Hamburg. Neuer Haushalt beschlossen. Die wichtigsten Fragen: Wofür gibt die Stadt Geld aus? Wer sind Gewinner und Verlierer? Muss Hamburg sparen?
Es ist stets ein besonderer Moment im politischen Betrieb der Hansestadt: Wenn die Bürgerschaft einen neuen Doppelhaushalt verabschiedet, werden fast zwei Jahre Vorarbeit der Behörden und mehrere Monate Beratung im Parlament abgeschlossen. Am Mittwochabend hat die Koalition aus SPD und Grünen den fast 44 Milliarden Euro umfassenden Rekordetat beschlossen, die Opposition stimmte dagegen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen:
Was ist das Besondere am Hamburger Haushalt?
Neben Hessen ist Hamburg das einzige Bundesland, das seinen Etat nach kaufmännischen Grundsätzen aufstellt. Er enthält also auch Rückstellungen (vor allem für Beamten-Pensionen) und Abschreibungen, etwa auf Straßen, Brücken oder Fahrzeuge. Selbst unter diesen erheblich strengeren Maßstäben hat die Stadt in den vergangenen Jahren oft hohe Überschüsse erwirtschaftet, womit unter anderem Schulden getilgt wurden. Davon können die meisten anderen Bundesländer nur träumen.
Mit welchen Ausgaben plant der Senat für die kommenden Jahre?
Da Rückstellungen und Abschreibungen „nicht zahlungswirksam“ sind, spricht der Senat mit Blick auf den Haushalt nicht von „Ausgaben“, sondern von „Gesamtaufwand“. Dieser soll 2025 bei etwa 21,4 Milliarden Euro und 2026 bei rund 22,4 Milliarden liegen – insgesamt hat der Etat also einen Umfang von 43,8 Milliarden Euro.
Zehn Prozent oder 18 Prozent – wie stark wächst der Haushalt?
Nach Senatsangaben wächst der Etat um rund zehn Prozent. Dabei vergleicht er allerdings den letzten Stand des aktuellen Jahres (19,5 Milliarden Euro) mit dem Plan für 2025 (21,4). Legt man dagegen den Umfang des ursprünglich beschlossenen Doppelhaushalts 2023/24 von gut 37 Milliarden Euro neben den neuen Etat (43,8), ist das Wachstum mit rund 18 Prozent fast doppelt so hoch.
Wie ist das enorme Wachstum des Haushalts zu erklären?
So oder so ist der Anstieg ungewöhnlich hoch und geht vor allem auf die hohe Inflation der vergangenen Jahre mit Kostensteigerungen in allen Bereichen zurück. Nach Senatsangaben werden nicht nur die steigenden Personalkosten im öffentlichen Dienst nahezu vollständig ausfinanziert, sondern auch die der „Zuwendungsempfänger“, also Institutionen, die im Auftrag der Stadt tätig sind. „Oberste Priorität war es, die Tarifsteigerungen so auszugleichen, dass keine Kürzungen vorgenommen werden müssen“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
Dass die Personalkosten der Stadt insgesamt auf rund 7,3 Milliarden Euro im Jahr steigen, hat aber auch mit politischen Zielsetzungen zu tun. So sollen in den kommenden beiden Jahren 900 zusätzliche Lehrer eingestellt werden, um bei steigender Schülerzahl die Klassengrößen halten zu können. Und allein das neue kostenlose Schülerticket für den Nahverkehr lässt die Ausgaben um 100 Millionen Euro pro Jahr steigen.
Was sind die Schwerpunkte im Hamburger Haushalt?
Nach Behörden betrachtet sind traditionell die Sozialbehörde (Jahresetat: 5,4 Milliarden Euro) und die Schulbehörde (3,8 Milliarden) die Dickschiffe des Haushalts. Allerdings sagen diese Etats nur bedingt etwas über politische Schwerpunkte aus. So ist die Sozialbehörde zum Beispiel für viele gesetzlichen Leistungen zuständig, bei denen es kaum Spielraum gibt.
Aus dem Sozial-Etat werden aber auch die mehr als 1100 Kitas in der Stadt finanziert, was mittlerweile mit 1,25 Milliarden Euro im Jahr zu Buche schlägt – und das geht auch auf eine politische Entscheidung zurück. Hamburg bot vor zehn Jahren als erstes Bundesland die Grundbetreuung von fünf Stunden täglich kostenlos an, entsprechend stieg der städtische Anteil an den Kita-Kosten.
Auch im Bereich Schule gibt es teilweise politisch gewollte Kosten: So sind die Klassengrößen in Hamburg gedeckelt, was mehr Lehrerinnen und Lehrer erfordert. Und Lehrkräfte an Grundschulen werden seit Kurzem genauso entlohnt wie ihre Kollegen an Gymnasien. Sowohl politisch betrachtet als auch mit Blick auf die Quantität der Ausgaben kann man also feststellen, dass Bildung ein Schwerpunkt im Haushalt ist.
Gibt es Gewinner und Verlierer?
Darüber sagen die nackten Zahlen relativ wenig aus. Es fällt aber auf, dass alle Behördenetats steigen und in fast allen vom Abendblatt abgefragten Bereichen mehr Geld ausgegeben werden soll. Einzig der Etat der Wirtschaftsbehörde bleibt mit 343 Millionen Euro im Jahr 2025 unverändert, erst 2026 steigt er kräftig auf 382 Millionen. Die Behörde selbst verweist darauf, dass sie zum Beispiel keine gesetzlichen Leistungen zu erbringen habe und dementsprechend dafür keine Kostensteigerungen einplanen müsse.
Zu beachten ist auch, dass viele Ausgaben und Investitionen nicht in den Behördenetats abgebildet sind. So wird der Bau der neuen U-Bahn-Linie 5 nicht aus dem kleinen Verkehrsetat finanziert, sondern von der Hochbahn. Ähnlich verhält es sich mit Investitionen in den Hafen, die größtenteils die HHLA oder die Hamburg Port Authority (HPA) stemmen. Und die Subventionen für Sozialwohnungen von bis zu 800 Millionen Euro im Jahr kommen von der Investitions- und Förderbank (IFB) und nicht aus dem Etat der Stadtentwicklungsbehörde. Die Gewinne oder Verluste dieser öffentlichen Unternehmen werden dann überwiegend in der Beteiligungsgesellschaft HGV verrechnet, die der Finanzbehörde untersteht.
Die Konjunktur lahmt – wird Hamburg bald sparen müssen?
Danach sieht es derzeit nicht aus. Dafür muss man zunächst wissen: Der Hamburger Senat plant schon lange nicht mehr auf Basis von Steuerschätzungen, sondern legt für seine Haushalte einen „Trendwert“ zugrunde, der aus den realen Einnahmen der vergangenen 14 Jahre abgeleitet wird. Demnach gilt einerseits: Bis 2029 sollen die Steuereinnahmen zwar kumuliert um rund zehn Milliarden Euro unter den Trendwerten liegen, und dieses fehlende Geld wird man sich im Ernstfall über Kredite besorgen müssen.
Andererseits lagen die Einnahmen der Stadt in den vergangenen Jahren so weit über den Trendwerten, dass sich ein Puffer von mehr als sechs Milliarden Euro auf einem virtuellen „Konjunkturkonto“ angesammelt hat – davon könnte sie einige Jahre zehren, ohne gegen die Schuldenbremse zu verstoßen. Zudem ist völlig offen, ob dieses Szenario so eintritt. In den vergangenen Jahren lief es meist besser als erwartet.
Welche Botschaft verbindet der Senat mit dem Haushalt?
„Sicherheit und Stabilität in unsicheren Zeiten“ – das sei die wichtige Kernbotschaft, betonte Bürgermeister Tschentscher bei der Vorstellung des Etats. Er hob zudem hervor, dass allein die Investitionen von rund zwei auf drei Milliarden Euro pro Jahr steigen sollen.
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„Wir wollen Konjunkturlokomotive sein“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) und betonte: „Zahlreiche Länder müssen dramatische Kürzungen vornehmen, der Bund muss mit einer vorläufigen Haushaltsführung leben – Hamburg steht dagegen auch für die nächsten beiden Jahre auf einem soliden finanziellen Fundament.“
Was kritisiert die Opposition am neuen Etat?
CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer kritisierte vor allem die stark steigenden Ausgaben: „Rot-Grün will zahlreiche einmalige Sondereffekte nutzen, um das Ausgabevolumen deutlich zu steigern. Das ist nicht nachhaltig, sondern sehr kurzsichtig.“ Es brauche mehr Aufgabenkritik und Effizienzsteigerungen. Mit Blick auf die öffentlichen Unternehmen warnte er vor hohen Defiziten und Finanzierungsproblemen.
Die Linke kritisierte dagegen, dass sich der Senat künstlich arm rechne, und forderte höhere Ausgaben zum Beispiel für sozialen Wohnungsbau, Senioren und noch mehr Pädagogen an Schulen. Haushaltsexperte David Stoop: „Wir müssen dringend die soziale Infrastruktur bedarfsgerecht ausbauen und Löhne der hier arbeitenden Menschen stärken.“