Hamburg. Martha Argerich, Daniil Trifonov und Sergei Babayan spielten in der Laeiszhalle – ein drei-, vier-, fünffach besonderer Abend.

„Was finden Leute so toll an Rachmaninow?“, wunderte sich die Pianistin Angela Hewitt, nicht völlig ernst gemeint, im frisch erschienenen Interview mit dem Klassik-Magazin „VAN“: „So viele Töne, und er endet andauernd mit ,dum-ba-da-dum‘.“ Ein schöner Zufall, denn mit dem zweiten Abend des Martha-Argerich-Festivals – nun wieder „zurück“ im Großen Saal der Laeiszhalle – gab sie gemeinsam mit zwei Gleichgesinnten überwältigend überzeugende Antworten auf diese nur ganz leicht gemeine rhetorische Frage.

Kann es in Argerichs randvollem Lebenslauf noch Premieren geben? Dieses Konzert war tatsächlich eine: ihr erster öffentlicher Auftritt mit dem ein halbes Jahrhundert jüngeren Daniil Trifonov. Und weil der noch ein krankheitshalber abgesagtes Recital mit seinem Lehrer Sergei Babayan nachzuholen hatte, war der Abend doppelt speziell.

Drei-, vier-, fünffach besonders wurde er im Verlauf des Konzerts. Denn wer, erst recht in dieser Virtuosen-Gewichtsklasse, kennt oder spielt schon den Auftakt des Abends, Schumanns Andante und Variationen op. 46 für die verwegen ungewöhnliche Besetzung zwei Klaviere, zwei Celli und Horn?

Argerich-Festival in der Laeiszhalle: sechs Hände und sehr, sehr viel Rachmaninow

Viel mehr als Melancholie-Glasur oder kleine Stimmungsaufheller-Momente hatte Schumann den drei Symphoniker-Musikerinnen dabei allerdings nicht auf die Notenpulte vererbt; die poetisch versonnene Hauptarbeit am dicht gewobenen, romantisch versponnenen Material übernahmen Argerich und Trifonov, die so gut miteinander harmonierten, als wären sie ein seit Jahren fest aufeinander eingespieltes Duo.

Danach schnell noch ein fingerflink dahingezaubertes Mozart-Portiönchen gemeinsam mit Babayan, und das war es dann auch, zumindest für diesen langen Abend, mit der aktiven Bühnenpräsenz der Festival-Chefin.

Was folgte, war ein wahres Notengewitter, für das Trifonov und Babayan, an unkonventionell gegeneinander aufgestellten Flügeln, Platz nahmen und sich gegenseitig anspornten und formvollendend ergänzten. Rachmaninow übersatt.

Dass er einiges davon für den Privatgebrauch mit Vladimir Horowitz zu Papier brachte, hört man den Werken an. Zunächst die erste der beiden Klaviersuiten, die sich tief vor dem Tondichter Tschaikowsky verbeugt. Danach die zweite Suite, ein Geschicklichkeits-Parcours für tatsächlich nur 20 Finger, in dem so ziemlich keine spieltechnische Schikane ausgelassen wurde. Aber alles kein Problem für die beiden.

Argerich-Festival in der Laeiszhalle: Noten genug für drei Recitals

Als Abrundung die Klavierfassung der „Symphonischen Tänze“, in denen Rachmaninow von den Ausführenden mal eben verlangt, die Feinheiten und Schattierungen eines sehr großen Orchesterapparats auf nur zwei Tasteninstrumenten überzeugend nachzubilden. Und weil man auf drei Beinen nicht stehen kann: auch die vom restlos begeisterten Saal herbeiapplaudierte Zugabe – Rachmaninow, das Adagio aus der Zweiten, in die zwei schon höchst strapazierten Flügel bezaubernd hineinkomprimiert.

Noten genug für drei Recitals also, ausreichend, um jeden Rachmaninow-Neuling, der noch nicht von der Kraft und Feinfühligkeit dieser beiden Pianisten überzeugt war, restlos schwindlig zu spielen. Und während Trifonov, am hinteren Flügel oft nur zu ahnen, rechtschaffen leicht mitgenommen und sehr selig an den Bühnenrand trat, um sich feiern zu lassen, wirkte Babayan geradezu frisch und unausgelastet.

Nächstes Argerich-Konzert: 23.6., 19.30 Uhr, u. a. mit dem Geiger Maxim Vengerov und Werken von Grieg, Weinberg und Franck, Laeiszhalle, Gr. Saal. Nächstes Festival-Konzert: 22.6., 19.30 Uhr, Klavier-Recital Mikhail Pletnev. Werke von Brahms und Dvorak, Laeiszhalle, Gr. Saal. Festival-Infos:www.symphonikerhamburg.de.