Hamburg. Dass die Stadt nicht hinschaut, wenn Gutverdiener in einer geförderten Wohnung leben, ist in Zeiten von Wohnungsnot nicht hinnehmbar.

„Bezahlbares Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit.“ So steht es auf der Homepage von Olaf Scholz, und man kann dem früheren Hamburger Bürgermeister, seinem Nachfolger Peter Tschentscher und vielen anderen Verantwortlichen in Senat und Behörden nicht vorwerfen, dass sie nicht danach gehandelt haben. Erst 6000 neue Wohnungen pro Jahr, später 10.000 – das von Scholz 2011 ins Leben gerufene „Bündnis für das Wohnen“ hat einen Bauboom in Hamburg entfacht, der bundesweit seinesgleichen suchte.

Trotz Wohnungsbaubooms fehlt in Hamburg bezahlbarer Wohnraum

Allein: Es hat nicht gereicht. Im Jahr 2024 müssen wir immer noch zerknirscht feststellen, dass es für Normalverdiener einem Sechser im Lotto gleicht, in Hamburg eine bezahlbare Wohnung zu finden. Wohlgemerkt: Wer schon länger ein Dach über dem Kopf hat, wohnt auch in der Hansestadt oft durchaus günstig, Kaltmieten von acht bis neun Euro pro Quadratmeter sind da eher die Regel als die Ausnahme.

Doch wer umziehen will oder muss oder neu nach Hamburg kommt und nicht sehr überdurchschnittlich verdient, steht vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe: Der Leerstand tendiert gen null, die Fluktuation ist minimal. Wer nicht unbedingt muss, gibt seine bezahlbare Wohnung nicht auf. Was trotz des dramatischen Einbruchs des Neubaus noch auf den Markt kommt, kostet oft 20 Euro und mehr – für die große Masse unbezahlbar.

76.000 Sozialwohnungen, aber 650.000 Haushalte mit Anspruch in Hamburg

Das lenkt den Blick auf die Sozialwohnungen: Die Zahl der staatlich geförderten Wohnungen nimmt wegen des Auslaufens der Mietbindungen seit vielen Jahren ab. Statt einst mehr als 150.000 gibt es heute noch ganze 76.000 Sozialwohnungen in Hamburg. Dem stehen mittlerweile gut 650.000 Haushalte gegenüber, die ein Anrecht auf so ein günstiges Dach über dem Kopf haben.

Angesichts dieses eklatanten Missverhältnisses liegt eigentlich nichts näher, als dass die Stadt sehr genau hinschaut, wer in diesen Wohnungen lebt, für die sie inzwischen 750 Millionen Euro an Fördermitteln bereitstellt – pro Jahr.

Himmelschreiende Ungerechtigkeit: Staat fördert Gutverdiener

Eigentlich. Denn tatsächlich passiert: nix. Wer einmal sein Einkommen nachgewiesen und mit dem Wohnberechtigungsschein eine Sozialwohnung gefunden hat, muss nichts mehr befürchten. Regelmäßige Nachfragen seitens der Stadt, ob sich das Einkommen geändert hat? Fehlanzeige. Eine Pflicht der Mieter, ihrerseits Veränderungen zu melden? Fehlanzeige. So ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet und schätzungsweise jede zehnte Hamburger Sozialwohnung fehlbelegt.

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Ob das nun wirklich der berühmte „Millionär in der Sozialwohnung“ ist oder nur andere Gutverdiener, spielt dabei keine Rolle: Dass wir mit Abermillionen aus Steuern Menschen eine günstige Wohnung finanzieren, die das gar nicht nötig haben, während gleichzeitig Tausende händeringend eine bezahlbare Bleibe suchen, ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

Sozialwohnungen in Hamburg: Fehlbelegungsabgabe könnte helfen

Eine Fehlbelegungsabgabe, wie es sie früher gab, könnte diese Ungerechtigkeiten lindern. Allerdings gibt es auch gute Argumente dagegen – etwa die Sorge, dass Quartiere zu Brennpunkten werden, wenn die Besserverdienenden wegziehen. Aber besteht diese Gefahr heute überhaupt noch, da es kaum bezahlbare Alternativen gibt? Das Mindeste wäre, dass der Senat mal das Ausmaß des Problems erhebt und sich auf eine Diskussion darüber einlässt. Bei der Ausgestaltung einer Abgabe gibt es ja großen Spielraum, wie die unterschiedlichen Vorschläge von Grünen und CDU zeigen.

Nur eines geht gar nicht: bei „der sozialen Frage unserer Zeit“ an so einer wichtigen Stelle einfach wegzuschauen.