Hamburg. Die Mieten in der Stadt steigen. Das liegt auch an teuren, möblierten Wohnungen. Nun wird die Kritik lauter, und die Politik reagiert.
Jeder Hamburger weiß es: Wer in Harvestehude mieten möchte, muss bereit sein, mit hohen Zahlen zu rechnen. So ergeben 2400 Euro bei 74 Quadratmetern für eine „moderne Wohnung an der Alster“ eine Miete von nicht weniger als 32,43 Euro je Quadratmeter. Die „exklusive Altbauwohnung“ in Uhlenhorst kommt bei 3000 Euro für 95 Quadratmeter immerhin noch auf eine Quadratmetermiete von 31,58 Euro. Dagegen erscheint die „charmante, helle“ Wohnung in Eppendorf mit ihren 26,44 Euro pro Quadratmeter schon vergleichsweise günstig.
Allen diesen Angeboten ist gemeinsam, dass es sich um möblierte Objekte handelt. Solche Offerten haben inzwischen einen erheblichen Anteil am Hamburger Mietwohnungsmarkt. So kommen sie beim Onlineportal Immowelt derzeit auf rund 120 von insgesamt knapp 800 Einträgen. Ursprünglich für Monteure oder Studierende gedacht, finden sich komplett ausgestattete Wohnungen längst in allen Preissegmenten.
Mieten Hamburg: Warum Fantasiemieten für möblierte Wohnungen legal sind
„Schlicht unanständig“ findet Andreas Breitner solche Mietforderungen. „Schlimm, wie manche Vermieter sich auf dem Wohnmarkt benehmen: Gier und das Ausnutzen des Wohnungsmangels“, sagt Breitner, obwohl er selber die Vermieterseite vertritt – er ist Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), in dem viele Genossenschaften zusammengeschlossen sind.
Nach Erkenntnissen des Hamburger Immobilien-Forschungsinstituts FUB IGES hat sich bundesweit der Anteil von möbliertem Wohnraum bereits im Zeitraum von 2014 bis 2021 mehr als verdoppelt. Branchenkenner führen das nicht zuletzt darauf zurück, dass seit dem Jahr 2015 in rund 400 Städten die sogenannte Mietpreisbremse gilt, diese mit möblierten Wohnungen aber umgangen werden kann.
Dem Mietrechtsnovellierungsgesetz zufolge darf der Wohnungseigentümer bei der Neuvermietung von Objekten, die vor Oktober 2014 erstmals genutzt wurden, höchstens zehn Prozent mehr als die „ortsübliche Vergleichsmiete“ nehmen. Sie ergibt sich aus dem Mietenspiegel. Höhere Mieten als rund 20 Euro pro Quadratmeter wären demnach in Hamburg für Wohnungen, die unter die Mietpreisbremse fallen – und da gibt es etliche Ausnahmeregelungen –, eigentlich nicht drin.
„Egal zu welchen Konditionen Wohnraum angeboten wird – er wird genommen“
„Das Problem ist: Ganz gleich zu welchen Konditionen Wohnraum angeboten wird – er wird genommen“, sagt dazu Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Zwar treffe es bei Mieten von 3000 Euro für möblierte Wohnungen nicht gerade die Bedürftigen, und manchmal würden die Kosten vom Arbeitgeber des Mieters getragen. „Aber klar ist, dass solche Angebote dazu beitragen, die Preise auf dem gesamten Hamburger Mietwohnungsmarkt weiter nach oben zu treiben.“
Zwar gilt die Mietpreisbremse im Prinzip auch für möblierten Wohnraum, in der Praxis lässt sich die Norm aber umgehen. Denn die Eigentümer dürfen einen Möblierungszuschlag erheben, der zur „ortsüblichen Vergleichsmiete“ hinzugerechnet wird. Für die Berechnung des Zuschlags gibt es zwei zulässige Verfahren, das sogenannte „Berliner Modell“ und das „Hamburger Modell“, das laut einem Mietrechts-Ratgeber des Portals Immowelt lukrativer für den Vermieter ist. Demnach ergibt sich zum Beispiel bei einem Anschaffungspreis der Möbel von 5000 Euro ein Zuschlag von monatlich mehr als 100 Euro in den ersten Jahren.
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Für Mieter ist dieses Verfahren allerdings völlig intransparent, denn die Vermieter müssen den Möblierungszuschlag bisher nicht gesondert ausweisen. Damit haben Mieter praktisch keine Möglichkeit, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu überprüfen. „Dieses Instrument kann genutzt werden, um die ohnehin eher wirkungslose Mietpreisbremse zu umgehen“, wird Jens Hermann, Fachanwalt für Mietrecht, in dem Immowelt-Ratgeber zitiert. Steuerrechtliche Bestimmungen machen es zusätzlich attraktiv, möblierte Wohnungen anzubieten. Unter anderem dürfen neue Einrichtungsgegenstände für bis zu 800 Euro netto in voller Höhe im Jahr der Anschaffung als Werbungskosten von der Steuer abgesetzt werden.
Vermieter nutzen auch noch andere Gesetzeslücken aus
Wie Bosse sagt, gibt es zum Vermieten möblierter Wohnungen jedoch im Hinblick auf die vom Eigentümer erzielbaren Erträge sogar noch eine Steigerung: die Wohnungen zimmerweise zu vermieten. „Objekte von weniger als 25 Quadratmetern sind im Mietenspiegel nicht berücksichtigt“, erklärt der Mieterschützer. Damit entfällt hier eine Regulierung, was manchmal in extremer Form ausgenutzt wird.
„Da herrscht dann einfach die reine Gier“, sagt Bosse. Mieter möblierter Wohnungen kämen zudem nicht selten aus dem Ausland, sodass sie mit deutschem Recht nicht vertraut oder aus ihrer Heimat an noch höhere Wohnkosten gewöhnt seien.
Ein weiteres Schlupfloch bieten befristete Mietverträge. Denn für „Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist“, gilt die Mietpreisbremse ebenfalls nicht. Auch dies wird nun gezielt genutzt, um legal noch mehr Geld abschöpfen zu können.
Hamburg will die gezielte Umgehung der Mietpreisbremse stoppen
Bereits vor zwei Jahren unternahm der Hamburger Senat einen Vorstoß, um einer systematischen Umgehung der Gesetze ein Ende zu bereiten. Aber die damalige Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) zog die Bundesrats-Initiative kurz darauf wieder zurück. Der Plan war, den Vorschlag mit in die Koalitionsverhandlungen der „Ampel“ zu nehmen, wozu es dann allerdings nicht kam.
Im Juni nahm die neue Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Karen Pein (SPD), einen neuen Anlauf, diesmal erfolgreich: Ein entsprechender Gesetzesantrag wurde in den Bundesrat eingebracht, aber noch nicht beschlossen. „Eine gezielte Umgehung der Mietpreisbremse durch möblierte Vermietungen oder kurze Vertragslaufzeiten nehmen wir nicht mehr länger hin“, sagte Pein. „Vermieter sollen Möblierungszuschläge von jetzt an klar und transparent ausweisen.“ Außerdem sollten Kurzzeitvermietungen ab sechs Monate nicht mehr generell von der Mietpreisbremse ausgenommen werden.
Mieten Hamburg: Mehr bezahlbare Wohnungen schaffen
„Grundsätzlich stehen die sozialen Vermieter zusätzlichen gesetzgeberischen Eingriffen in den ohnehin schon stark regulierten Wohnungsmarkt kritisch gegenüber“, sagt VNW-Direktor Breitner. Dennoch begrüße man die Initiative des Hamburger Senats, auf Bundesebene die Mieten für möblierte Wohnungen zu begrenzen und deren Höhe am Mietenspiegel auszurichten.
Die beste Chance, „negativen Auswüchsen wie Fantasiemieten für möblierte Wohnungen den Garaus zu machen“, liege aber in der Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnungen, so Breitner: „Dass einzelne Vermieter solche Mieten nehmen können, liegt vor allem daran, dass es zu wenig Wohnungen gibt und manche Mieterin beziehungsweise mancher Mieter sich nur aus Not darauf einlassen.“