Hamburg. Der russische Pianist spielte Tschaikowskys 1. Klavierkonzert in der Elbphilharmonie – ohne sichtbare Anstrengung.

Bei seinen Konzerten kann sich der Pianist Mikhail Pletnev tatsächlich zweiteilen: Der größere Teil von ihm sitzt tiefenentspannt am Flügel, parkt sich an der Rückenlehne seines Stuhls und sieht seelenruhig und physisch nahezu unbewegt zu, wie diese zehn Finger vor seinen Augen die tollsten Kunststücke mit Kunst-Stücken vollbringen.

Das war schon bei Pletnevs Philharmoniker-Gastspiel mit dem Schumann-Konzert im April 2018 ein Erlebnis; jetzt, mit dem von ihm gegründeten Russian National Orchestra, war es Tschaikowskys 1. Klavierkonzert, bei dem Pletnev im Großen Saal der Elbphilharmonie nie auch nur in weite Entfernung tatsächlich sichtbarer Anstrengung geriet. Und hörbar ins hektische Schleudern kam er ohnehin an keiner einzigen der vielen heikel schönen Stellen, die dieses Nationalheiligtum fordert.

„Sheherazade“-Suite von Rimsky-Korsakow: ein großes, prächtiges Ohrenkino

Ein Aspekt dieser erstaunlich souveränen Leistung dürfte aber auch sein, dass er sich mit seinem Instrument so sehr verbunden fühlt. Pletnev und sein Shigeru-Kawai-Flügel, das ist gerade bei großem spätromantischen Repertoire eine interessante Kombination, denn der Klang ist anders als von einem Steinway gewohnt: metallischer, breiter, saftiger und voluminöser, ohne Furcht davor, womöglich vom aufbrausenden Tutti-Geschehen auf ein Nebengleis gespielt zu werden. Pletnev kostete also mit großer Übersicht alles aus und erwies sich als virtuoser Erzähler, der sich und seine Virtuosität dem Orchester nicht aufdrängt, sondern generös und geschmeidig mitspielt.

Für das pletnevlose Programm nach der Pause hatte das RNO die „Sheherazade“-Suite von Rimsky-Korsakow ins Tournee-Reisegepäck gelegt. Kirill Karabits machte daraus nicht mehr als das, was es ist, er dirigierte großes, prächtiges Ohrenkino. Doch wie schon so manches Durchreise-Orchester vor ihm erlebte auch dieses Ensemble immer wieder Überraschungen damit, wie schnell bei Solo-Stellen in diesem Hamburger Saal ein schon ziemlich leise immer noch etwas zu laut sein kann.