Zum fünften Jubiläum des größten Clubfestivals Deutschlands wollen 190 Bands aus 20 Ländern drei Tage lang tausende Musikfans begeistern.

Die Veranstalter des Reeperbahn Festivals können sich in diesem Jahr über einen Rekord freuen: Zum fünften Jubiläum des größten Clubfestivals Deutschlands wollen 190 Bands aus 20 Ländern drei Tage lang tausende Musikfans auf dem Hamburger Kiez begeistern. „Wir müssen die Musik aus der virtuellen Welt zurück auf reale Bühnen bringen“, sagte Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) bei der Eröffnung des Festivals am Donnerstag. „Die Tatsache, dass das Reeperbahn Festival jedes Jahr mehr Zuschauer und Musiker anlockt, beweist, dass der Wunsch nach echter Musik besteht.“

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Das genre-übergreifende Festival ist bekannt dafür, schon vielen Newcomern zu Ruhm verholfen zu haben: So trat zum Beispiel der schottische Sänger Paolo Nutini bei der Premiere des Festivals im Jahr 2006 auf und wurde daraufhin weltbekannt. „Was hier gespielt wird, strahlt international aus“, sagte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU). „Hamburg hat schon immer eine einzigartig innovative Musikszene.“

Allerdings treten nicht nur bislang unbekannte Bands in den Clubs rund um die Amüsiermeile auf: Auch die norwegische Sängerin Marit Larsen und die Hamburger Band Fotos sind in diesem Jahr mit von der Partie.

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Für den Musikproduzenten Seymour Stein ist gerade die Mischung aus internationalen Berühmtheiten und Newcomern das Besondere des dreitägigen Musik-Marathons. Hamburg sei zwar nicht die größte Stadt des Landes, habe aber schon immer die lebendigste Seele und den tolerantesten Geist, wenn es um Musik ginge, sagte der US-Amerikaner, der unter anderem Madonna entdeckte. Das Reeperbahn Festival gehört wegen seines besonderen Konzepts und der hamburgeigenen Dichte an Clubs und Theater laut Festivalsprecher Björn Pfarr inzwischen zu den wichtigsten Treffpunkten der Live- Entertainment-Branche.

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Reeperbahn Festival: Pop, komm nach Hamburg

Entspannt über die Messe schlendern und ein bisschen Smalltalk halten, am Nachmittag im Beachclub am Rheinufer die ersten Cocktails schlürfen, abends ein paar Bands ansehen. Aber nur, wenn sie wirklich cool und angesagt sind. Oder gleich auf eine der vielen Partys, Dinners und Empfänge gehen.

Was waren die Zeiten noch selig, damals, als die Nullerjahre begannen und die Musikbranche sich jeden Sommer in Köln zur PopKomm traf. Die Geschäfte florierten, die großen Plattenfirmen überboten sich im Wettbewerb um den spektakulärsten Messestand, die Höhe der Spesenabrechnungen spielte keine Rolle. Als die PopKomm dann 2004 von Köln nach Berlin zog, befand sich der CD-Absatz bereits auf rasanter Talfahrt, statt entspannter Gesichter nur Leichenbittermienen überall. Angekommen war die PopKomm in Berlin auch nie wirklich. Verständnislose Taxifahrer ("Wat'n ditte?") galten als bestes Indiz.

Nachdem die PopKomm im vergangenen Jahr abgesagt wurde und dieses Jahr nur zittrig wieder auf die Beine kam, ist Hamburg plötzlich zum neuen Hotspot der Branche geworden. Reeperbahn Campus heißt das neue Zauberwort. Denn das Bedürfnis nach Austausch und persönlicher Begegnung innerhalb der Branche ist immens geblieben - auch wenn die Spesenbudgets dahinschmelzen wie Softeis im Hochsommer. "Aber es macht mehr Spaß, in Hamburg im noblen East-Hotel direkt auf dem Kiez zu wohnen als 500 Euro für Taxifahrten in Berlin auszugeben", sagt ein Branchen-Insider. Mit seinen Klubs auf der Reeperbahn hat Hamburg einen enormen Standortvorteil gegenüber der Hauptstadt, wo die PopKomm in diesem Jahr auf dem Flugplatz Tempelhof angesiedelt wurde, es aber eine Reihe von Veranstaltungen in weit entfernten Stadtteilen gab.

Reeperbahn Campus, der Branchentreff des Festivals, stieß im vergangenen Jahr erstmals in das Vakuum, das die Absage der PopKomm ausgelöst hatte. In diesem Jahr hat sich das Programm mit 70 Diskussionen und Publikumsveranstaltungen vervielfacht, neben den offiziellen Campus-Locations Schmidt, MuellerMeyerSchulze und Sommersalon werden viele Orte auf der Reeperbahn und am Spielbudenplatz, dem Festival-Zentrum, durch ein Tagesprogramm belebt. Warner Music hat im Hörsaal eine Lounge eingerichtet, die nordeuropäischen Exportbüros laden ins Glanz und Gloria, die Musikverleger ins On Air. Auf dem Spielbudenplatz gibt es eine weitere Lounge, und in Restaurants wie dem Medusa oder dem Schatto Pauli laufen bis zum Sonnabend Tagesprogramme für akkreditierte Campus-Besucher, aber auch für Ticketinhaber des Festivals. "Das Reeperbahn Festival hat den Vorteil der Kompaktheit, es hat den Standortvorteil von Berlin genutzt. Hamburg ist zu einem Muss geworden", sagt Alex Richter, Tourveranstalter etwa von Tokio Hotel.

Die Aufwertung des größten deutschen Klub-Festivals mit den angehängten Campus- und Arts-Programmen, lässt sich auch daran ablesen, dass Kulturstaatsminister Bernd Neumann nach Hamburg kommt, um das Festival heute gemeinsam mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Christoph Ahlhaus zu eröffnen. Auch andere Verbände und Organisationen nutzen Festival und Campus für Zusammenkünfte wie der Bund der Konzertveranstalter (BdV), der sich zu seiner Jahrestagung trifft. Besonders für Konzertagenten ist das Reeperbahn Festival von Beginn an eine wichtige Veranstaltung gewesen, weil sich hier internationale Newcomer-Bands live präsentieren. Dasselbe gilt für deutsche Bands, die im Ausland touren möchten, denn Branchenexperten aus 20 Ländern inklusive USA und Kanada kommen nach Hamburg. Die Canadian Musik Week zum Beispiel hat neun Bands mit nach Hamburg gebracht, die im normalen Programm bzw. bei einem Showcase am Freitagnachmittag im Platzhirsch an der Friedrichstraße spielen.

Die zunehmende internationale Bedeutung des Reeperbahn Festivals lässt sich auch an besonderen Gästen ablesen: Seymour Stein, der Entdecker von Madonna und einer der wichtigsten amerikanischen Pop-Manager, kommt ebenso als Hauptredner nach Hamburg wie die britische Folk-Legende Donovan. Auch das SXSW-Festival aus Austin/Texas, der ganz große Bruder des Reeperbahn Festivals, lädt in diesem Jahr zum ersten Mal zu einem Empfang.

Und dann ist da noch Ray Cokes. Der frühere MTV-Moderator (seine Show "MTV's Most Wanted" erreichte bis zu 60 Millionen Zuschauer in 38 Ländern) ist ein Meister der Stehgreif-Ansagen und fungiert als Bindeglied zwischen Campus und Festival. Von heute an bis Sonnabend stellt er jeden Tag um 17 Uhr im Schmidt-Theater bei "Ray's Reeperbahn Revue" Künstler des Festivals vor, interviewt sie und lädt sie zu einer Unplugged Session. Überraschungen sind garantiert. Wie damals bei MTV, als Robbie Williams beim Bingo die Frage zog: "Würden Sie für Geld nackt posieren?" Williams fackelte nicht lang, hielt seinen nackten Hintern in die Kamera und kassierte zehn Pfund von Cokes.

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Internet: www.reeperbahnfestival.com