Hamburg. 100. Geburtstag des weltgrößten Klassik-Festivals soll verkleinert stattfinden. Ob das Schauspielhaus dabei ist, steht noch nicht fest.
„Wo der Wille nur erwacht, dort ist schon fast etwas erreicht“, steht auch als Kampfansage gegen das Coronavirus auf der Internetseite der Salzburger Festspiele. Hugo von Hofmannsthal, „Jedermann“-Autor und einer der Festivalgründer. Bislang flüchteten sich die Verantwortlichen ins Jonglieren mit Konjunktiven, seit Kurzem steht fest: Die Salzburger Festspiele 2020 finden statt, vom 1. bis 30. August. Kürzer, später, kleiner, aber: dennoch. Der 100. Geburtstag des größten Klassik-Festivals der Welt fällt nicht aus.
Statt 200 Vorstellungen an 44 Tagen und an 16 Spielstätten soll es 90 Vorstellungen an 30 Tagen und höchstens sechs Spielstätten geben, verändert oder neu. Die Hauptsache ist: machen, spielen, hören, sehen. Unrealisierbare Produktionen dieses Sommers sollen aufs nächste Jahr verschoben werden. Die 100 Jahre des Gründungsstücks „Jedermann“ sollen „selbstverständlich“ am 22. August gefeiert werden, hieß es.
Salzburg will nicht auf die Festival-Hauptsaison verzichten
„Es schmerzt mich, so vielen Künstlerinnen und Künstlern für dieses Jahr absagen zu müssen, mit denen wir besondere Programmkonstellationen erdacht haben. Dennoch freue ich mich, dass wir doch die Möglichkeit bekommen, mit diesen Festspielen ein kraftvolles Zeichen für die Kunst zu setzen“, sagte Intendant Markus Hinterhäuser. „Sie fallen großzügiger aus als vermutet wurde, und es wird Aufführungen aller Genres geben, also auch szenische Produktionen im Musiktheater und im Schauspiel“, zitiert ihn der „Standard“.
Nach den Absagen der kleineren Oster- und der Pfingstfestspiele will man in der krisengebeutelten Touristenstadt nicht auch noch auf die diesmal besonders große Festspiele-Hauptsaison im Sommer verzichten. Anfang Juni will Hinterhäuser seinen Alternativ-Spielplan präsentieren. Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler sagte zu der wochenlang hinausgeschobenen Entscheidung im ORF: „Ich glaube, ich war damit schon ein bisschen Eisbrecherin für die ganze Branche.“
Schauspielhaus wird Shakespeare in Salzburg spielen
Das Deutsche Schauspielhaus aus Hamburg steht nach wie vor mit Karin Henkels Inszenierung von Shakespeares „Richard III.“ im Salzburger Spielplan, Lina Beckmann soll darin die Titelrolle spielen, die Koproduktion am 28. Juli auf der Pernerinsel in Hallein Premiere haben. Der Hamburger Premieren-Termin am 10. Oktober ist fix, betonte Schauspielhaus-Sprecher Wolfgang Kaldenhoff. Weitere Gespräche seien noch zu führen.
In diesen Tagen sollen eigentlich hier die Proben beginnen, die Endproben waren vor Ort in Salzburg geplant. Falls dieser Plan platzt, würde man einzig in Hamburg proben. Die „Salzburger Nachrichten“ hatten am Montag berichtet, dass die Off-Bühne Pernerinsel „voraussichtlich nicht bespielt“ wird.
Corona macht die logistische Meisterleistung noch komplizierter
Schon unter normalen Arbeitsbedingungen sind die Festspiele mit ihrer Dauer-Hektik aus Proben, Konzerten und Vorstellungen mit Künstlern und Gästen aus aller Welt eine logistische Meisterleistung. Jetzt wird alles ungleich komplizierter. Doch kurz vor der Ansage der Festspielleitung hatten der Gesundheitsminister Rudolf Anschober und die Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer neue Lockerungsvorschriften präsentiert, damit war der Weg frei.
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Mit Sondergenehmigung seien ab dem 1. August Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen wieder erlaubt, entweder ein Meter Abstand oder ein freier Sitzplatz, Ausnahmen seien für Maskentragende möglich, das gelte auch für Proben. Bei Freiluftveranstaltungen wie dem „Jedermann“ sind sogar bis zu 1250 Besucher möglich. „Die Abstandsregeln in Österreich werden glücklicherweise etwas großzügiger ausgelegt als in Deutschland“, sagte Hinterhäuser dem BR. Für das benachbarte Bayern hat Ministerpräsident Markus Söder am Montag ab dem 15. Juni eine Obergrenze von nur 50 Menschen verkündet, bei Freiluft-Veranstaltungen ist bei 100 Schluss. Der Wiener Musikverein kündigte Konzerte der Wiener Philharmoniker ab dem 5. Juni an, mit maximal 100 Besuchern.
Was im Programm bleibt und was nicht, steht noch nicht fest
Was von der bisherigen Salzburger Planung ins Rumpf-Sortiment übertragen werden kann und was nicht, steht noch nicht fest. Laut Rabl-Stadler wird sowohl der neue „Don Giovanni“ von Dirigent Teodor Currentzis und Regisseur Romeo Castellucci vertagt als auch Martin Kusejs „Maria Stuart“-Inszenierung, berichtete der „Kurier“. Es heißt, man werde bei den Vorstellungen auf Pausen verzichten, um die Einlasssituation nicht noch weiter zu komplizieren.
Die Zahl der Karten wird von 235.000 auf 70.000 schrumpfen. Etwa 180.000 waren bereits verkauft gewesen, das waren Einnahmen von 24,5 Millionen Euro, ein Rekord, der komplett rückabgewickelt wird. Wer Tickets hatte und keine Erstattung möchte, soll bei der Vergabe neuer Karten bevorzugt werden, heißt es aus Salzburg. Auch das Jubiläumsbudget ist ein anderes: etwa 40 statt knapp 70 Millionen Euro. Die Subventionen – 18,8 Millionen Euro – bleiben unverändert.
Infos: salzburgerfestspiele.at