Hamburg. Die Intendantin hat zudem drei Verlängerungsoptionen um jeweils ein Jahr. Im September eröffnet sie die neue Saison.

Man solle bloß nicht glauben, dass in der Kulturpolitik irgendwann der Punkt erreicht sei, an dem man sich zurücklehne und die Hände falte, hatte Kultursenator Carsten Brosda nach seinem eigenen Amtsantritt Anfang 2017 zu Protokoll gegeben. Dass nun ausgerechnet die letzten Monate viel Muße zum Händefalten bereit gehalten hätten, kann wohl niemand behaupten.

Umso wohltuender vielleicht, wenn wenigstens personell offenbar alles derart geschmeidig läuft, dass man sich das Zurücklehnen und Händefalten jedenfalls in diesem speziellen Fall dann doch ganz gut vorstellen kann: Die Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier bleibt.

Karin Beier bleibt mindestens bis 2025 Intendantin des Schauspielhauses

Bis zum Jahr 2023 lief ihre Vertragsoption (übrigens die erste Amtshandlung des damals frisch gekürten Senators); dass sie diese ziehen würde, hatte Karin Beier bereits angekündigt. Nun soll die 54-Jährige mindestens bis 2025 Hamburgs größte Sprechtheaterbühne führen, wie Carsten Brosda bestätigte.

Anschließend wurden gleich drei Optionen auf Verlängerungen um jeweils ein weiteres Jahr verabredet. „Unter Karin Beier hat das Schauspielhaus eine hervorragende Entwicklung genommen“, begründet Brosda die Entscheidung, der der Aufsichtsrat formal noch zustimmen muss, und hebt die künstlerischen Positionen, die gesellschaftliche Relevanz und den Publikumserfolg hervor. „Auf dieser Grundlage lässt sich eine große Zukunft für das Schauspielhaus bauen.“ Er freue sich „auf viele wertvolle Impulse über das Theater hinaus“.

Brosdas Strategie nicht nur am Schauspielhaus: Kontinuität

Schon im April hatte Karin Beier dem NDR signalisiert, dass das Schauspielhaus vermutlich ihre letzte Station als Intendantin sein werde: „Im Moment habe ich nicht die Kraft und auch nicht den inneren Drive zu wechseln, und das hat einfach eine Menge mit dem Hamburger Schauspielhaus zu tun.“ Sie habe „ein schönes Angebot aus München“ abgelehnt, außerdem eines aus Berlin. „Ich reagiere einfach sehr stark auf Gebäude, und das Hamburger Schauspielhaus ist nicht zu toppen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Leitungspositionen in Fußballvereinen neu zu besetzen, ist kein senatorables Hoheitsgebiet (sonst hätte Sportsenator Andy Grote noch ganz andere Probleme). Aber womöglich schielt manch Zweitligist nicht ohne Neid auf eine personelle Strategie des Kultursenators: Kontinuität. Ballettchef John Neumeier wurde 2018 trotz seines hohen Alters bis Sommer 2023 verlängert, der Vertrag von Joachim Lux (Thalia) läuft bis 2024, ebenso wie der des Generalintendanten Christoph Lieben-Seutter (Elbphilharmonie/Laeiszhalle), der vorzeitig verlängert hatte. Filmfestchef Albert Wiederspiel ist bis Ende 2023 im Amt bestätigt, Amelie Deuflhard bleibt bis mindestens 2022 auf Kampnagel, hier dürfte demnächst ebenfalls über eine Verlängerung gesprochen werden.

Karin Beiers größter Erfolg in Hamburg: Houellebecqs "Unterwerfung"

Karin Beier leitet das Schauspielhaus seit der Spielzeit 2013/14, vorher war sie Intendantin am Schauspiel Köln. Während ihrer Hamburger Zeit wurden zahlreiche Inszenierungen zum Berliner Theatertreffen eingeladen, darunter „Schiff der Träume“ nach einem Fellini-Film (eine Beier-Inszenierung) und „Am Königsweg“ von Elfriede Jelinek (Regie: Falk Richter).

Kaum eine Produktion allerdings war so erfolgreich wie Beiers Uraufführung von Michel Houellebecqs Bestseller „Unterwerfung“ mit Edgar Selge, wofür das Haus aufgrund des enormen Andrangs sogar die Stehplätze wieder einführte. Der Erfolg wirkte rückblickend fast wie ein Prolog zum kurz darauf einsetzenden Run auf die Elbphilharmonie und den neuen Stellenwert der Kulturstadt Hamburg.

Saisonstart im September mit Rainald Goetz' "Reich des Todes"

Mit einer weiteren eigenen Uraufführung, diesmal von Rainald Goetz („Reich des Todes“ über die Auswirkungen des 11. September 2001) eröffnet Karin Beier am 11. September die nächste Saison. Kompromisse lässt sie trotz der zu erwartenden Unsicherheiten und Einschränkungen eher nicht gelten. Wie sich die Regisseurin noch in der Woche der pandemiebedingten Theaterschließungen im März zurückzog, um sich mit dem Goetz-Text zu beschäftigen, inhaltlich zu arbeiten, sagt viel über ihr Arbeitsethos aus. Und über die eigene Prioritätensetzung. Denn das stärkste Argument der Intendantin Karin Beier war immer auch die Regisseurin Karin Beier. Das einzige blieb es nie: Beier, die Strukturierte, scheute niemals starke Regie-Handschriften neben der eigenen.

Und noch etwas spricht für diese Führungskraft. Fast mit dem gesamten Ensemble führte Beier, während Proben und Vorstellungen ausgesetzt waren und die Bühnen über Wochen geschlossen blieben, Einzelgespräche. In denen wurde auch ihre Neugier auf die Menschen, mit denen sie arbeitet, und ihr ernsthaftes Interesse an der Situation, das Zweifeln und Hinterfragen, deutlich. Nicht im Intendantenbüro fanden diese Interviews statt, auch nicht per Zoom-Konferenz. Sondern in der Maske, persönlich, vor der Kamera – für ein Publikum.

Theater, signalisierte das, ist nichts ohne Publikum. Zurücklehnen und Händefalten gilt da höchstens im Parkett.