Hamburg . Bei seinem ersten Philharmonischen Konzert begeisterte der neue Generalmusikdirektor mit Mut und fein gezeichnetem Dirigat.
Seine Reverenz an Johannes Brahms erwies der neue Hamburgische Generalmusikdirektor Kent Nagano schon vor 14 Tagen im Michel mit der Aufführung von dessen Serenade Nr. 1 D-Dur. So konnte er bei der Programmierung seines ersten Philharmonischen Konzerts in der Laeiszhalle guten Gewissens Brahms auslassen – und doch vom ersten bis zum letzten Ton hamburgisch bleiben. Fünf Komponisten aus Geschichte und Gegenwart, deren Leben und Wirken eng mit Hamburg verknüpft ist, lieferten ihm das Material für das gelinde ausufernde, weil nahezu drei Stunden währende Konzerterlebnis am gestrigen Vormittag.
Es zeigte ein weiteres Mal, wie gründlich auf seine neue Wirkungsstadt hin Nagano denkt und wie ernst es ihm mit seiner Suche nach dem hamburgischen Klang ist. Dabei näherte er sich diesem geheimnisvollen Phänomen über einen weiten balkanischen Umweg, denn das „Concert Românesc“ von György Ligeti, der in Hamburg 16 Jahre lang als Kompositionslehrer wirkte, entstand 1951, weit vor seiner Zeit hier im Norden.
Die Philharmoniker brauchten etwas Anlaufzeit, um sich in der ungewohnten Klangsprache sicher zu bewegen. Doch neben Nagano sorgte ihr unerhört souveräner Konzertmeister Konradin Seitzer, der den ganzen Vormittag über in seiner Rolle im Orchester wie in seinem brillanten Spiel regelrecht aufgeblüht wirkte, für rasch erstarkenden Zusammenhalt.
Peter Ruzickas „... ins Offene ...“ für 22 Streicher, ein in seinem splittrigen Raumklang fast skulptural anmutendes, sich zum langen Ende hin ins Lichte verflüchtigendes Stück, spielten die Musiker mit phänomenaler Spannung und Subtilität. Man möchte das Urteil wagen, Ruzicka selbst, der dem Konzert beiwohnte, habe sein Werk kaum je so nuanciert, mutig und dabei so tiefgründig schillernd aufgeführt gehört.
Auf die zwei Gegenwartskomponisten folgte mit Hilfe des Cembalisten Andreas Staier ein sehr schöner Rückgriff auf die beiden großen hamburgischen Musikmeister aus der Barockzeit. So ungewöhnlich der kleine Soloexkurs mit zwei Cembalo-Piècen von Telemann im Rahmen eines Orchesterkonzerts war, so sehr öffnete er den Raum für die Zeit. Höfisch im Klang, bürgerlich in der Gesinnung ließ diese Cembalomusik ein Hamburg imaginieren, das sein Dasein als eine von Fürsten und Königen freie Stadt voller Selbstbewusstsein genoss. C.P.E. Bachs Cembalokonzert c-Moll gestalteten Orchester und Solist im atmenden Dialog.
Grandios in der Feinzeichnung gelang Nagano auch Mahlers 4. Sinfonie. Das Orchester wirkte auf allen Positionen komplett befreit von etwaigen Grauschleiern vergangener Zeit: Ungemein lebendig, kammermusikalisch aufeinander hörend, sauber und klangschön spielend. Dorothea Röschmann krönte den Finalsatz mit ihrem körperreichen, wunderbaren Sopran.
Wiederholung heute, 20 Uhr, Tickets: T. 35 68 68