Hamburg. Wettbewerb zur Dekolonisierung des umstrittenen Bauwerks ergab keinen Gewinner. Nun soll in Schulen und Ausstellungen darüber aufgeklärt werden.
Als „Koloss im Alten Elbpark“ wird die gut 34 Meter hohe Statue des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck auf touristischen Hamburg-Seiten im Netz angepriesen. Das Rätsel um die Katakomben wird dort ebenso thematisiert wie sein „sagenumwobener“ Blick gen Hafen – schließlich habe die Stadt Bismarck unter anderem ihren Freihafen zu verdanken.
Im Zuge von Hamburgs kolonialem Erinnerungskonzept hat sich allerdings der Blick auf den Kanzler geschärft, werden seine „Errungenschaften“ kritisch hinterfragt.
Unter dem Motto „Bismarck neu denken“ hatte die Behörde für Kultur und Medien 2022 zusammen mit der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) einen internationalen Wettbewerb ausgerufen, um die komplexen Bezüge des Denkmals zu Kolonialismus, Nationalsozialismus, Diskriminierung und Fragen der sozialen Gerechtigkeit sichtbar zu machen. Am Ende sollte eine künstlerische Idee für eine kritische und aktuelle Betrachtung des Monuments realisiert werden.
Bismarck-Statue: Wie geht’s mit dem Denkmal im Alten Elbpark weiter?
Eine unabhängige Fachjury, bestehend aus 13 Expertinnen und Experten aus Kunst, Kultur und Wissenschaft, darunter Hamburgs ehemalige Kultursenatorin Christina Weiss und der Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma sowie SHMH-Vorstand Hans-Jörg Czech, hatte sich intensiv mit den eingereichten Vorschlägen auseinandergesetzt. Und war letztlich zum Entschluss gekommen, dass keiner der 76 eingereichten Vorschläge zum Gewinner-Entwurf reicht.
Was laut Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde, zum Beispiel daran lag, dass sich Beiträge nur auf einen Aspekt konzentriert hätten. „Und das wird der komplexen, schwierigen Figur Bismarcks nicht gerecht.“ Auch Ideen wie einen Kletterpark an der Statue anzubringen, scheiterten letztlich an der Machbarkeit – schließlich steht sie seit 1960 unter Denkmalschutz.
Internationaler Ideenwettbewerb ergab keinen Gewinner
Stattdessen wurden acht Beiträge ausgewählt und ihre Urheber aufgefordert, eine differenzierte Ausarbeitung für eine zweite Wettbewerbsrunde einzureichen. Doch auch diese Runde brachte keine eindeutige Entscheidung. Daher entschloss sich die Jury in einer Sitzung am 5. Juli einstimmig, die Preisgelder als Aufwandsentschädigung zu gleichen Teilen an alle acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer der zweiten Runde zu vergeben.
Weiterhin wurde empfohlen, „in einem aufbauenden nächsten Verfahrensschritt den Schwerpunkt des Prozesses stärker auf Vermittlung und gesellschaftlichen Diskurs zu verlagern“, heißt es in einer entsprechenden Pressemitteilung zum Wettbewerbsausgang.
Was das konkret bedeutet, beschreibt Enno Isermann: „In den nächsten Monaten werden wir das koloniale Erinnerungskonzept verabschieden. Dies sieht eine enge Zusammenarbeit mit der Schulbehörde vor. Das heißt, dass die neue Betrachtung Otto von Bismarcks auch in die Unterrichtsmaterialien und Lehrerausbildung integriert werden soll. Und auch die neu konzipierte Dauerausstellung im Museum für Hamburgische Geschichte und im Deutschen Hafenmuseum sollen darauf einzahlen.“
Außerdem sei geplant, am Denkmal selbst einordnende Informationen anzubringen – in der Hoffnung, dass diese nicht gleich wieder von Graffiti überdeckt wird.
Ausstellung präsentiert alle 76 eingereichten Wettbewerbsbeiträge
Ein recht nüchternes Ergebnis für einen solch groß angelegten Ideenwettbewerb. Hätte man sich dieses Verfahren nicht sparen können, auch angesichts der Kosten?
Neben dem Planungsbüro Luchterhand, das das Wettbewerbsverfahren geleitet hat, bekamen die externen Jurymitglieder immerhin ein Honorar von jeweils 2800 Euro. Für Isermann stellt die Diskussion aber „einen Wert an sich“ dar, sie habe „Klarheit für den Umgang mit dem Denkmal“ geschaffen, sei ein „Herantasten an den Koloss Bismarck“ gewesen. „Allein, dass wir so einen aufwendigen Wettbewerb veranstaltet haben, zeigt, wie wichtig das Thema ist. Niemand hat sich so intensiv damit auseinandergesetzt wie wir.“
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Vom 26. Juli bis 20. August werden in der Ausstellung „Hamburg dekolonisieren – Bismarck neu denken“ im Erdgeschoss des Museums für Hamburgische Geschichte alle 76 eingereichten Wettbewerbsbeiträge präsentiert. Dann wird sich die Öffentlichkeit selbst ein Bild davon machen können, welche künstlerischen Ideen es rund um das umstrittene Denkmal gibt. Und ob es nicht doch eine Gewinnerin oder einen Gewinner hätte geben können.
„Hamburg dekolonisieren – Bismarck neu denken“ 26.7.–20.8., Erdgeschoss im Museum für Hamburgische Geschichte (U St. Pauli), Holstenwall 24, Mo, Mi, Fr 10.00–17.00, Sa/So 10.00–18.00, Do 10.00– 21.00, Eintritt 5,-/3,- (erm.), www.shmh.de