Hamburg. Senat will 2025/26 insgesamt 43,8 Milliarden ausgeben. Bürgermeister verspricht „Sicherheit und Stabilität“. Opposition wittert Wahlkampf.
Mit einem neuen Haushalt eine politische Botschaft zu verbinden, damit hat sich Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) mitunter schwergetan. Jede Behörde bekomme halt das, was sie benötige, sagte der frühere Finanzsenator einmal maximal nüchtern über das Zahlenwerk. Als sein rot-grüner Senat an diesem Mittwoch nach dreitägigen Beratungen den neuen Doppelhaushalt für die Jahre 2025 und 2026 beschlossen hatte, war das völlig anders. „Sicherheit und Stabilität in unsicheren Zeiten“ – das sei die wichtige Kernbotschaft des Werks, betonte Tschentscher ausdrücklich.
Während andere Bundesländer angesichts der lahmen Konjunktur und steigender Kosten bereits tief in den roten Zahlen seien und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Ampel zum Sparen verpflichten will, werde Hamburg „nicht in die Krise hineinkürzen“, stellte Tschentscher bei der Vorstellung des Etat-Entwurfs im Rathaus klar. Im Gegenteil: Der Gesamtaufwand steigt um rund zehn Prozent oder 1,9 Milliarden auf 21,4 Milliarden Euro, nachdem er für 2024 bislang mit gut 19,5 Milliarden Euro veranschlagt ist. Für 2026 ist eine weitere Steigerung um knapp 4,4 Prozent auf 22,4 Milliarden Euro geplant. Insgesamt hat dieser Doppelhaushalt also ein Rekordvolumen von mehr als 43 Milliarden Euro.
Neuer Haushalt und ein Rekordhaushalt: So will Hamburg mehr als 43 Milliarden Euro ausgeben
Allein die Investitionen sollen von rund zwei auf drei Milliarden Euro pro Jahr steigen, also um 50 Prozent. Darunter fallen unter anderem große Verkehrsprojekte wie der Bau der neuen U5 und der Ausbau der U4, Dutzende neue Schulen und Hochschulgebäude sowie eine laufende Modernisierung von Straßen, Brücken und anderer Infrastruktur. „Wir wollen Konjunkturlokomotive sein“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Während viele Branchen unter einem Nachfragerückgang litten, gelte in Hamburg: „Die Stadt ist ein verlässlicher Auftraggeber.“ Tschentscher warb um Verständnis für die vielen Baustellen in der Stadt: Er wundere sich, wenn Menschen einerseits einen Glasfaseranschluss fordern, sich dann aber über Leitungsarbeiten beschweren.
Die Ausgabesteigerung geht aber auch auf einen anderen Punkt zurück: höhere Personalkosten. Nach den hohen Tarifabschlüssen im öffentlichen Dienst hat der Senat diese nach eigener Darstellung nahezu vollständig ausfinanziert – und das nicht nur für das direkt bei der Stadt beschäftigte Personal (umgerechnet rund 59.000 Vollzeitstellen), sondern auch für Hochschulen, Landesbetriebe und „Zuwendungsempfänger“, also Institutionen, die im Auftrag der Stadt tätig sind und ebenfalls höhere Personalkosten tragen müssen.
Tschentscher: „Oberste Priorität war es, dass keine Kürzungen vorgenommen werden müssen“
Tschentscher: „Oberste Priorität war es, die Tarifsteigerungen so auszugleichen, dass keine Kürzungen vorgenommen werden müssen.“ Wie Dressel sagte, schlage allein dieser Schritt aufwachsend mit 400 bis 530 Millionen Euro pro Jahr zu Buche. Dass die Personalkosten der Stadt insgesamt auf rund 7,3 Milliarden Euro im Jahr steigen und rund ein Drittel der Ausgaben ausmachen, hat aber auch mit politischen Zielsetzungen zu tun. So sollen allein in den kommenden beiden Jahren 900 zusätzliche Lehrer eingestellt werden, um bei steigender Schülerzahl die Klassengrößen halten zu können. Die Zahl der Polizisten soll auf mehr als 9000 steigen.
Diese Ausgabensteigerung trifft die Stadt in einer finanziell uneinheitlichen Situation: Einerseits blickt Hamburg auf viele gute Jahre zurück, und auch die aktuelle Steuerschätzung sagt ihr, anders als dem Bund und vielen anderen Ländern, leicht steigende Einnahmen voraus. Andererseits sollen diese aber unter dem langjährigen „Steuertrend“ liegen, der sich aus den tatsächlichen Einnahmen der vergangenen 14 Jahre ableitet und für den Senat die Basis für den Haushalt bildet. Wenn diese Prognose so eintritt, würden bis 2028 insgesamt rund 7,5 Milliarden Euro fehlen, die man sich über Kredite besorgen müsste. Vorerst hat der Senat für die kommenden beiden Jahre eine Neuverschuldung von insgesamt zwei Milliarden eingeplant.
Hohe Kreditaufnahme wäre trotz Schuldenbremse erlaubt
Ob es so komme, bleibe abzuwarten, betonten Tschentscher und Dressel und verwiesen darauf, dass die vergangenen Jahre fast immer deutlich besser liefen als erwartet. Erlaubt wäre eine Kreditaufnahme trotz Schuldenbremse jedenfalls, da Hamburg auf ein „atmendes“ System setzt: In guten Jahren müssen Überschüsse zur Schuldentilgung eingesetzt und auf einem virtuellen „Konjunkturkonto“ verbucht werden – es ist derzeit mit mehr als sechs Milliarden Euro im Plus. In schlechten Zeiten, wenn die Steuereinnahmen unter dem Trendwert liegen, dürfen dafür Schulden gemacht werden. Dann wird dieses „Konto“ belastet.
Tschentscher erinnerte daran, dass Hamburg unter seiner Regie als Finanzsenator von 2011 bis 2018 nach Jahren der Haushaltskonsolidierung zum Teil hohe Überschüsse erzielt habe und nun auf einem „starken wirtschaftlichen Fundament“ stehe. Die Krisen der vergangenen Jahre habe man finanziell gut überstanden. „Die Wirtschaft ist in vielen Branchen wieder angesprungen, die Beschäftigung hat mit über einer Million sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen einen historischen Rekordstand“, so der Bürgermeister. Dank hoher Steuereinnahmen habe man sogar die Corona-Kredite bereits vollständig getilgt. Zudem sei Hamburg das einzige Bundesland mit einem auch nach kaufmännischen Grundsätzen ausgeglichenen Haushalt – also inklusive Rückstellungen und Abschreibungen.
Thilo Kleibauer (CDU) kritisiert: Rot-Grün denkt nur an die Bürgerschaftswahl
Die Opposition wollte in diese positive Sichtweise nicht einstimmen. „Mit dem neuen Haushaltsplan will der Senat den Ausgabespielraum deutlich ausweiten“, kritisierte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. Er verglich den Gesamtaufwand von 43,8 Milliarden Euro nicht, wie der Senat, mit dem letzten Stand des Doppelhaushalt 2023/24, sondern mit dem ursprünglich beschlossenen Umfang von gut 37 Milliarden Euro und stellte fest: „Dies sind 18 Prozent oder 6,7 Milliarden Euro mehr, als vor zwei Jahren. Diese massive Ausweitung ist fragwürdig und nicht nachhaltig. Hier bekommt man den Eindruck, dass die rot-grüne Koalition insbesondere nur an den nächsten Wahltermin denkt. Langfristige Haushaltsrisiken werden ausgeblendet.“
Auch die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein übte Kritik: „Bürgermeister und Finanzsenator sind wieder mal voll des Eigenlobs, vor allem wegen des geräuschlosen Verlaufs der rot-grünen Haushaltsberatungen. Dabei ist es kein Wunder, wenn es zwischen den Koalitionspartnern nicht kracht, wenn man nicht wirklich sparen will.“ Dabei wäre das nötig und möglich. So müssten Tarifsteigerungen nicht immer nur mit Mehrausgaben bewältigt werden, sondern ihnen müsse „mit struktureller Aufgabenkritik und Prioritätensetzung begegnet werden“, so Treuenfels-Frowein. „Stattdessen explodiert der Haushalt geradezu um knapp zehn Prozent.“
Neuer Rekordhaushalt soll noch vor der Wahl verabschiedet werden
Die Linkspartei traut den angekündigten Ausgaben dagegen nicht. „Der Senat kündigt mal wieder Rekordinvestitionen an“, stellte ihre Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir fest. Dabei spreche die bisherige Haushaltspolitik eine ganz andere Sprache: „Statt das Geld auf die Straße oder die Schiene zu bringen, wie der Finanzsenator es sagte, blieb es bisher wortwörtlich auf dem Girokonto und wurde sogar zur Tilgung von Krediten verwendet.“ Hamburg brauche aber Investitionen, etwa in die soziale Infrastruktur und in die ökologische Mobilität, so Özdemir. Auch die angekündigten Investitionen in den sozialen Wohnungsbau kaufe sie dem Senat nicht ab: „Dieser Haushalt riecht viel mehr nach Bürgerschaftswahlkampf. Vieles wird verkündet, aber es ist fraglich, ob diese Ankündigungen den Wahltag überleben.“
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Der Etat-Entwurf soll ab September in der Bürgerschaft beraten und dort bis Ende des Jahres verabschiedet werden. Es dürfte eine der letzten großen Entscheidungen der aktuellen Abgeordneten werden, denn Anfang März stehen Bürgerschaftswahlen an.