wie vor fünf Jahren steigen sie mit zwei Eigenkompositionen, dem ellenlangen Rocker „I Want My Now“ und „Raise The Dead“ ein. 20 Nebelwerfer verqualmen die Bühne, es gibt eine Videoleinwand, ansonsten bestimmt ein Tetris-Haufen bunt zusammengewürfelter Vintage-Verstärker und -Boxen das Bild. Das ist schon eine ungewöhnliche Bande.
Die meisten der 4000 Augenpaare und eindeutig betexteten Plakate richten sich natürlich auf Leinwandstar Johnny Depp an der Gitarre und dann und wann am Mikro, der trotz zahlreicher Drogen- und Alkoholexzesse und einer erbitterten Scheidungsschlacht im Vergleich vielleicht doch der Waisenknabe auf der Bühne ist.
Hollywood Vampires im Stadtpark: Angerückt mit acht Tourbussen und zwei Trucks
Dafür spricht schon der Gründungsmythos der Hollywood Vampires. So nannte Alice Cooper bereits in den 70er-Jahren eine lose Sammlung befreundeter Musiker, die sich zum gemeinsamen Zechen und Drogen ballern in der Rainbow Bar in Los Angeles trafen: die Ex-Beatles Ringo Starr und John Lennon, The-Who-Trommler Keith Moon, Monkees-Schlagzeuger Micky Dolenz und Popbarde Harry Nilsson. Klingt nach Spaß, war es aber nicht. Cooper war seinerzeit schwer alkoholabhängig, ebenso Moon, der 1978 nach einer Medikamentenüberdosis starb.
Zuviel Sex, Drugs und Rock’n’Roll. Die Rechnung dafür zahlten einige mit dem Leben. Jim Morrison von den Doors, Johnny Thunders, Bon Scott von AC/DC, mit einigen Jahren Verzug auch David Bowie oder Paul Raven von Killing Joke. Ihnen und weiteren verlorenen Rocklegenden wie John Bonham von Led Zeppelin und Jimi Hendrix gedenken die neu gegründeten Hollywood Vampires seit 2012, spielen ihre Songs und zelebrieren das (Über)Leben.
Hollywood Vampires in Hamburg: Als hätten sie noch viele Jahre vor sich
Der Kern der mit acht Tourbussen und zwei Trucks angerückten Truppe, der sich in früheren Jahren auch Paul McCartney, Dave Grohl, Slash, Joe Walsh und viele weitere für ein, zwei Aufnahmen oder Auftritte anschlossen, steht in Winterhudes grünem Rund als Triumvirat des Superstartums: Neben Alice Cooper am Gesang und Hollywood-Ikone Johnny Depp („Fluch der Karibik“, „Edward mit den Scherenhänden“) ist Joe Perry dabei, Gitarrist von Aerosmith. Die Rockgiganten der 70er- und 90er-Jahre sind seit elf Jahren nicht mehr aktiv, kündigten aber für September 2023 den Beginn ihrer Abschiedstournee an.
Die Vampires hingegen wirken, als hätten sie noch viele Jahre vor sich. Hörbar eingespielter als 2018 covern sie Coopers Klassiker „I’m Eighteen“, „Five To One” und „Break On Through” von The Doors und - mit Cooper an der Gitarre und Perry am Mikro – „You Can’t Put Your Arms Round A Memory” von Johnny Thunders. Umrahmt werden die Lieder von den Eigenkompositionen „The Boogieman Surprise“ und „My Dead Drunk Friends”.
Hollywood Vampires: „Who’s Laughing Now“ – Die Herren haben Spaß
Nach The Whos „Baba O’Riley” bekommt Chris Wyse ein Bass-Solo. Der Tieftöner von Ozzy Osbourne und Ex-KISS-Gitarrist Ace Frehley ist zwar ebenso wie Schlagzeuger Glen Sobel (Coopers Tourtrommler seit 2011), der dritte Gitarrist Tommy Henriksen (aus Alice Coopers Bandkader) und Keyboarder Buck Johnson nicht so prominent wie die drei Obervampire, hält aber mit den anderen seit Jahren fein den Laden zusammen. „Who’s Laughing Now“, die Herren haben Spaß. Joe Perry kramt am Rand der Grasnarbe in der großen Kiste der Aerosmith-Posen und Alice Cooper freut sich, mal nicht wie in seinen Shows dauernd hingerichtet zu werden.
Zwei Alben haben Cooper, Depp und Perry aufgenommen, „Hollywood Vampires“ (2015) überwiegend mit Coversongs und „Rise“ (2019) zum Großteil mit Liedern aus eigener Feder, nicht wenige aus der von Johnny Depp. Seit er zwölf Jahre jung war, spielte er Gitarre in diversen Bands und für viele Künstlerinnen und Künstler und genießt es, wenn man Cooper glauben darf, einfach nur ein Musiker zu sein. Seine Lieblingsrolle, die keine Rolle ist.
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Arme und Stimmung steigen im Stadtpark bei Hits in die Höhe
Aber die Arme und die Stimmung steigen im Stadtpark natürlich bei Hits in die Höhe. „The Jack“ von AC/DC, „Heroes“ von David Bowie und gesungen von Johnny Depp, „Bright Light Fright” und „Walk This Way“ von Aerosmith, das hat was von einem Schülerband-Garagenjam auf Zuruf, und auch die jüngst gestorbenen Legenden werden nicht vergessen: Joe Perry würdigt Jeff Beck, im Januar von uns gegangen, auf Becks weißer Stratocaster, die während des Konzerts wie eine Altarkerze auf der Bühne ausgestellt wird. Eine tolle Geste.
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Am Ende der 95 Minuten hat die Schülerband, die keine ist, sondern eine Gemeinschaft altgedienter Könner, natürlich den passenden Song als Rausschmeißer aus dem Stadtpark parat: Alice Cooper singt im weißen Frack und Zylinder „School’s Out“ und „Another Brick In The Wall“ und stellt die Band vor. Dann ist die Schule ist vorbei. Hoffentlich nur für den Rest des Sommers und nicht für immer.