Hamburg. Trifonov spielt einen Liederabend? Ungewöhnlich. Zusammen mit Bariton Matthias Goerne wurde das Konzert vor allem: unvergesslich.
Warum nur tut die Liebe so weh? In jedem Herzschmerz-Popsong schwingt eine Ahnung von ihrer existenziellen Tragweite mit. Daniil Trifonov und Matthias Goerne leuchten bei ihrem Liederabend in der Laeiszhalle in alle Winkel und Abgründe des Verhältnisses von Liebe und Tod.
Moment, der Pianist Daniil Trifonov gibt einen Liederabend? Der ist doch für Chopin, Liszt, schweres russisches Repertoire bekannt? Matthias Goernes künstlerische Konzepte sind so eigenwillig wie das Timbre seiner Baritonstimme. Statt sich mit einem Pianisten zum festen Duo zu verschwören, arbeitet er bewusst mit wechselnden Partnern und darunter auch solchen, die bis dahin nicht als Liedpianisten hervorgetreten sind.
Daniil Trifonov: Publikum in der Laeiszhalle lauscht gebannt
Das Ergebnis ist ein Abend, der einem den Atem schier verschlägt. Das fängt damit an, dass die beiden ihr eineinhalbstündiges Programm wie an einer Schnur durchziehen. Sowieso ohne Pause, aber auch ohne zwischen den Liedgruppen abzusetzen. Als hätten sie Angst, dass das Publikum stören könnte, womöglich applaudieren. Dabei ist dieses – leider nicht besonders große – Publikum so aufmerksam, wie es dem Lied gebührt.
Trifonov berückt die Anwesenden schon bei den ersten, spärlich gesetzten Basstönen aus Alban Bergs Vier Liedern op. 2 mit seinem unvergleichlich freien, reichen Klavierklang. Er ist dem alten Liedhasen Goerne ein engagiertes, eigenwilliges Gegenüber. Makellos atmen und phrasieren die beiden zusammen, reichen einander die Gedanken an. Jede Silbe formt Matthias Goerne, gibt ihr ihre Bedeutung und ihren spezifischen Farbwert.
Trifonov und Goerne: So tastend, so verzweifelt
Das resigniert-dissonante Ende von „Warm die Lüfte“ geht über in die ersten Takte von Schumanns „Dichterliebe“. Hat man „Im wunderschönen Monat Mai“ je so tastend, so verzweifelt gehört? Die beiden betten den Zyklus in die Geschichte einer fortwährenden Erschütterung ein. Auch die Michelangelo-Lieder von Hugo Wolf und Dmitri Schostakowitsch folgen diesem Sog der Tiefe.
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Sie münden in „Vier ernste Gesänge“ von Brahms auf biblische Texte. „O Tod, wie wohl tust du!“, heißt es da, bevor Brahms mit „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete“ aus dem berühmten Paulus-Brief der Liebe ein Denkmal setzt. Sie ist eben größer. So ein Zeichen können wir brauchen in diesen Zeiten.