Hamburg. Mini-Wohnungen zu Maxi-Mieten – davon gibt es immer mehr in der Hansestadt. Was dahinter steckt, was der Senat zu dieser Entwicklung sagt.
- 4530 Euro werden für eine Einzimmerwohnung mit 43 Quadratmetern auf der Uhlenhorst verlangt
- Mittlerweile sind mit Quadratmeterpreisen von 100 Euro und mehr selbst in Randlagen neue Dimensionen erreicht
- In der Harburger Bezirkspolitik sind die möblierten Schuhkartons bereits ein Riesenthema
Die angebotene kleine „Wohnung zur Miete“ ist hell, modern und funktionell möbliert. Doppelbett, Schreibtisch, Stuhl, kleine Küchenzeile, Bad. Fertig. Sehr gepflegt, aber bis auf die zentrale Lage am Rödingsmarkt nichts Besonderes. Doch der Preis ist äußerst speziell: 4976 Euro Warmmiete werden für die 38 Quadratmeter aufgerufen, das entspricht 131 Euro pro Quadratmeter, knapp das Zehnfache dessen, was Neuvermietungen in Hamburg sonst so kosten.
Wer gängige Wohnungsportale durchforstet, findet Hunderte solcher Anzeigen für Hamburg: 4530 Euro für eine Einzimmerwohnung mit 43 Quadratmetern auf der Uhlenhorst, 4440 Euro für 40 Quadratmeter in Barmbek, 2530 Euro für 30 Quadratmeter in Harburg und so weiter. Was alle diese Inserate gemeinsam haben: Die Wohnungen sind möbliert. Denn nur dann sind solche Wuchermieten möglich. Zum Vergleich: Bestandswohnungen in Hamburg kosten durchschnittlich neun bis zehn Euro pro Quadratmeter kalt, bei Neuverträgen muss man mit rund 15 Euro rechnen, für Neubauten auch 20 Euro und mehr.
Miet-Wahnsinn in Hamburg: Quadratmeter kostet bereits 131 Euro
„Irgendjemand findet sich immer, der das Gebot annimmt“, hat Rolf Bosse beobachtet. Der Chef des Hamburger Mietervereins sieht das Hauptproblem darin, dass in deutschen Metropolen zu wenig Wohnraum vorhanden ist, was Anreize schaffe, Wohnungen „mit immer neuen Tricks höchstpreisig an den Markt zu bringen“, so Bosse. „Die Zahl derjenigen, die es auf diese Art und Weise versuchen, ihre Profite zu maximieren, nimmt zu. Der Druck im Wohnungsmarkt wächst, das Nachsehen haben diejenigen, die finanziell nicht mithalten können.“
Tatsächlich ist dieses Phänomen der möbliert angebotenen Wohnungen nicht neu, auch das Abendblatt berichtete mehrfach. „Schlicht unanständig“, hatte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), diese Praxis genannt und „Gier und das Ausnutzen des Wohnungsmangels“ durch einzelne Vermieter kritisiert. Das war im Sommer 2023, und es ging um Kaltmieten von rund 30 Euro pro Quadratmeter für Altbauwohnungen in Alsternähe.
Mieten Hamburg: 100 Euro pro Quadratmeter geht nur möbliert
Mittlerweile sind mit Quadratmeterpreisen von 100 Euro und mehr selbst in Randlagen ganz andere Dimensionen erreicht. Auch quantitativ scheint das Problem zuzunehmen. Ein Beispiel: Waren im Spätsommer 2023 noch 120 von insgesamt knapp 800 beim Onlineportal Immowelt inserierten Hamburger Wohnungen möbliert, also rund jede siebte, sind es aktuell etwa 500 von 1400, also mehr als jede dritte.
Allerdings stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, dass die Angebote höchst unterschiedlicher Natur sind: So wird die „Wohnung zur Miete“ am Rödingsmarkt bei Immowelt für 4200 Euro Warmmiete im Monat angeboten, als Anbieter wird die Kölner Firma Homelike Internet GmbH genannt. Auf deren Portal wird sie schon für 4976 Euro angeboten, allerdings steht dort in der Beschreibung der Satz: „Es handelt sich um ein gewerbliches Beherbergungsunternehmen oder ein Hotel.“
Geschäftsleute mieten „Wohnungen“ zu Hotelpreisen
Das auf Geschäftsleute spezialisierte Portal Homelike ist also nicht selbst Vermieter, sondern vermittelt in der Regel Zimmer mit Küchenzeile oder Mikroappartements in hotelähnlichen Anlagen an Menschen, die befristet eine möblierte Bleibe suchen – und die bereit sind, Preise zu zahlen, die sich eher am Hotelmarkt orientieren. Das relativiert die astronomischen Mieten etwas, es bleibt aber die Irritation, dass diese Räumlichkeiten auf gängigen Portalen als „Wohnung zur Miete“ angeboten werden.
Demo gegen hohe Mieten
Der Mieterverein zu Hamburg ruft zusammen mit anderen Organisationen unter dem Motto „Offensiv für Wohnraum“ für Donnerstag, 5. Dezember, zu einer Demonstration in Hamburg auf. Nach dem Aus der Ampel-Koalition brauche die Wohnungspolitik in Deutschland einen grundlegenden Kurswechsel. Gemeinwohl müsse vor Profit gehen. Los geht es um 17 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Gänsemarkt. Ab 18 Uhr zieht der Demonstrationszug über Jungfernstieg und Mönckebergstraße bis zur Oberhafenbrücke.
Doch der Möbliert-Wahnsinn macht auch vor normalem Wohnraum nicht Halt. So wird auf Immoscout eine 31-Quadratmeter-Wohnung am Schiffbeker Weg für 2000 Euro (kalt) angeboten, was fast 65 Euro pro Quadratmeter entspricht – und das „in lebendiger Gegend in Hamburg-Billstedt“, wie es heißt. Dass die meisten Menschen dort im Schnitt für deutlich unter zehn Euro pro Quadratmeter leben, wird natürlich nicht erwähnt.
Mieten Hamburg: 1000 Euro für ein winziges „Mikroapartment“
Möglich ist das, weil es sich um ein „voll möbliertes 1-Zimmer-Apartment mit gehobener Ausstattung“ handelt. Wöchentliche Reinigung und frisches Bettzeug sind zwar inklusive, aber einen Hinweis auf einen „Beherbergungsbetrieb“ gibt es nicht. Dafür wird auf „eine zeitlich begrenzte Vermietung“ hingewiesen – ein weiteres Schlupfloch für ungedeckelte Mieten.
Die dritte Gruppe, die unter den möbliert angebotenen Wohnungen auffällt, sind sogenannte Mikroappartements: 20 bis 30 Quadratmeter kleine Unterkünfte, die dank winzigem Bad und noch kleinerer Küchenzeile als vollwertige „Wohnung“ auf den Markt kommen, natürlich möbliert und oft für Mieten von 40 Euro aufwärts pro Quadratmeter.
In Harburg gibt es schon 500 winzige Mikroapartments
In der Harburger Bezirkspolitik sind die möblierten Schuhkartons bereits ein Riesenthema. Denn allein im Kerngebiet rund ums Harburger Rathaus gibt es schon 500 solcher Mikroapartments, und 400 weitere sind in Planung. Dem Ziel, bezahlbaren Wohnraum für die Bevölkerung zu schaffen, kommt der Bezirk dadurch keinen Schritt näher, im Gegenteil.
Denn erstens dürften 18 Quadratmeter für 2138 Euro Warmmiete monatlich in einem ehemaligen Behördengebäude oder 20 Quadratmeter für 1825 Euro in den früheren Phoenix-Werken bestenfalls Geschäftsleute und Studenten mit zahlungskräftigen Eltern anlocken, aber keine dauerhaften Bewohner. Zweitens kann jedes Grundstück nur einmal bebaut werden: Wo teure Mikroapartments entstehen, gibt es halt keinen bezahlbaren Wohnraum.
Investoren versuchen, die Mietpreisbremse zu umgehen
Befeuert wird der Trend zu möblierten Wohnungen unter anderem ausgerechnet von einem Instrument, dass die Wohnkosten eigentlich eindämmen soll: die Mietpreisbremse. Das in Hamburg 2015 eingeführte Instrument besagt, dass bei Neuabschluss eines Mietvertrags die Miete maximal zehn Prozent über der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegen darf.
Einigen Investoren war das natürlich ein Dorn im Auge, und sie fanden schnell Wege, die neue „Bremse“ auszuhebeln. Möglichkeit eins: Wer Wohnungen in Mikroapartmentanlagen mit Concierge anbietet, muss keine Mietpreisbremse einhalten, da es sich offiziell nicht um Wohnraum handelt, sondern um „Beherbergungsbetriebe“. Möglichkeit zwei: befristete Mietverträge. Denn für „Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist“, so das Gesetz, gilt die Mietpreisbremse ebenfalls nicht.
Möblierte Wohnungen lassen sich viel teurer vermieten
Eine dritte Umgehungsmöglichkeit bietet die Möblierung: Zwar gilt die Mietpreisbremse auch für möblierten Wohnraum, aber für diesen darf der Vermieter zusätzlich einen Möblierungszuschlag erheben – so kann er die „ortsübliche Vergleichsmiete“ einhalten und dennoch die Miete nach Belieben nach oben schrauben. Denn diesen Möblierungszuschlag muss er nirgendwo offenlegen, auch gegenüber dem Mieter nicht.
An dieser Stelle hat Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) schon im Juni 2023 angesetzt: Damals brachte Hamburg einen Gesetzesantrag in den Bundesrat ein, der erstens Kurzzeitvermietungen ab sechs Monate auch unter die Mietpreisbremse stellen sollte und zweitens eine Offenlegungspflicht und Begrenzung für den Möblierungszuschlag forderte. Dieser sollte monatlich höchstens ein Prozent des Zeitwerts, den die Möbel zu Beginn des Mietverhältnisses hatten, betragen dürfen.
Senatorin Pein: FDP hat Hamburger Initiative blockiert
Der Antrag wurde vom Bundesrat auch beschlossen, doch passiert ist – nichts. In der Stadtentwicklungsbehörde ist man überzeugt, dass vor allem die FDP-Fraktion und ihr ehemaligen Bundesjustizminister Marco Buschmann verhindert haben, dass das Thema im Bundestag auf die Tagesordnung kam. Daher hofft man nun, dass eine neue Koalition auf Bundesebene den Beschluss des Bundesrats aufgreift.
„Die Umgehung der Mietpreisbremse durch möbliertes Wohnen und Kurzzeitvermietungen mit horrenden und intransparenten Mieten muss endlich aufhören“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) dem Abendblatt. Die Hamburger Bundesratsinitiative sei „massiv vom ehemaligen Bundesjustizminister blockiert“ worden. „Das ist fatal, denn die aktuelle Rechtslage gibt uns eindeutig zu wenig Möglichkeiten, um gegen entsprechende Vermietungsmodelle effektiv vorzugehen.“
Dass mehr bezahlbarer Wohnraum helfen würde, „der unseriösen Vermietung möblierten Wohnraums endlich einen Riegel vorzuschieben“, wie Pein es formuliert, sieht auch der Mieterverein so. Das wird jedoch kurzfristig keine Abhilfe schaffen, da der Wohnungsbau aktuell in einer tiefen Krise steckt. Einig ist man sich auch, dass die Ende 2025 auslaufende Mietpreisbremse erst mal gesichert und dann reformiert werden muss.
38 Quadratmeter für 5000 Euro: „Möbliert“-Wucher in Hamburg
Dennoch fordert der Mieterverein mehr Einsatz vom Senat zum Schutz der Mieter. Als Beispiel nennt Bosse die Stadt Frankfurt, die schon 2022 begonnen habe, bei unangemessen hohen Mieten Bußgeldbescheide auf Basis des Wirtschaftsstrafgesetzes („Mietpreisüberhöhung“) zu verhängen und damit vor Gericht auch Erfolg gehabt habe: „Leider hat Hamburg sich hieran kein Beispiel genommen.“
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Der Senat weist das zurück. Wenn bei den Bezirksämtern vereinzelt Anzeigen wegen Mietpreisüberhöhung gemäß Wirtschaftsstrafgesetz eingegangen seien – 2024 seien es bislang drei gewesen –, seien auch Verfahren eingeleitet worden. Da aber schwer nachzuweisen sei, dass ein Vermieter die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu seinen Gunsten ausgenutzt hat, habe sich dieser Ansatz als „kaum durchsetzbar“ herausgestellt. Daher setze man vor allem auf die Offenlegung und Begrenzung des Möblierungszuschlags.