Hamburg. Die Hamburger Sängerin stellte ihr neues Album „Babyblue“ im ausverkauften Großen Saal vor, ging volles Risiko – und brillierte.
„Die schönsten Wege sind aus Holz“, singt Annett Louisan am Ende ihres Konzerts am Dienstag in der Elbphilharmonie, und fasst damit wohl ihre eigenen Eindrücke von diesem Abend zusammen. Zwei Stunden lang drehte sie Runde um Runde auf dem Parkett, um auch ja jeden im fast ausverkauften Saal (an der Abendkasse gab es noch exakt ein Ticket) zu erreichen. Und das mit Erfolg, wie die Standing Ovations nach der fünften Zugabe betonen.
Annett Louisan in der Elbphilharmonie: Ein nahezu perfekter Auftritt
Es ist nicht der erste Auftritt der Hamburger Sängerin im Großen Saal, aber der nahezu perfekte. Gut, dass es Kameras aufzeichnen. 2019 wirkte Louisan zu Beginn fast derilierend lampenfiebrig, ihre Stimme ging in der ersten Hälfte unter, es war eine Achterbahnfahrt.
Dieses Mal hingegen, mit ausgefeilter Vorabplanung und einer neuen, achtköpfigen Band inklusive Streichern im Rücken, ist Louisan die „mit allen Wassern gewaschene, durch alle Kneipen der Stadt geschliffene und durch zahlreiche Höhen und einige Tiefen gegangene Künstlerin“, die vor vier Jahren in der Elbphilharmonie vermisst wurde.
Für „Babyblue“ zieht Annett Louisan ihre Schuhe aus
Dabei macht sie es sich alles andere als einfach, geht nicht auf Nummer sicher. In der ersten Konzerthälfte feiert nicht nur die Band Premiere, es ist auch das Releasekonzert des neuen Albums „Babyblue“, das in kompletter Länge präsentiert wird, von „Die mittleren Jahre“ über „Arsch“ bis „Wenn ich einmal sterben sollte“.
Dazwischen unterhalten Anekdoten wie Louisans Ausflug in Susis Show Bar, wo Scooter-Partyviech H.P. Baxxter sie angeblich auf einer Sektrechnung von 900 Euro sitzen ließ. Immerhin gab es dort Tische für die Getränke, in der Elbphilharmonie muss sie sich im engen Abendkleid und auf hohen Schuhen zur Wasserflasche bücken.
Jeder gönnt ihr daher ein paar Barfuß-Minuten bei „Babyblue“. Der Applaus ist verdient. Die Musikerinnen und Musiker spielen hervorragend, Louisan singt hervorragend und auch die Akustik überzeugt zumindest auf den frontalen Plätzen. Nur Louisans Produzent Tim Tautorat geht beim Duett „Zuckerbrot und Peitsche“ etwas unter.
Sogar dem ersten Hit „Das Spiel“ werden neue Facetten entlockt
Nach der Pause verspricht Louisan „Hits“, und liefert: „Das alles wär nie passiert“ (ohne Prosecco), „Two Shades Of Torsten“, „Du fehlst mir so“, „Drück die 1“. Die lustigen Momente sind ebenso stimmig wie die leisen, ob mit Band oder Gastmusiker Tristan Brusch. Sogar dem so oft gehörten, bald 20 Jahre alten ersten Hit von Annett Louisan, „Das Spiel“, werden noch neue Facetten entlockt.
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Da ist es kein Wunder, dass sowohl die Band, die den Zugabenteil mit einer langen Jazzimprovisation beginnt, noch Louisan vom Publikum von der Bühne gelassen wird. Also marschieren sie Extrarunde um Extrarunde. Wie gesagt: „Die schönsten Wege sind aus Holz“, und das so schön, dass ihr am Ende sogar die Tränen kommen: „Das war das schönste Konzert meines Lebens“, seufzt sie. Dabei ist sie erst „in den mittleren Jahren“. Da geht noch was.