Hamburg. Exquisites Programm aus Brahms und Dvořák beim Argerich Festival in der viel zu schlecht besuchten Laeiszhalle.

Er ist das, was im 19. Jahrhundert ganz normal war und was heute fast komplett aus der Mode gekommen ist: ein Universalmusiker. Mikhail Pletnev: Pianist, Dirigent und Komponist. Und er ist der Einzige der illustren Pianisten (Trifonov, Barenboim) beim diesjährigen Martha Argerich Festival, der ein Solo-Recital gab, jetzt in der viel zu schlecht besuchten Laeiszhalle. Dabei war das Programm exquisit: Die Kombination Brahms und Dvořák hört man selten.

Brahms war bekanntlich ein Mentor von Dvořák, seine Rhapsodie h-Moll, einige Intermezzi (Op. 117/118) und die Ballade g-Moll waren die bekannteren Werke des Abends. Dvořáks Humoresken dagegen, die „Poetischen Stimmungsbilder“ oder Klavierstücke mit dem fremden Titel „Eclogue“ sind echte Raritäten. Sie standen im Zentrum, 18 relativ kurze Charakterstücke wurden von sechs Brahms-Stücken „unterbrochen“.

Argerich Festival: Pianist Pletnev holte alles aus seinem Kawai-Flügel heraus

Beide Konzerthälften gestaltete Pletnev als einen Bogen. Nach der eröffnenden Brahms-Rhapsodie hob er nur kurz die Hand, um anzuzeigen, dass nicht applaudiert werden sollte. So entstand ein sehr dichtes Konzert. Vor allem bei den verinnerlichten, oft auch liedhaften, manchmal folkloristischen Werken wehte ein poetischer Zauber durch den Saal.

Kaum zu glauben, welche dynamischen und farblichen Nuancen Pletnev noch im leisesten Pianissimo aus dem Kawai-Flügel holte. Im kräftigen, an diesem Abend aber seltenen Forte, etwa bei Brahms‘ Rhapsodie und Ballade, kam das Instrument, so schien es, an Grenzen (die man bei Steinway oder Bösendorfer nicht kennt); der Klang wurde stumpf.

Argerich Festival: gekonnter Spannungsbogen, aber ohne Zugaben

An Pletnev lag’s nicht. Der Abend war eine faszinierende Reise durch verschiedene Stimmungen. Zauberhaft mit welcher Noblesse Mikhail Pletnev die auch immer ein wenig melancholischen Humoresken spielte. Gekonnt wie ihm der Spannungsbogen der zarten Melodien gelang, etwa in dem an Chopin erinnernden „Klagenden Gedenken“ aus den „Poetischen Stimmungsbildern, atemberaubend aus demselben Zyklus das virtuose „Bacchanale“.

Zwei kontrastreiche Zugaben, das singende Chopin Nocturne Es-Dur und eine charmante, mit glitzernden Läufen gespickte Etüde von Moszkowski, rundeten den inspirierenden Abend ab. Das Publikum wollte noch mehr Zugaben, aber Pletnev schob den Klavierstuhl unter den Flügel.