Hamburg. Der Schauspieler gibt mit „Frühlings Erwachen“ sein Regiedebüt am Ernst Deutsch Theater. Schon Vater Jörg Pleva inszenierte hier.

Manchmal ist er dieser Tage „fix und fertig“. Im positiven Sinn. Dann liegt ein weiterer Probentag hinter Anton Pleva. Und er geht schon um 21.30 Uhr ins Bett, um am nächsten Morgen den neuen Tag vorzubereiten. Auch das gehört zum Theaterleben.

„Ich habe in meinem Leben nie wirklich etwas anderes gemacht“, sagt er mit dem Anflug eines Lächelns. Anton Pleva ist ein Theaterschaffender, dem das Metier in die Wiege gelegt wurde; er ist mit, neben und hinter der Bühne aufgewachsen. Jetzt wandelt der Sohn des 2013 gestorbenen Jörg Pleva, unter anderem aufgrund spektakulärer Inszenierungen von Molière-Klassikern am Ernst Deutsch Theater in bester Erinnerung, und dessen Hamburger Schauspielkollegin Giulia Follina auf den Spuren seines Vaters.

Ernst Deutsch Theater: Anton Pleva inszeniert „Frühlings Erwachen“

„Zum Glück hat mir mein Vater ein bisschen Talent mitgegeben“, hat Anton Pleva schon vor einigen Jahren dem Abendblatt gesagt. Ein Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg tat sein Übriges. Nun inszeniert Pleva junior mit Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ erstmals in Hamburgs größtem Privattheater; Premiere an der Mundsburg ist an diesem Donnerstag.

Am Ernst Deutsch Theater hat Anton Pleva nach einem festen Engagement am Stadttheater Bielefeld seit 2015 dank seines einfühlsamen, vielschichtigen Spiels sowohl in Charakterrollen als auch im komischem Fach überzeugt. Etwa als Nobelpreisträger James Watson in der deutschsprachigen Erstaufführung des Stücks „Foto 51“ an der Seite von Intendantin Isabella Vértes-Schütter, als Mörder in der bitterbösen Komödie „Adel verpflichtet“ oder in der vergangenen Spielzeit in der Titel- und Wunschrolle im Uralt-Schwank „Charleys Tante“. Die hatte 45 Jahre zuvor sein Vater Jörg komisch bekleidet.

Am Ohnsorg-Theater verkörperte der friedliebende Pleva einen Neonazi

„Auf der Bühne suche ich die Unsicherheit, das Unvorhersehbare“, gewährt Pleva Einblicke in sein Innenleben. Und so ist er bis heute auch an anderen Hamburger Privattheatern ein gern gesehener Gast – wie in der Komödie Winterhude oder am Ohnsorg. Dort hatte der friedliebende Pleva in „Adam sien Appeln“, der plattdeutschen Bühnenfassung des dänischen Kinofilms „Adams Äpfel“, die Titelrolle eines gewalttätigen Neonazis ausgefüllt. Und zuletzt in der packenden Lenz-Adaption „Dat Füerschipp“ als grenzdebiler, durchaus sympathischer kleiner Gangster an der Seite von Oskar Ketelhut auch in einer Nebenrolle Konturen gewonnen.

Bereits während seiner Zeit in Bielefeld hatte Pleva 2012 sein erstes Stück geschrieben und inszeniert: „Erdbeere und die Suche nach dem Sinn“, war unter dem Eindruck der globalen Finanzkrise entstanden. Einen Anstoß zur eigenen Regie in Hamburg hatte Pleva die Schauspielerin Marion Martienzen gegeben. 2017 spielte sie mit Mazen Saleh, einem aus Syrien geflohenen Schauspieler, Autor und Regisseur.

Und Pleva half ihm im Winterhuder Goldbekhaus, dessen Theaterstück „Werkzeuge von morgen“ über Erfahrungen eines Geflüchteten in Deutschland für die Bühne einzurichten. Plevas wertvolle Arbeit blieb auch Martienzen nicht verborgen. Und da Pleva Isabella Vértes-Schütter gut und das Ernst Deutsch Theater als Schauspieler noch besser kannte, ergab sich ein Gespräch über die Regie. Die Chefin schlug ihm Frank Wedekinds Jugenddrama „Frühlings Erwachen“ vor.

Auf der Plattform-Bühne konnte Pleva mit den Sexy Theater Menschen Regie üben

Das saß und traf auch Plevas Nerv. Schon seit fast fünf Jahren hat sich Pleva in dem von ihm und den künftigen EDT-Intendanten Ayla Yeginer und Daniel Schütter (zur Spielzeit 2025/26) mitgegründeten Kollektiv Sexy Theater Menschen mit politischen Themen wie dem Rechtsruck oder den Hintergründen von Radikalisierungsprozessen befasst. Im dritten Teil der „Megazorn“-Trilogie, wiederum geschrieben und inszeniert von Pleva, hat sich die freie Gruppe unter dem Titel „Das egoistische Megaende von alles“ zuletzt auf der kleinen Plattform-Bühne des Ernst Deutsch Theaters insbesondere der drohenden Klimakatastrophe gewidmet.

„Da konnte ich üben, üben, üben“, so der 40-Jährige – er ist dankbar für die Chancen, die ihm die Nachwuchsbühne geboten hat. „Comedy, gekreuzt mit wissenschaftlichen Hintergründen – und Textbuch in der Hand“, nennt er jene Arbeit. Dass die Schauspielerinnen und Schauspieler ihre Texte in nur wenigen Tagen auswendig lernten, das konnte und wollte er ihnen nicht zumuten. „Das Geld hätten wir nicht bezahlen können.“

Ernst Deutsch Theater: Jungregisseur Pleva spielt auch einen Erwachsenen von „außerhalb“

Anton Pleva sieht sich stets als „Teamplayer“ und ist einer, der die oft am Theater anzutreffende Selbstausbeutung ablehnt. Mit dem jungen Ensemble von „Frühlings Erwachen“ – alle Mitwirkenden kamen damals von Schauspielschulen – hatte er schon vor zwei Jahren sechs Wochen lang geprobt, ehe der zweite Corona-Lockdown die Premiere unmöglich machte. Jetzt sollen knapp drei Wochen bezahlte Probenzeit reichen. Das 1891 von Wedekind geschriebene, aber erst 15 Jahre später zur Uraufführung freigegebene Stück galt damals als Affront gegen die Ideologie der „sittlichen Weltordnung“ und als Angriff auf das Wilhelminische Deutschland.

Sein Konzept sehe vor, dass sechs junge Menschen von heute auf Wedekinds „Frühlings Erwachen“ von anno dazumal treffen, erläutert der Regisseur. Sie spielen alle Figuren des Stücks und somit auch alle Erwachsenen. „Hierdurch zeigen sie uns ihr Bild der Erwachsenen und können der Welt einen Spiegel vorhalten“, meint Pleva. Doch konzeptionell müsse einer der Erwachsenen von „außerhalb“ eingreifen, sodass es doch eine älter zu besetzende Rolle gibt. In der Uraufführung füllte sie Autor Wedekind selbst aus, am Ernst Deutsch Theater ist es für Pleva – in aller Bescheidenheit – „eine konsequente Entscheidung, dass ich diese kleine Rolle übernehme“.

Pleva sieht in „Frühlings Erwachen“ Parallelen zu Themen von Fridays for Future

Sein Ziel sei es „Frühlings Erwachen“ im Sinne Wedekinds für ein heutiges Publikum nachvollziehbar zu machen. So sieht er bei diesem gesellschaftskritischen Drama von einst Parallelen zu Fridays for Future, „weil sie sich gegen die Weltordnung auflehnen“. Und bekennt durchaus Sympathien für die Letzte Generation, „weil die Zukunft der Jugend für den egoistischen Gewinn Einzelner verspielt wird“.

Sein Credo lautet: „Ich möchte das Theater verständlich halten für alle.“ Auch wenn das viel Arbeit vor und nach den Proben sowie eine große Verantwortung für ihn als Regisseur bedeutet.

„Frühlings Erwachen“ Premiere Do 8.6., 19.30, bis 10.7., Ernst Deutsch Theater (U Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten zu 22,- (erm. 9,-) bis 44,- unter T. 22 70 14 20; www.ernst-deutsch-theater.de